Читать книгу Perrudja - Hans Henny Jahnn - Страница 20

XVI

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Allmählich wälzte von sich ab Perrudja eine schwere Last. Er bereitete den großen Antrag an die Menschen vor. Den Antrag an das Weib. An die Seligkeit ihrer Gestalt. Ritt er aus, seine Gedanken blieben bei der Magd, der sein Herz sich in unermeßlicher Liebe zuwandte. In geduldig stummer Liebe. Die Wochen vergingen für ihn mit der Beschäftigung, taufrischer denn je, sich die Menschen in allen Zufällen ihres Daseins vorzustellen. Nach schweren inneren Zweifeln und Erschütterungen hatte er sich entschlossen, Lina zu gestehen, daß er sie liebe. Daß ohne ihre dauernde Nähe sein Leben zertrümmern müsse. Nicht länger der verbrecherischen Übereinkunft Vorschub leisten, die sie als Magd und Herr voneinander schied. Er hatte bangend seine Rede mit sich umhergetragen. Ein Abend war gekommen. Man hatte zur Nacht gegessen. Man hatte sich gegenseitig gute Ruhe gewünscht. Das Wort Perrudjas hatte nicht zum Munde gefunden. Er stand wieder allein, zum Auskleiden bereit vor seinem Bett. Er besann sich darauf, daß auch die Nacht für eine Erklärung benutzt werden könnte. Mit Vorteil. Hjalmar würde nicht störend dazwischentreten und Befangenheit schaffen. Er schlich an Linas Tür. Ehe er sie öffnete, wollte er sich sammeln. Sein bewegtes Herz zäumen, daß es seine Sprache nicht stockend machte. Wie er stand, vernahm er, erst undeutlich vor dem Geräusch seines Bluts, leise Wechselreden. Als er den Atem anhielt, wurde ihm zur Gewißheit, daß nicht nur Lina, auch Hjalmar in der Kammer.

Was wurde aus Perrudja in diesem Augenblick! Hätte er toben können, sich sinnlos gebärden! Wäre Gewalttätigkeit aus seinen Händen gesprungen! Doch er stand nur, sehr steif, frierend. Und seinen Leib zerriß es. Eine Stunde lang stand er. Er zitterte sehr. Aus den Reden in der Kammer wurde Schweigen. Aus dem Schweigen kündete sich der Schlaf. Der Schlaf zweier Menschen, denen es wohltat, beieinander zu sein.

Ratlose Eifersucht begann den Waldbesitzer zu zerfetzen. Seine Leiden waren unvergleichlich. Er verfluchte sich. Richtete sich wieder auf, schwor, der Herr werde den Knecht zu besiegen wissen. – Mit Lina sprach er kein Wort über seinen Zustand. Übte gegen Hjalmar alte Höflichkeit. Des Nachts schlich er vor die Tür der Magd, um zu erkunden. Er war einfältig genug, sich einzureden: Worte sind Worte, Schlaf ist Schlaf. Er wollte an keine Blutsgemeinschaft der beiden glauben. Jedes Geräusch, das er hätte deuten können, verwarf er. Er lauschte, um zu überführen und belog sich, um nicht zu verzweifeln.

Zeit lief ab. Hjalmar trat zu ihm ins Zimmer. Er trug ein paar dunkle Falten an der Stirn. Er wollte eine Unterredung mit dem Herrn. Perrudja fühlte sich fähig des anderen Pulsschlag zu erraten, den Zug seines Atems. Er spürte am Glucksen des eigenen Herzens die nahe Entscheidung. Den Knecht, den Nebenbuhler vernichten. Neben ihm bestehen als siegreicher Mann. Jener begann mit seiner Rede. Es war ein wenig gepreßt, was hervorkam zwischen den straffen Lippen.

Wulstige Lippen. Breite Lippen.

Aber es war sicher und fest. Lina sei schwanger. Die Absicht zu heiraten. Sie seien nicht ehrlos. Der Herr möge dagegen nichts einwenden. Hjalmars lange, unwandelbare Liebe. Lina, nicht mehr widerstrebend, habe ihn erhört. Das zu erwartende Kind werde bei der Erfüllung der Dienstpflichten kein Hindernis sein. – Perrudja schwieg. Er mußte seine Niederlage erst verwinden, ehe er antworten konnte. Ihm wurden die Augen feucht. Er enteilte in den Schlafraum, um sich das Antlitz zu waschen. Als er wieder hereingetreten, formte er einen langen Zuspruch: er verarge den Menschen nichts. Er verarge ihnen nächtliche Gemeinsamkeit nicht. Menschen ziehe es zu Menschen. Sie gehörten zusammen. Vieh passe zu Vieh. Bastarde seien vom Unglück verfolgt, seien sie auch nur Bastarde der Seele. Es werde ihm das zu erwartende Kind nicht lästig fallen. Er wünsche nicht, daß durch den gemeldeten Anlaß sich irgend etwas im Haushalt ändere. Hjalmar habe einst ihm das Leben gerettet. Wer wolle undankbar sein mögen? Lina habe ihn beglückt. Er könne nicht aussprechen womit. Es solle nichts unangerechnet bleiben.

Mit untätigem Warten verbrachte Perrudja die Zeit bis zur Geburt des Kindes. War er zupferd, vom Hause fort, brach die Wildheit seiner Verzweiflung, seine Leidenschaft, sich dem Leben zu überantworten, aus. Die Kraft seiner unbekannten Abstammung schwoll an. Ein zorniger Gott, festgewachsen auf dem Rücken eines Tieres. Die Scholle erzitterte unter den Hufen. Die Augenblicke des Kentauren wurden dünn in dem Meer der leeren und toten Sekunden.

Das Kind und das Füllen wurden am gleichen Tage geboren. Perrudja wachte eine Nacht lang bei der Stute. Hjalmar beim Weibe. Beide taten behutsam ihre Pflicht. Überflüssig waren sie auch. Ob sie etwas dachten? Der Herr konnte schweigen. Der Knecht schwieg. Nach Tagen erst sah Perrudja zum ersten Mal ein Knäblein an den Brüsten der Mutter. Er war freundlich, tat unbefangen. Weidete sich heimlich an dem Anblick. Blutete heimlich. Wälzte Pläne der Vergeltung. Nicht gegen das Weib. Gegen den Mann. Gegen das Kind, das rechtmäßig am Herzen der Wöchnerin lag.

Als Lina das Wochenbett verlassen, kündigte er Hjalmar den Dienst. Billiger Triumph. Läppische Rachetat. Nebel in seinen Gedanken. Eine Stunde später erklärte Lina, gleichzeitig mit dem geliebten Mann das Haus verlassen zu wollen. Perrudja hätte weinen mögen. Er weinte nicht. Seine Empfindungen verdorrten. Das Hirn eine große Blase Müdigkeit. Er überwand sich zu bitten, die zwei möchten bei ihm bleiben. Er begegnete nicht einem einfachen Ja der Zusage. Sie klagten ihn an. Tränen und Erbitterung wider ihn. Er habe sein Versprechen gebrochen, hinterhältig gehandelt. Einen Plan zugespitzt, die innige Freude des Familienglückes zu zerschlagen. Verstockter Mann, der noch niemand geliebt. Böse Kälte des Vernunftgroßmauls. Des mit Nachsicht Geizigen. Pfefferdose, die schöne Gerichte verwürzt. Das erfanden sie gegen ihn. Sie fühlten sich sehr gering und ihn sehr mächtig. Aber sie spieen auf ihn. Sollte er sich rechtfertigen? In diesem Augenblick erklären, was ihn bewegt? Eine Freundschaft begründen, in der er der Ärmste bleiben mußte? Er verkroch sich feige. Seine Mundwinkel schälten sich aus seinem Gesicht heraus. Eine Maske. Er wollte wenigstens einen Tropfen Galle den Liebenden in den süßen Saft träufeln. Sie sollten etwas Bitteres schlucken. Eine Erbärmlichkeit. Das Wimmern und Schreien des Kindes störe ihn. Den Anblick entblößter, milchgefüllter Brüste ertrage er nicht. Man müsse sich voreinander zurückziehen.

Sie einten sich mit blinden Worten. Fremd standen sie gegeneinander, nur äußerlich ausgesöhnt. Der Herr verlor Vertrauen und Zuneigung von Knecht und Magd. Das Elend heulte dem Einsamen aus den duftlosen Höhlen seiner Stuben entgegen. Der Knecht schlief bei seinem Weibe. Die Stute betreute ihr Füllen. Perrudja wälzte sich schlaflos in seinem Bette. In seinen Aughöhlen standen wie Äpfel, weiß, zwei Brüste. Die Brücken, die er gebaut, barsten, zu schwach, donnernd in die Abgründe und gischteten auf in einem weißen Strom, der in ein unbekanntes Meer mündete.

Wie er, gekrümmt, mit langen Klagelauten sich Linderung erweinte, glitt ein leiser Schatten durch seine Adern. Auf seinen Wangen fühlte er Peitschenhiebe und Rißwunden von Stacheln des Dornstrauchs. An dem flatternden Gesicht im Mark seiner Knochen richtete sich seine Seele auf und überwand den Jammer.

Perrudja

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