Читать книгу Perrudja - Hans Henny Jahnn - Страница 14

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Nicht unweit des Berges Bistun und der Stadt Sarpul, in der Nähe des Flusses Qarasu, den schon Tacitus gesehen, ist ein Denkmal in den Felsen gehauen, das die Araber zu den Weltwundern zählen; von dem in seinem Buche der Länder der Dichter Amru ben Bahr al-Djahiz gesagt hat: »Dort ist das Bildnis eines Rosses, wohl das schönste an Bildern, das es gibt. Man behauptet, es sei das Bildnis von Kisras Roß mit Namen Shabdez. Auf ihm sitzt Kisra, aus Stein gehauen. Und das Bildnis seiner Gemahlin Shirin ist im Obergeschoß dieser Grotte.«

Perrudja wurde tief angerührt durch diese Beschreibung. Der Wunsch sengte sich in ihn hinein, von dem Denkmal mehr zu erfahren. Und von der Geschichte des Pferdes.

Shabdez bedeutete die Nächtliche.

Sie muß schwarz an Farbe und eine Stute gewesen sein.

Noch ehe er Näheres über das steinerne Pferd in Erfahrung gebracht, taufte er das eigene Füllen Shabdez, entzündet an dem Wort: wohl das Schönste an Bildern, das es gibt.

Zwar – das Füllen war tiefbraun.

Es ist in der Nacht geboren.

Ich werde es nächtlich reiten.

Seine Augen sind tief wie Nachthimmel.

Wohl das Schönste an Bildern. Shabdez.

Die Zuneigung zu dem jungen Tier hatte einen neuen Inhalt bekommen. Herrlich Zukünftiges schien ihm aus der Bedeutung des Namens entgegenzuprangen. Die Fülle seiner Hoffnungen aber wuchs an, als er daran ging, Kenntnis von den Lebensschicksalen des Königs Khosro II. zu nehmen, der der Besitzer der schwarzen Stute gewesen. Freilich, was an Glück auch diesem glücklichsten aller Könige beschieden gewesen, vor seinem Tode noch sollte es ausgelöscht werden. Mit bangen Ahnungen mußte der Waldbesitzer auch diese Lektüre bezahlen.

Im Jahre 1228 vollendete der Enzyklopädist Yaqut aus Hamah sein großes Namenbuch und begann das Gedächtnis an den letzten mächtigen sassanidischen König mit dem Namen seiner Lieblingsstute. Er beschrieb den Ort des Denkmals, eben das lebendige (wenn auch steinerne) Zeugnis, ohne dessen Vorhandensein man die Geschichte des glücklichsten Mannes nur erkennen würde wie durch einen Schleier. Man würde sie betont finden nach den äußerlichen Bewegungen seiner letzten Regierungsjahre, die erfüllt waren durch die Kriege mit Herakleios, jenem unklugen Kristen, der ausersehen worden war, den letzten Becher Erfüllung dem Glückreichen aus der Hand zu schlagen, zu schleifen den Prunkbau einer beispiellosen Meistbegünstigung durch das Schicksal.

Die Idee des Krieges um das heilige Kreuz Jesu, die finsteren Vorzeichen von Überschwemmungen, Krankheiten, Feuerzeichen der Kometen, die das Wirken des Propheten Mohammed in den Ländern außerhalb Arabiens ankündeten, würden das Leben des Einzelnen verwischt haben.

Mit Beharrlichkeit wollen wir toren Menschen daran festhalten, daß es Kampf, Sieg und Niederlage der großen Maxime seien, die unser Herz bewegen und es sich entscheiden lassen. Lüge. Ohne das lebendige Fleisch des Einzelnen ist die kühnste und geistigste Abstraktion ein Totengebein. Die Völlerei eines erdhaften Kindes trägt mehr Vernunft als die fromme Karitas einer Ausgebrannten, die nicht mehr den Mut zum kleinsten persönlichen Wunsch.

Der Ort, den die Muslime oft beschrieben haben, wird gekennzeichnet durch einen marmornen Berg, aus dem starke Quellen hervorbrechen. Seit undenklichen Zeiten war er eine heilige Stätte der Iranier, die an den klaren, steingeborenen Wassern glaubten die Göttin Anahit verehren zu müssen.

In den Felsen aus dichtem Kalkstein sind zwei Grotten gebrochen; eine kleinere, die Shapur III. meißeln ließ, unmittelbar benachbart eine größere, das Denkmal der Shabdez und ihres Herrn.

Enzyklopädie 1228:

Shabdez ist ein Ort zwischen Hulwan und Qarmisin am Fuße des Berges Bisutun, genannt nach einem Pferde, das dem Khosro gehörte.

Es sagt Mis’ar b. al-Muhalhil: das Bild Shabdez ist eine Parasange von der Stadt Karmisin entfernt. Es ist ein Mann auf einem Pferd aus Stein, angetan mit einem unzerreißbaren Panzer aus Eisen. Dessen Panzerhemd sichbar ist. Und mit Buckeln auf dem Panzerhemd. Ohne Zweifel meint, wer es sieht, daß es sich bewegt. Dies Bild ist das Bild Parwez auf seinem Rosse Shabdez. Es gibt auf der Erde kein Bild, das ihm gliche. In der Grotte, in der dies Bild steht, ist eine Anzahl von Bildern. Von Männern und Frauen, zu Fuß und zu Roß. Vor der Grotte ist ein Mann, wie einer, der auf dem Kopf eine Mütze trägt. Und er ist in der Mitte gegürtet. In seiner Hand ist eine Hacke, gleichsam als ob er damit die Erde grabe. Das Wasser kommt unter seinen Füßen hervor.

Es sagt Ahmad b. Muhammed al-Hamadhani: Zu den Wundern Karmisins – und es ist eines der Wunder der Welt überhaupt – gehört das Bild Shabdez. Es ist in einem Dorfe genannt Khatan. Und sein Bildner hieß Qattus b. Sinimmar. Sinimmar ist der, der das Khwarnak in Kufa baute. Die Ursache von des Rosses Darstellung in diesem Dorfe war, daß es der Tiere reinstes und größtes an Wuchs war. Dessen Natur am offenkundigsten. Und das am längsten den Galopp aushielt. Der König der Inder hatte es dem König Parwez geschenkt. Es stallte nicht und gab keinen Mist von sich, solange es Sattel und Zaumzeug trug. Und schnaubte und schäumte nicht. Der Umfang seines Hufes betrug sechs Spannen. Da geschah es, daß Shabdez krank wurde. Und ihre Beschwerden nahmen zu. Parwez erfuhr dies und sprach: »Wahrlich, wenn mir jemand des Rosses Tod meldet, so werde ich ihn töten!« Als nun Shabdez gestorben war, da fürchtete ihr Stallmeister, daß der König ihn fragen werde, und daß er dann nicht würde umhin können, ihm den Tod zu melden, und daß der König ihn töten werde. Darum ging er zu des Königs Sänger Pahlbadh, mit dem verglichen es weder in früheren noch in späteren Zeiten einen gab, der im Lautenspiel und Gesang geschickter war. Man sagt: Parwez besaß drei besondere Dinge, die keiner vor ihm besessen; nämlich sein Roß Shabdez, seine Sklavin Shirin und seinen Sänger Pahlbadh. Der Stallmeister sprach: »Wisse, daß Shabdez bereits zugrunde gegangen und gestorben ist. Es ist dir bekannt, was der König dem angedroht hat, der ihm ihren Tod meldet. Darum ersinne mir eine List, und dir soll soundso viel gehören.« Jener versprach ihm die List. Und in einer Audienz vor dem König sang er diesem ein Lied, in dem er die Geschichte verbarg, bis der König begriff und ausrief: »Wehe dir, Shabdez ist tot!« Da sagte jener: »Der König sagt es.« Darauf sprach der König: »Ah, schön, du bist gerettet und hast einen anderen gerettet.« Und er hatte großen Kummer um das Pferd. Und befahl dem Qattus b. Sinimmar, es darzustellen. Dieser bildete es in der schönsten und vollkommensten Weise ab, so daß es zwischen den beiden beinahe keinen Unterschied gab. Außer durch das Pulsen des Lebensgeistes in ihren Körpern. Der König kam herzu und besichtigte es und weinte Tränen, als er es betrachtete. Und sprach: »In hohem Maße kündet diese Darstellung unsern eigenen Tod an. Und sie erinnert uns, zu welch traurigem Zustand wir gelangen. Wenn es augenscheinlich ein Ding von den Dingen dieser Welt gibt, das hinweist auf die Dinge jener Welt, siehe, so liegt hierin ein Hinweis auf die Anerkennung des Todes unseres Körpers und die Zerstörung unseres Leibes und das Verschwinden unserer Form und des Verwischens unserer Spur durch die Verwesung, der man sich nicht entziehen kann. Und zugleich auch die Anerkennung des Eindrucks dessen, was unmöglich bestehen bleiben kann von der Schönheit unserer Gestalt. Es hat unser Verweilen bei dieser Darstellung in uns eine Erinnerung an das hervorgerufen, wozu wir werden, und wir stellen uns vor, wie andere nach uns dabei verweilen, so daß wir gleichsam ein Teil von ihnen und bei ihnen anwesend sind.«

Ahmad b. Muhammed al-Hamadhani sagt weiter: Zu den Wundern dieser Gestalt gehört es, daß keine Form gegeben wird, wie ihre Form. Und kein Mensch von feiner Überlegung und feinem Sinn verweilt dabei seit der Zeit ihrer Darstellung, ohne an ihrer Form Zweifel zu hegen und über sie in Verwunderung zu geraten. Ja, ich habe viele derart schwören hören oder beinahe einen Eid leisten, daß sie nicht das Werk von Sterblichen sei, und daß Allah der Höchste ein Geheimnis besitze, das er eines Tages offenbaren werde.

Wenn diese Darstellung Menschenwerk ist, so ist dieser Bildner begabt gewesen, wie keiner von den Wissenden begabt ist. Denn was ist wunderbarer oder schöner oder mit mehr Hindernissen verbunden, als daß ihm der Fels gefügig werde, wie er wollte; und daß er schwarz wurde, wo es schwarz sein mußte und rot, wo es rot sein mußte; und ebenso mit den übrigen Farben. Und es ist mir klar, daß die Farben in einer bestimmten Art behandelt sind. –

Um den heiligen Berg mit seinen heiligen Quellen breiteten sich die Jagdgründe des Königs aus. Die Trauer um den Tod der Stute wünschte er hineinzumischen in die Flutwelle an Lust, mit der er seinen schweren Körper in den riesenhaften Garten treiben ließ.

Er weinte mit einem Auge. Seine wollüstigen Lippen trinken gegorenen Wein, gewürzt. Muskat, Honig, Nelken, chinesischen Ingwer, Zimt. Die Zähne pflücken fleischige Borke von gedörrtem Braten. Er sieht das steinerne Pferd, darauf reitend den steinernen König, sich selbst. Er saugt den Blutsaft, das Fett von seinen Fingern. Halbtrunken sinkt er an die Brüste eines Weibes. Er weint, er trinkt, er läßt entblößte Schenkel vor sich ausbreiten.

Der Beginn seiner Regierungszeit war von heftigen Erschütterungen begleitet. Bahram Tchobin, der letzte große Mihran, hatte das sassanidische Reich der Vernichtung nahegebracht. Toll nach Macht. Herrschen, unterdrücken, in Blut waten. Der Vater Khosros, Hormizd, war geblendet und dann gespeert worden, er selbst, der Sohn, der junge Großkönig, hatte nach Byzanz zum Kaiser Maurikios flüchten müssen. Aber Bahrams Glück ging zuende. Er wurde durch einfachen Mord beseitigt. Eisen und Fleisch.

Maurikios, der Kaiser der Byzantiner, setzte Khosro, den jungen, der durch Klein-Asien gereist –

Sein Vater gespeert. Eisen und Fleisch.

Du hast gezittert. Du hast gefürchtet. Du hast geweint. Rittest auf Pferden. Die Schenkel wund. Fast hättest du deine Hoden daran geben müssen. Auf den steinigen Straßen. Waren auch Hände danach ausgeschickt.

Setzte ihn in seine Herrschaftsrechte ein.

Zum Glück berufen. An den fremden Orgien von Byzanz gewachsen wie ein Stier. Die Stunde kam. Der Kaiser, der Wohltäter, der Byzantiner, der Beter unter der riesenhaften Kuppel von Santa Sophia, fiel, wie sinnlos. Der unfähige Phokas – Sohn einer Hündin – ein Weib, von siebenzig Männern begattet – dieser Phokas. Machte eine Rebellion, die gelang. Und feierte den Sieg der Revolte, indem Maurikios mit seiner ganzen Familie geschlachtet wurde. Wie Vieh. Auch ausgeweidet. Für die Hunde. Sohn einer Hündin.

Vielleicht hatte es nach diesem blutigen Ereignis einen Augenblick gegeben, in dem Khosro sich berufen gefühlt, als Rächer seines Wohltäters gegen Phokas zu ziehen. Hatte er die ersten Heere gegen Ostrom in blutendem Schmerz und Zorn über den Verlust eines Freundes gesandt?

Phokas, Sohn einer Hündin, der siebenzigvätrige, beseitigte Narses, den Verwalter der östlichen Provinzen, die Fackel, das Feldherrngenie, das gegen Persien brannte.

Iran kennt keine Besinnlichkeit mehr. Die ersten ausgesandten Generale des Großkönigs konnten ungetrübte Siege berichten. Das war im Jahre des Heils 604.

Im folgenden Jahre des Heils 605 durchzog die sassanidische Reiterei in wilden Streifzügen die östlichen Provinzen des Reiches Byzanz. In den »Pforten« des Königs, in seinen Städten, waren seine Wünsche nach Reichtümern entflammt. Nach Juwelen wie kein anderer gierig, befahl er Raubzüge gegen das Reich seines weiland Wohltäters und des Sohns einer Hündin, des gegenwärtigen Beleidigers.

Vielleicht wurde Maurikios vergessen. Das Erinnern an den Anlaß seines Todes war verstoben vor den neuen Möglichkeiten eines unermeßlichen Glückes, das er auf eine Person, auf sich selbst konzentrieren wollte. Mit fanatischer Beweglichkeit wußte er seinen Generalen zu übermitteln, daß sie nur eine Verpflichtung, nur ein Ziel, nur einen Wunsch haben dürften: zu siegen. Zu siegen, um Beute zu erwerben. Beute zu erwerben, um den Großkönig unermeßlich an Reichtum und Zufriedenheit zu machen. Zwanzig Jahre lang trieb er seine Heere durch Mesopotamien, Syrien, Palästina, Phönizien, Armenien, Kappadozien, Galazien, Paphlagonien. Zu ihm strömten Gold, Edelsteine, mechanische Wunderwerke, Statuen, Weiber. Was an Schönheit gewachsen und gebildet, nahm er zu sich, nie ermüdend am Genießen. Die erste große Niederlage seiner Truppen nahm er als vorbedachte persönliche Beleidigung seitens des Feldherrn. Er glaubte kein Schicksal zu haben. Aus Gründen. (Heiliges Kreuz, Labartu.)

Bis hierher bin ich gegangen. Siebenmal vom Tode errettet. Auf einem Pferd durch Klein-Asien. Fast die Hoden zerritten. After und Schenkel waren wund. Ich blieb am Leben. Damals noch war ich nicht fett. Der Bauch war noch Knabe. Maurikios sagte: »Schöner Knabe«.

Dieser Saèns – geschlagener Feldherr. Krankheit hat ihn befallen. Auf dem Rückzug ist er gestorben.

Er soll in Salz gelegt werden, daß sein Leichnam nicht fault! Der Tote mußte vor dem Großkönig erscheinen, um sich zu rechtfertigen. Der Tote schwieg, salzig, etwas eingetrocknet, schwieg, verstockt, antwortete seinem König nicht. So wurde ihm das Urteil gesprochen, geschunden zu werden. Er war der Verwesung entrissen worden, um vor den Augen Khosros zerfetzt, zerschlitzt zu werden. Der König fühlte sich beleidigt. Das war das Ende des Toten, nachdem der Lebende im Jahre des Heils 626 durch den Bruder des Kaisers Herakleios, Theodoros geschlagen worden war.

Die Augen des Königs

Die Sinne des Königs

Das Glück des Königs

Lang lebe der König

Panzerreiterei, Instrument des Krieges, Menschen, Pferde, Leder, Metall. Waren es Kastraten? Es waren keine Kastraten. Stanken sie nach ihrem Geschlecht? Sie stanken nach ihrem Geschlecht. Sie sangen von Weibern. Sie wurden durch die Länder gejagt. Sie sangen von Lustbuben. Sie wurden durch die Provinzen gejagt. Mesopotamien, Syrien, Palästina, Phönizien, Armenien, Kappadozien, Galazien, Paphlagonien. Sie sangen von der Schamöffnung ihrer Stuten, wenn Dörfer und Städte verbrannten. Sie waren der Augenblick, den niemand behielt, außer den Weibern, die von ihnen schwanger wurden. Der König war der Fels. Er behielt die Weiber, die ihm einmal gefallen.

Sie raubten, mordeten. Geiles Vergewaltigen, Völlerei, Schauspiel nächtlich verbrennender Menschenwohnungen und Wälder. Die Lust des einen, die Lust des anderen.

Im Jahre des Heils 614 war Khosros (des an Glück unersättlichen) großer Feldherr Shahrbaraz Farrukhan in Jerusalem eingezogen. Die Kristen hatten das größte Heiligtum der heiligen Stadt, das heilige Kreuz vergraben, daß es nicht in die Hände der Ungläubigen falle. Es gibt kein Schweigen, das nicht gebrochen werden kann (ausgenommen das Restschweigen, das Tod bedeutet). Die Eroberer nahmen den Patriarchen Zacharias, nahmen seinen frommen Leib und folterten ihn. Es gab kein Ende und kein Maß der Schmerzen, die sie ihm bereiteten, keine Erfindung, die sie ausschlugen, ehe er zu sprechen begonnen. Die Tradition der zehntausend Morde wurde an seinem lebendigen Leibe versucht (den sie am Leben zu halten wußten; und daß er nicht ohnmächtig würde, Riechwässer. Wen man mit Holzhämmern auf die Rippen oberhalb des Herzens schlägt, wird nicht ohnmächtig), der nun, gelehrig an den Schmerzen (neunzigtausend Menschen in Sklaverei verschleppt), eine sinnvollere Frömmigkeit erfand und den Platz verriet, wo das Symbol vergraben, das Holz eben, dies Henkerwerkzeug, römischer Galgen, Richtblock, Beil, Rad, Schlachtbank (O Lamm – Gottes – unschuldig). Shahrbaraz wollte seinen Herrn lächeln sehen; er entführte das Kreuz (neunzigtausend Menschen in Sklaverei verschleppt).

Der Unbegreifliche zerspellte das Holz, schenkte ein Stück davon seinem kristlichen Finanzminister Yazdin und sperrte unter Entfaltung von Pomp und Ehrenbezeugungen (der Unbegreifliche, Parwez) für den Inhalt eines fremden Glaubens das Martergerät im neuen Schatzhaus und Staatsgefängnis von Ktesiphon, dem »Haus der Finsternis«, ein, glaubend, daß die magischen Kräfte des Unbekannten von nun an ihm untertan, Mehrer seines Glückes sein müßten. Wie die Labartu, die Pestgöttin, die benachbart dem heiligen Kreuz gefangen gehalten wurde.

Sie war alt, sehr alt und mächtiger als das Kreuz. Aus Babylon oder Ninive war sie gekommen. Löwenköpfig mit spitzen Eselsohren. Weib, Brüste vom Weib, Weib, das geboren hat und ein Schwein und einen Wolf säugt. In den Händen Schlangen; aus ihrem Schoße wachsen Adlerbeine, mit denen sie auf einem Esel hockt; ihr Buhle bei ihr, der sich in ein Schiff gelagert, das dieses Liebespaar durch die Flüsse fährt; das mit seiner Fruchtbarkeit Eiter sät.

Als einer der Feldherrn des Großkönigs diese wilde Kraft der Zerstörung gefunden und herbeigeschleift, hatte er aufgeatmet. Er fürchtete Krankheit; er war fett geworden. Grinsend hatte er vor dem Steinwerk gestanden, war wieder davon geeilt, hatte sich selbst wie ein Fabeltier geschmückt. Bunt. Seide der sieben Farben. Fünf Grundtöne: rot, grün, blau, gelb, weiß, dazu die Erhöhungen, der Bogen Abraxas, die Sonne und der Nachthimmel, gold und schwarz. Dazu die Attribute, die Edelsteine. Den Hof hat er angepeitscht zu einer unerhörten Feier. Prozessionen, Paraden vor den Blicken des gefürchteten Dämons. Labartu, Pestgöttin, Eselsgeliebte. Diener und Feldherrn müssen Eselinnen begatten. Daß sie lächle. In den Staub vor ihr. Erniedrigendste Lust. Ich befehle! Eure Gesundheit gebeut, mein fetter Bauch. Es darf keine Unordnung kommen. Was ich abends esse, muß am Morgen wieder aus mir, sonst kocht die Sonne daraus Eselssamen der Labartu.

Dann wurde der Stein in die Grotten des Gefängnisses versenkt. Der König war gefeit gegen Krankheit, gegen die Anfechtungen eines wandelbaren Körpers. Seinen Ländern kündete er Gesundheit. Sie murrten nicht. Die Eselsgeliebten nicht einmal. Gesundheit. Kein Fieber. Kein Geruch in den stillen Buchten der Wässer.

Er trat in die Gewißheit ewiger Jugend und ewiger Kraft ein. Dreitausend Weiber wählte er sich aus, daß sie die unermeßliche Fülle seiner Lenden faßten. Für die Augenblicksregungen seiner sinnlichen Äußerungen gab es achttausend Mädchen. Er glich einer üppigen blühenden goldgelben Wiese, die dampfend mit dem Geruch ihres Paarens den Himmel füllt.

Er wuchs heran zum Besitzer der zwölf unvergleichlichen Kleinodien, der Attribute und Machtrequisite.

1. Der Palast von Ktesiphon.

2. Khosros Thron. Eine Kunstuhr, ein unüberbietbares Werk der Empfindlichkeit und Berechnung.

3. Die Krone mit den drei größten Juwelen der Welt, die einst Alexanders Hengst Bukephalos aus dem Sand Indiens hervorgescharrt; von denen später die Araber erzählten: groß wie Straußeneier, aus feinstem und reinem Edelgestein, dergleichen sonst nie gefunden wird. Geheimnisvolle Inschriften in griechischen Zeichen; die der Schlüssel zu nutzbringenden Kräften waren, steigerten der Steine Wert über den jedes Dinghaften hinaus.

4. Ein Schachspiel mit Figuren aus geschnitzten Smaragden und Rubinen.

5. Wie Wachs knetbares Gold.

6. Der Gandj i badhaward, der den ganzen Reichtum Alexandreias ausmachte, bei der Belagerung der Stadt von Griechen auf Schiffe verladen und dann gekapert; und kanz al-thaur, eine Schatzsammlung aus sagenhafter Vorzeit, beim Pflügen im Boden gefunden.

7. Die Geliebte Shirin, der Garten der Schönheit.

8. Die Stute Shabdez.

9. Die Sänger Sardjis und Pahlbadh.

10. Ein weißer Elefant.

11. Die heilige Fahne Irans, der Lederschurz des sagenhaften Schmiedes Kawa.

12. Der Page und Kochkünstler Khosharzu.

Perrudja verdichtete seine unruhigen Gedanken zum wiederholten Hersagen der Liste. Er fühlte sich zerschmettert. An seinem Ohr, wie durch Nebel das Stampfen von fünfzigtausend Rossen. Herden von Elefanten schoben sich durch eine unermeßliche Welt. Elftausend schöne Frauen. Ihre Existenz wollte sein Herz zerspringen machen. Brüste, Schenkel. Er fragte sich töricht: woran unterschied Khosro die Lebenden? Kannte er sie alle? Ihre Namen behielt er nicht. Er behielt ein kleines Bild. Er machte in sich ein Zeichen. Er gab das Zeichen nach außen. Er dichtete ihnen unterschiedliche Seidengewänder.

Seine Geliebte aber war Shirin. Sie wog elftausend auf. Garten der Schönheit. Fließende Quelle.

Und Shabdez, die Stute.

Und er baute das Denkmal, den Taq i Bustan, als Shabdez gestorben. Der Tod des Pferdes war das Ende seiner Zuversicht und der Anlaß zu traurigen Worten. Wie durch Tränen sah er vor dem Leichnam der Stute noch einmal sein Glück. Es schwemmte ihn durch die Worte der verletzten Seele. In den Marmor gehauen eine Höhle. Man sieht darin die vielen Grade des Lebens, die Khosro gehörten und ihn reich machten; und die Gottheiten, die sich ihn auserwählten, um mit ungewöhnlichem Maß die Wirkung des menschlichen Lebens zu zeigen. Im Hintergrund der Grotte, sozusagen in ihrem unteren Geschoß: der Großkönig, reitend auf der Nächtlichen. Er ist eingehüllt, kriegerisch, in den Duft des Tieres. Ihr Schweiß ist ihm nicht lästig; der Empfindliche, der den Geruch der Rechnungspergamente nicht gut ertrug, und ihn durch Safran und Rosenwasser vernichtete, fühlt sich geborgen, weil durch seine Schenkel, wo er aufsitzt, nicht mit einem Kettenhemd bepanzert, warm, aus den Haaren des Tieres die Berührung, das Unsägliche aufsteigt.

»Der Saphirstift der Nacht hat blau dein Weiß geläutert.«

Man findet Shirin nicht abgebildet. Die dreitausend Nebenfrauen sind auf dem Denkmal abgebildet. Shirin ist dem Bildhauer verborgen worden. Die Existenz des Königs sickert durch seine Maske und sammelt sich wie Wasser in einem Becken. Becken aus Silber, aus Granit, aus Bronze, aus Lapis-Lazuli, aus Zinn, aus Basalt, aus Kupfer, aus Diorit, aus Gold, aus Ton. Scherben und Beulen sind das Ende.

Die Leidenschaft des Bildhauers Farhad hatte ihn unsicher gemacht. Man hat die Geschichte später erzählt, belastet mit Umschreibungen. Shirin fand Gefallen an Farhad. Sie überantwortete ihn nicht dem Zorn Khosros, als sein Werben ihr bekannt wurde. Sie schmeichelte ihn beim König ein, erfand Tugenden an ihm, ließ durchblicken, daß er als Mann mit dem Großfürsten wetteifern könne. Sie vergaß nicht, seine Großmut, seine Bereitschaft zur Freiheit, seine Selbstlosigkeit, seinen Opfermut hervorzuheben. Wollte Khosro nicht klein werden, nicht der Gefahr, Tyrann zu heißen, den nicht einmal Shirin liebte, erliegen, mußte er sich zu den Eigenschaften bekennen, die jenem nachgerühmt wurden. Unter einer Bedingung mußte er ihm das Bett der Geliebten freistellen. Eine Probe verlangt der Zweifler. Der königliche Zweifler verlangt eine harte Probe. Sie reiten ins Gebirge. Zu dritt. Die Frau, die beiden Männer, die selbstlosen, die großmütigen, die opferwilligen, die Freien, nur sich selbst untertan, der König und der Bildhauer. Begriff Khosro an dem laugigen Geschmack seines Speichels, daß er die kleinste Rolle einnahm, daß nicht nur die Probe gegen den Liebhaber erfunden sein würde, vielmehr gegen ihn selbst?

Vor einem Berge schlossen sie einen Vertrag. Der König lächelnd, nicht ganz erniedrigt, nicht ganz in eine Eule verwandelt, noch Großkönig mit Rechten an seiner eigenen Frau; der Gegner strahlend, weil er am Leben blieb, weil von seiner Mühe und Leistung der Preis abhing.

Farhad soll durch den Berg einen Tunnel graben. Gelingt es ihm, hat der König mit ihm das Ehebett zu teilen.

Er beginnt zu meißeln. Khosro, der kein Urteil hat, die Gewalt eines Einsatzes nicht ermißt, befällt Ruhelosigkeit. Ihm wird berichtet: Farhad hat die Hälfte des Weges im Stein zurückgelegt. Der König ist kein Held. Er kann Schätze sammeln, Geld häufen. Er ist dem Stier gleich im Zeugen. Kein Held. Seine Generale sind Helden. Der Bildhauer ist einer. Der Thronende genießt. Er ist fett. Farhad ist sehnig schlank. Khosro fühlt sein Herz. Er schaut aus nach Vertrauten. Er ist verlassen. König, König. Maurikios hatte ihm die Brustwarzen gestreichelt, als er noch machtlos war.

Er glaubt an die Liebe des anderen zu Shirin, an seine eigene nicht. Er sendet einen Boten zu Farhad. Der Bote spricht: »Shirin ist tot.« Es ist die Lüge aus dem Munde des Königs. Farhad stürzt sich vom Felsen herab. Die Ruhe des Königs ist dahin. Er beginnt, die eigene Liebe zu Shirin wie ein Dogma zu handhaben. Es dämmern Gefahren. Er weiß ihren Namen nicht. Es verlautet, an die Grenzen seines Reiches dringe die Pest. Er läßt im Schatzhaus die Labartu strenger bewachen. Doch Kometen jagen am Himmel. Er kennt ihren Namen und ihre Bahn nicht.

Shabdez ist tot. Sie hat sterbend gemistet. Die Generale siegen. Khosros Sieg ist klein, unheldenhaft. Er jagt. Hirsche, Schweine, Enten. Die Weiber schauen ihm dabei zu. Auch Tiere haben Blut in sich. Aber sie schreien nicht. Stummer Schmerz. So fühlen sie nicht. Er glaubt es. Weil er schreien kann. Ihre Eingeweide sind nicht Khosros Eingeweide. Er glaubt es. Weil er sich noch nicht von innen gesehen hat. Man wird ihn belehren. Ihr Zeugen ist nicht sein Zeugen. Ihre Nachkommen sind nicht seine Nachkommen. Man wird ihn belehren. Gemartertes Wild. Gemarterter König.

Es blühen Blumen. Es blühen zwei Pfeiler. Zwei Marmorsteine blühen. Sie blühen im Rhythmus des Akanthus. Sie duften rosig weiß wie Spiralen. In den Blättern liegt ein Hauch und breitet sich aus wie ein Fächer. Wo man Fächer denkt, da knospet es. Wo es knospet, wird es drei. Wo die Drei geworden, schwimmt die Lotosblume, blau, bleich, siebengefaltet. Wo sie sich siebenfach entblättert, schießt das Labyrinth der Staubgefäße, Safran, Same, Knospe, Frucht. Zeit und Ewigkeit. Links und rechts der Grotte blühen Marmorpfeiler. Akanthusblätter ordnen sich wie ein Fächer. Die Spirale ist eine Kurve dritten oder vierten Grades, sagen die Mathematiker. Der Stamm ist rund und steht gegen den Himmel.

Hinter den Pfeilern, in der Tiefe der Höhle jagt Khosro zu Pferde, im Boot, umringt von Elefanten. Dreitausend Weiber sind um ihn, sein seichtes Heldentum zu bewundern. Shirin ist nicht unter ihnen. Sie liegt im Kindbett. Sie hat einen Knaben geboren. Armer Knabe! »Khosro liebt dich.« Der König dichtet seine Erkennungszeichen. Er ordnet die Weiber nach dem Grade des Wohlgefallens, das sie ihm bereiten. Er sagt es ihnen nicht. Er will ohne Zank leben. Er läßt es einweben in Seide.

Kleine feine schaumige Glückswolken, wie Wellen. Genuß bei geschlossenen Augen. Nichts weiter. Kein Wort. Brüste und Schenkel. Kein Wort. Goldene Glückswölkchen auf schwarzem Grund, wie Nacht und samtene Haut. Fügt er drei Kügelchen hinzu, das Symbol des Tchintamani, will er sich tiefer erinnern, nicht nur tasten.

Ein Mensch, ein Prophet, Muhammed hatte gepredigt. In Arabien. Es war davon erzählt worden. Khosros Augen wurden ohnmächtig, jähzornig, ohnmächtig. Maurikios hatte ihm, jung, die Brustwarzen gestreichelt. Tot. Herakleios hieß der jetzige Kaiser. Die Generale siegen; die Steuern erdrücken das Land. Viergeteilte Lotosblumen, vier Blätter wie Herzen. Nächtliche Lotosblumen, die eine schön wie die andere. Sie alle haben in der Mitte des Kelches eine Tiefe. Verstreut über die Gewänder, bedeutet es, König? – Nächtliche Lotosblumen, geschlossen, halb offen, reif fleischig wie Sirupstrank.

Und daß die Nächte tiefer werden und lang, deshalb webt einen Saum aus Lotosblumen, aus Knospen, aus Lotosblumenknospen, dreigespaltenen, fünfgespaltenen, siebengespaltenen. Der Knospen zweie. Es sind die Brüste, schöner als der Schoß.





Über die Berge der Zwiesang, ein Mann und ein Knabe. Hirten bei ihren Hürden. Unendlich traurig. Traurigkeit der Welt.















Tränen, Tränen, Tränen, Tränen.

Und dichter kann die Nacht werden, dichter die Süßigkeit. Webt durcheinander Blüten und Knospen, dicht wie ein Dickicht. Henkelknospen. Kurvendes Aufbrechen. Man spielt wie auf den Feldern des Schachbretts. Khosro gebraucht keine Lagerstatt. Khosro schläft zwischen den Schenkeln der Frauen. Sie harfen ihm seinen Traum.

Die da ruht, die da ruht, die Mutter Ninazus.

Sein Traum heißt Shirin. Shirin hat einen Sohn geboren. Er ist nicht der älteste Sohn. Er ist der Sohn, den der König liebt. Weil er Shirin liebt. Er ist nicht Farhads Sohn. Farhad ist tot. Shabdez ist tot. Maurikios ist tot. Phokas, Sohn einer Hündin, der siebzigvätrige, ermordet, tot.

Die Goldmünzen mehrten sich in seinen Schatzhäusern. Runde Münzen. Totes Glück. Glück. Er wußte nicht, daß es tot war. Er ließ es einweben in Seide. Glücksstunden. Tote Glücksstunden. Er wußte es nicht. Die Gegenspielerinnen wußten es. Sie waren Münzen. Sie gingen durch seine Hand; danach ruhten sie wie im Schatzhaus das Gold. Und waren sie begnadet, wurden sie schwanger, selbst rund. Münzen. In das Rund der Scheibe hinein konnte geschrieben werden, was Khosro an ihnen auszeichnen wollte, bei welchem Anlaß er sie zum ersten oder letzten mal gesehen. Pfauen, Eberköpfe, Blumen, Steine, Reiher, Widder, Sonnen, Sterne, Wolken.

Etliche gab es, für die dichtete er mit Mühe aus dem Erinnern an seine Leidenschaft in ihrer Gegenwart die Sprache wortloser Pracht. Sein Geist suchte Betätigung, wirbelte Brocken sehnsüchtigen Schaffenseifers über die Stoffe hin. Die Vergleiche mit den Tieren des Feldes, den Tieren der Träume gründete er tiefer mit dem Schweiß seines Suchens. Er ließ das Wirkliche und Unwirkliche aufflammen in Katarakten brennender Farben. Stoffe wie knetbares Gold. Ertüftelte Gesetze für das Wachstum der Pflanzen, von innen, wie ein Gott im Gehäuse. Mußten in Rauten verschlungen zu Ornamenten sich prägen, selbst zum Gerank und Gitterwerk der Rauten sich verdichten, um einzurahmen die Tiere des Feldes, die beflügelten Schafe, die bekrallten Pferde, die krausen und stolzen Vögel. Kunstreiche Weber folgten seinen Plänen. Der Gedanke überwucherte den Stein. Der Stein begann zu knospen, zu blühen.

Es kam die Zeit, wo er Rechenschaft ablegen sollte. Die Generale wurden in offener Feldschlacht geschlagen. Die Söhne der Soldaten kämpften, erwachsen, gegen die Soldaten. Waren ja ihrer Mütter Söhne.

Die Provinzen waren es müde, mager zu werden am Glück des Großkönigs.

Der Kriegsunkundige muß von Gandjak vor dem Heere des Herakleios fliehen; zerstört fassungslos sein Land; brennt nieder; verwüstet die Äcker; verschleppt die Menschen. Nur an die unentbehrlichsten Kleinodien denkt er in seinem Entsetzen vor dem Unglück, an die Attribute und Machtrequisite, an das Geld, an das heilige Feuer, an das Kohlenorakel von Gandjak.

Das Böse wurde schlimmer. Aus den albanischen Winterquartieren rückten des Herakleios Truppen, die Kristen, die die Hauptstadt Mediens bewundert und zerstört, in die babylonische Ebene.

Khosro zittert. Er ist kein Held. Nächtlich, heimlich, nur begleitet von wenigen Menschen, die seinem Herzen am nächsten, macht er sich davon aus der Festung, dem durch Kampf uneinnehmbaren Dastagerd. Die starken Mauern Ktesiphons dünken ihm nicht Sicherheit genug. Nach Seleukeia. Bin einst durch Klein-Asien geflohen. Fliehe wieder.

Der Krist rückt ohne Kampf in Dastagerd ein, schreibt einen Brief an den Senat nach Byzanz, der geflissentlich von fleißigen und patriotischen Dienern eines Nationen feindlichen Glaubens (O Lamm – Gottes – unschuldig) von der Kanzel der Hagia Sophia verlesen wird, in dem das Erstaunen, die Unwahrscheinlichkeit, die große Hure Beständigkeit angekündigt wird in dem reifen Satz: »Wer hätte das gedacht!«

Vor Ktesiphon mußte Herakleios umkehren. Entlang den Ufern eines Kanals schob sich die Elefantenreiterei Khosros vor. Graues gespensterhaftes Stampfen. Die Schatten seiner glückhaften Existenz.

Der König selbst schrieb eine Rechtfertigung seines Lebens. Er tat darin kund, daß er eine Art Mensch, die unter gewissen Konstellationen verworfen werden könne. Erklärte, daß er nach Seleukeia habe fliehen müssen; denn nur fern der Gefahr vermöge der schaffende Geist sich zu betätigen. Von der äußersten Grenze seines Reiches aus habe er das Rettende, das Vernünftige beschlossen. Zermalmen der römischen Heere durch die Sohlen der schreitenden Elefanten. (20000 Hufe. Eine bewegliche Mauer von 100 Fuß Tiefe und 3000 Fuß Breite.) Seine Berechnungen seien der Wille der Generale geworden. Er habe das Schicksal des Landes wieder zum Guten gewendet, nachdem er zuvor der Überraschung, nicht der Kunst eines feindlichen Feldherrn gewichen. Er berief sich darauf, was niemand seiner Zeit zu schätzen verstand, daß er ein guter Administrator, ein noch besserer Kaufmann. Er machte die Hauptbilanz in Zahlen.

Am Ende meines 13. Jahres, nach einjährigem Kriege

mit dem Kaiser Phokas (Sohn einer Hündin, der

siebzigvätrige), ließ ich prägen. Nach Abzug aller

Löhne und sonstigen Ausgaben verblieben im Schatz 400.000

Beutel gemünzten Geldes.

Am Ende meines 30. Jahres ließ ich abermals prägen.

Nach Abzug aller Löhne und sonstigen Ausgaben

verblieben im Schatz 800.000

Beutel gemünzten Geldes, die gleichzusetzen sind

1.600 millionen Mithqal.

Bis zu meinem 38. Jahr ist dies Vermögen unablässig angewachsen. Nur einmal, in meinem 18. Jahr, war der Schatz nach Abzug aller Unkosten und Spesen bis auf 420 millionen Mithqal heruntergekommen.

Er fühlte, daß er trotz des Sieges seiner Elefantenherde würde abdanken müssen. Geflohen bis Seleukeia. Es mußte hochgestellte Persönlichkeiten geben, die ihm das nicht verzeihen konnten. Und er entschloß sich, dem Thron zu entsagen. Er entsagte zugunsten seines Sohnes, den er am meisten liebte, der nicht der älteste seiner Söhne war, zugunsten des Sohnes der Shirin, die nur, wie gesagt wurde, seine Geliebte war.

Aber sein Wunsch wurde als eine stärkere Beleidigung hingenommen als seine Flucht. Sein freiwilliger Verzicht wurde nicht erhört. Die früher geborenen Kinder fühlten sich betrogen. Ungeliebt. Schimpf gegen ihre Mütter. Sheroe, ein älterer Sohn (älter als Shirins Knabe), wurde der Zurückgesetzten Wortführer. Er diktierte die Abdankung. Sein Haß zettelte einen Prozeß an gegen den eigenen Vater und den geliebten Nachkommen (von Khosro geliebt, von Sheroe gehaßt) des Glückreichen (Parvez), erließ gegen die beiden, die einander liebten, Vater und Sohn, einen Haftbefehl, er, der Hassende, der neue König, Sheroe, um dessentwillen Khosro nicht abgedankt war. In dem Prozeß, der im Namen des Volkes geführt wurde, brachte der weiland König die genauen Auszüge aus seinen Geschäftspergamenten bei (einst, wegen der Lästigkeit des Geruchs mit Safran bestäubt, mit Rosenwasser übergossen) und ließ eine große Verteidigungsrede darin zuende gehen, daß er behauptete, er habe sein Land gut verwaltet. (Die Hauptbilanz ist mitgeteilt worden.)

Er wurde (im Namen des Volkes) im Hause der Finsternis zu Ktesiphon eingekerkert, gezwungen, den Hauch aus dem Munde der Labartu (Eselsgeliebten) zu atmen. Das Symbol der ewig marternden Gerechtigkeit, Kreuz, Spinnweb, Zeichen des Universums im Räumlichen, im Zeitlichen, in der vierten Dimension (positiv, negativ, rational, irrational, o Lamm – Gottes – unschuldig –), über dessen Auslieferung in Friedenspräliminarien verhandelt wurde (Herakleios – Sheroe) – das Holz bedrängte ihn mit Gesichten der daran Genagelten, der daran Gestorbenen (100000. 1000000. Aufstand des Spartakus. Alle, die man gefangen nahm, wurden gekreuzigt).

Einige tagelang überlegte Sheroe einen Plan, eine Vergeltung, die Tat eines Hasses, den ungehemmten Lauf einer Gerechtigkeit (im Namen des Volkes). Das Fieber begann schon in dem weiland König Khosro Parvez (dem Unbegreiflichen, Glückreichen) mächtig zu werden. Dann sagte er (Sheroe, der neue König, der Nachfolger Khosros) schuldig, was bekanntlich leichter sich sagt als unschuldig, denn es ist kurz, gegenüber dem dreisilbigen Wort. Und es erschienen Henker, Leute, die ihr Handwerk verstanden, mit einer gewissen Weisung. Sie schafften in die Nähe, vor die Augen des weiland Königs, jetzt in Ketten gefesselt, eine Schlachtbank, und auf diese legten sie, lebend, entkleidet, gefesselt, wie sich versteht, den Sohn der Shirin, ebenfalls weiland König, Usurpator, wie gesagt wurde, Verbrecher; und begannen, vor den Augen des Vaters, ihn aufzuschneiden, beim Bauch beginnend, auszudärmen, den Sterbenden zu entherzen, zu entmannen, zu enthirnen, zu entzungen, zu entlungen, zu entnieren, zu blenden. (O Lamm – Gottes – unschuldig). Mit einer viehischen Attitude der Unterwelt platzte das Fieber der Labartu in den Adern Khosros zu eiternden Schwären. Gemartertes Wild! Siebenblättrige Lotosblume. Paradeisgrotte. Blühende Pfeiler. Spiralen des Akanthus.

Das Los Shirins, Hure in fremden Betten, erfuhr der König nicht mehr, denn sein Ohr verweigerte die Annahme von Lauten. Wenige Stunden nach dem Hinschlachten seines Lieblingssohnes wurde er gespeert. Wie sein Vater. Und begann die Verwesung wie sein Sohn, wie Farhad, wie Shabdez sie begonnen hatten. Die auch dereinst beginnen würde Shirin. Sheroe wurde vergiftet oder starb an der Pest.

Feldherr Shahrbaraz, ebenfalls König, vier Wochen Regent, dann ermordet.

Boran, Khosros Tochter, Regentin, starb.

Ardashir III., das Kind, die Flut trieb ihn davon.

Die katholische Kirche feierte das Fest der Exaltatio Sanctae Crucis (o Lamm – Gottes – unschuldig am Stamm des Kreuzes geschlachtet –).

Die Seele des Menschen hat ewiges Leben. Die Seele des Tieres verwest wie des Tieres Leib. Und kann gefressen werden wie des Tieres Leib.

Wie eines Maultiers Nüstern weich sind deine Schenkel.

Des Safrans Übergelb umschattet deine Brüste.

Der Saphirstift der Nacht hat blau dein Weiß geläutert.

Ich ständ versteint, wenn ich geheimen Wunsch nicht wüßte.

Perrudja

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