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IX
ОглавлениеOtanes.
Itaphernes.
Gobryas.
Megabyzos.
Aspathines.
Hydarmes.
Dareios.
Smerdis, der nicht des Kyros Sohn war, vielmehr der Ohrlose, von Kambyses bestrafte, herrschte als König in der Burg von Susa. Milde Befehle ließ er ins Land tragen, um die Gunst seiner Untertanen zu gewinnen.
Die Tochter des Otanes, Phatyma, die dem Kambyses zum Weibe gegeben war, wohnte, wie alle übrigen Frauen des verstorbenen Großkönigs, dem falschen Smerdis bei. Auf Geheiß ihres Vaters erkundete sie mit ihren zarten Fingern, als die Reihe wieder an ihr war, daß sie bei Smerdis schliefe, daß er ohrlos, also nicht der Sohn des Kyros, der, wie man wußte, niemals seine Ohren verloren hatte, also in Wahrheit, gemäß dem Ausspruch des sterbenden Kambyses (den man für eine Lüge gehalten hatte), heimlich ermordet sein mußte – durch eben den Kambyses, der es vor seinem Tode gebeichtet und als entschuldigende Erklärung ein fehlerhaftes Orakel, das ihm in Palästina geworden, angeführt.
Die sieben verschworen sich gegen den Usurpator. Dareios aber war es, der mehr als die übrigen die Ausführung der Ermordung des falschen Smerdis, gegen den sich das Orakel hatte wenden wollen, im Plan entwarf und zur Eile trieb.
»Denn wo du lügen mußt, da lüge. Beide haben das gleiche Ziel vor Augen: der da lügt und der die Wahrheit sagt. Der eine lügt nämlich dann, wenn er durch seine Falschheit etwas einreden und Vorteil daraus ziehen will; der andere sagt die Wahrheit darum: daß er durch die Wahrheit Vorteil gewinne und die Leute um so mehr an sich fessele. Wiewohl auf verschiedenen Wegen, trachten beide nach dem gleichen Ziel. Sollte nicht damit verbunden sein Vorteil, so könnten sie gleichermaßen beide, der Wahrhaftige ein Lügner und der Lügner wahrhaftig sein.«
Als der Plan der sieben gelungen war, und das Getümmel ihrer Tat wegen sich gelegt hatte, fünf Tage verstrichen seit ihrem blutigen Aufstand, kamen sie überein, daß sie berieten, wer zukünftig König sein solle.
Als sie auf einem verabredeten Treffpunkt versammelt waren und ihre Reden vorbrachten, kam ein Streit auf. Die einen wollten als Regierungsform
die Demokratie
die andern
die Oligarchie
die dritten endlich
die Monarchie.
Als jeder die Vorzüge der von ihm angepriesenen Regierungsform vorgetragen, schritten sie zur Abstimmung, und es erwies sich hierbei, daß viere für die Monarchie gewonnen waren.
Doch konnten sie sich nicht einigen, wem die Würde des Königs unter ihnen angetragen werden solle. Otanes erbat sich, als Anwärter ausscheiden zu dürfen, da er die Demokratie als einzig mögliche Regierungsform ansehen müsse; unter der Bedingung, daß er und sein Haus auf ewige Zeiten frei von der Last der Unterwürfigkeit blieben; also weder herrschten noch beherrscht würden.
Nachdem die sechse ihm die Bedingung zugestanden, führten sie für sich selbst, sofern sie nicht zum König gemacht werden würden, gewisse Sonderrechte ein, dem Monarchen gegenüber, wie auch immer er hieße; nämlich, daß sie freien Eingang haben sollten in die königliche Burg ohne vorherige Anmeldung, es sei denn, der König schliefe gerade bei seinem Weibe. Er selbst, der noch ungewählte Herrscher, müsse sich verpflichten, kein anderes Weib zu freien, als aus der Sippe der Genossen der Empörung.
Da sie trotz vieler trefflicher Reden und gegenseitiger Vertrauensanträge aus ihrer Mitte nicht eins werden konnten, wen sie als den besten unter sich anzusehen hätten, sie bei dem einen wohl ein Übergewicht an Klugheit erkannten, bei einem anderen aber ein Übermaß an Güte, der dritte für gerechter galt als alle, über den Monarchen von seiten des Otanes aber auch böse Eigenschaften ins Treffen gebracht, sie wiederum die Wahl dem Volke nicht anvertrauen wollten, weil bei dem Meinungsaustausch viel schlimme Absichten der Allgemeinheit hervorgehoben worden waren, verfiel man darauf, den Gott Ahuramazda um die Segnung eines Orakels anzuflehen.
Da dieser Gott, wie man wußte, die Rosse, die schönsten der Tiere, liebte, zu nächtlichen Zeiten selbst zu reiten begehrte, durch Zeichen kundtat, wann, an die Pforte des Tempels gebunden, zur Jagd ausgerüstet, gesattelt er edle Hengste erwarte, beschlossen sie folgendes: Am nächsten Morgen bei anbrechendem Licht sollten die sechse sich wieder versammeln, doch reitend, auf einem freien Platz vor der Stadt. Wessen Pferd als erstes der neuen Sonne entgegen zu wiehern begänne, sollte gewählter König sein.
Dareios hatte einen Stallmeister. Oebares. Zu ihm sprach Dareios, nachdem die sieben auseinander gegangen, was unter ihnen beschlossen worden war und fügte hinzu, gedenkend seiner Rede von Lüge und Wahrheit:
»Wenn du ein kluger Mensch bist, wie du immer vorgibst zu sein, und wovon du, wenn man es recht bedenkt, den Beweis noch schuldest, so richte es so ein, daß Wir die Würde erlangen, und nicht ein anderer.«
Oebares gab als Antwort: »Wenn es, o Herr, auf meinen Verstand nur ankommt, so gib dich zufrieden und sei guten Mutes. Der Verstand findet den Weg zum Mittel. Die Jahreszeit hat nichts dawider.«
Ungeduldig drang Dareios weiter in ihn mit Worten: »Wenn du ein Mittel kennst, so ist es Zeit, daß du es anwendest, und nicht verschiebst, was morgen als Verlust offenbar wird.«
Als nun die Nacht vergangen, zogen die Anwärter hinaus; begleitet von ihren nächsten Freunden, die sich berechtigt dünkten, frühzeitig von dem Ausgang der Sache unterrichtet zu sein. Des Dareios Pferd wurde von Oebares am Zügel geführt. Eine Hand hielt der Stallmeister verborgen in den Falten seiner Hose. Als er den Augenblick für gekommen hielt, zog er die Hand hervor und berührte damit die Nüstern des Hengstes. Der sog ein paarmal mit heftigen Zügen den Atem ein, hob dann den Kopf, warf die Lippen auf und begann freudig und sehnsüchtig zu wiehern, wie man meinte, der aufgehenden Sonne entgegen. So war es denn entschieden, daß des Hystaspes Sohn König sein sollte.
Oebares hatte das Wiehern dadurch hervorgerufen, daß er zuvor im Stall einer Stute die Hand in die Schamöffnung geführt und auf dem Versammlungsplatz die schleimbenetzten Finger dem männlichen Tiere hingehalten, das, den lieblichen Geruch deutlich erkennend, mit seiner Stimme die unsichtbare Geliebte begrüßen wollte.
Es ist eine Variante zu dieser Erzählung gegeben worden, die weniger glaubhaft und doch kaum moralischer ist.
Der Sklave begann seine Geschichte:
»Wer die Haltung aufgibt, o Herr, hat die Achtung der anderen verloren und ist daran, sein Leben zu verlieren.
Verwundert Euch deshalb nicht, o Herr, wenn Ihr wahrnehmt, daß ich trotz des täglichen Brotes so vielen Unglücks, wie Ihr noch erfahren werdet, sofern Euer Ohr meiner Rede geduldig, es nicht verlernt habe, zu lächeln. Wenn Ihr deutlich seht, und Ihr werdet es tun, weil ich daran erinnere, müßt Ihr erkennen, daß die gewölbte Lippe, die Euch zuspricht und ermunternd einlädt zu der Fröhlichkeit des Lachens, in der Mitte gespalten war – und doch mit Schorf und Narben sich wieder vereinigte, um nicht lästig zu werden im glänzenden Gesicht. Nur der Feige verkriecht sich, o Herr, wenn das Unglück zum Besuch bei ihm einkehrt; der Kluge aber empfängt es wie einen lang erwarteten Gast. Und schmückt sich, wie ich mich geschmückt habe. Wenn die Seide an meiner Haut auch jenen, ach so beständigen Gast, nicht schreckt, so vertreibt sie doch auch nicht die Augen der Vorübergehenden von mir, die ich beleidigen würde, gliche ich dem Bettler oder dem Krüppel. Daß ich ihnen gleichen könnte, o Herr, das werdet Ihr mir glauben, wenn ich Euch die volle Wahrheit gesagt habe, was wohl meine Pflicht ist, will ich nicht eines Tages von Euch den Schimpf ernten, daß Ihr mich Betrüger nennt, denn Ihr habt mich rechtmäßig von einem Makler gekauft, weil ich Euch gefallen habe. Und habt einen guten Preis für mich bezahlt, wie ich erfahren habe. Ich werde mich wert zeigen des Preises, wie ich Euch bitte mir zu glauben, bis ich Gegenteiliges bewiesen habe.
Auf dem Markte hattet Ihr herausgefunden, ich duftete süß. Ich habe es wohl gemerkt, als Ihr zum erstenmal an mir vorüberginget, daß Eure Nase angenehme Luft einsog in meiner Nähe. Gleich begriff ich, Ihr hattet ein wohlwollendes Verständnis für die Zusammensetzung der Riechwasser, die ich auf meiner Haut verrieben; und ich würde nur zu Eurem Vorteil handeln, wenn ich mein Gewand am Halse ein wenig ausließ. Ihr verstandet meine Bewegung sogleich und antwortetet mit einem Lächeln und einem Handzeichen. Ihr grifft nach meinem Gewand und streiftet es mir ab, daß ich bis zun Nabel herab Euch nicht verborgen blieb. Ihr fandet mich wohlgewachsen und unbehaart. Nun aber Herr, wo die Stunde gekommen, daß ich mit meiner ganzen Gestalt vor Euch muß Rechenschaft ablegen, ob Ihr nicht etwa unnütz Geld vertan, bange ich doch, es sei zuviel des Lächelns an mir gewesen, und Ihr, in eine Falle gegangen, wäret betrogen, da ich nicht weiß, zu welchem Dienst in Eurem Haus Ihr mich benützen wollt. Wenn Ihr Euch recht erinnert, und da ich daran mithelfen will, werdet Ihr’s, verstand ich es, daß, wie auch immer Ihr den Kopf wendetet, Euer Auge doch nicht mehr an mir bemerkte als den vorderen Anblick meines Körpers. Ihr werdet nun verlangen, daß ich mein Kleid ganz abstreife. Ich werde es tun, o Herr. Was für ein Weg auch bliebe mir, euch das Verlangen nicht zu erfüllen? Doch bitte ich Euch, erlaubt mir, daß ich über meinen Rücken einen Mantel hänge und vergeßt, während Ihr mich an allem andern prüft, was ich Euch von meinem Rücken erzähle, daß er von Dolchstößen zerfetzt ist und gänzlich durch Narben entstaltet.
Es ist eine Geschichte, Herr, mit diesen Narben verbunden, wie mit der gespaltenen Lippe. Die Geschichte ist mein zweites Ich und Ursache dessen, daß ich nur halb noch menschlich anzuschauen bin. Und daß die zurückgebliebene Hälfte nicht schlecht erscheine, deshalb, o Herr, habe ich gelernt zu lächeln bei jeder Stunde. Und Ihr, o Herr, werdet Freude finden an dem Anblick des Bildes von vorn, das das Denkmal einer freudvollen Vergangenheit, wie Ihr hören werdet, wenn nicht lästig Euch, was meine Lippen vorbringen.«
Danach sollte, als Oebares die Rede seines Herrn vernommen, in der Nacht er der Stuten eine, der Dareios Hengst am meisten zugetan war, vor die Stadt geführt, auf dem freien Platz, der zur Königswahl ausersehen war, angebunden und den Hengst danach herangebracht haben, um ihn die Stute belegen zu lassen.
Als dann der Morgen gedämmert, und die sechse, der Verabredung gemäß, vor das Tor geritten und an die Stelle gekommen, wo in der vergangenen Nacht das Mutterpferd war angebunden gewesen, wäre des Dareios Pferd hinzugelaufen und hätte gewiehert, erregt durch die Erinnerung an das Erlebnis.
Perrudja wußte nur zu gut, daß Hengste begehren, nicht aber rückwärts träumen. Er vermutete, um vollends die Geschichte zu einer Abrundung zu bringen, was sie, die er für die glaubhafteste hielt, ausgelassen, daß nach der Wahl seines Herrn man dem Hengst die Lust an der Stute, deren sich des Stallmeisters Hand bedient, gegönnt.
»– wenn nicht lästig Euch, was meine Lippen vorbringen.«
Er schloß das Buch befreit.
Leisen Anstoß nahm er nur daran, daß die Historie die Namen so vieler edler Hengste überliefert, kaum aber eine Stute für wert befunden, daß ihr Name unsterblich würde. Die Kaiser, Könige, Herzöge und Fürsten hatten sich nur auf Hengsten reitend dargestellt. Die Bilder des Colleoni und Gatamelata, Söldnerführer, Hengste. Er dachte weiter an die rossebändigenden Riesen des Monte Cavallo. Hengste. Weiter. An die griechischen Hengste mit krummem Hals und beißenden Nüstern. An die Pferde der Han-Dynastie.
Diese befangene Feststellung konnte er machen, weil seine Kenntnisse in der Geschichte nur bescheiden.