Читать книгу Perrudja - Hans Henny Jahnn - Страница 8
IV
ОглавлениеEines Tages pochte ein junger Mann gegen die Tür in Perrudjas Holzhaus. Der öffnete. Ein Bote Gaustads stand draußen vor.
Der Gutsbesitzer lasse bitten, ob nicht Perrudja den Hengst des Herrn auf den Saeter reiten möchte. Das Tier sei sehr unbändig geworden. Es habe den Knecht abgeworfen. Ein Unfall sei daraus entstanden. Der Mensch habe ein Bein gebrochen. Es sei nunmehr keiner auf dem Hof geschickt zum Reiten. Herr Gaustad habe seit Jahren nicht mehr auf einem Pferde gesessen. Da habe er gemeint, ob nicht der Waldbesitzer, der so große Liebe zu Pferden gezeigt, ob nicht vielleicht er Herrn Gaustad den Dienst erweisen wolle. Er möge sich entscheiden. Um sieben Uhr des nächsten Tages müsse aufgebrochen werden.
Perrudja erklärte, daß er bereit sei. Doch sei seine Kunst zu reiten nicht so vollkommen wie, allem Anscheine nach, vermutet werde. Bis zu seinem siebenzehnten Lebensjahre habe er mit Pferden gelebt, tagein, tagaus. Dann aber sei für ihn eine große Veränderung gekommen. Die Tanten, auf deren Gut er gewohnt, gestorben seien sie beide, kurz nacheinander. Es habe das Geschehen ihn nicht stark erschüttert, denn die Vernunft lehre den Menschen das Wissen, daß alte Frauen sterben müßten an einem ihnen bestimmten Tage. Das Empfinden nur habe ihn überschlichen, als ob jemand ihm im Rücken hätte auftauchen müssen, der zu ihm gesprochen, ihm etwas erklärt hätte. Ein taubes Gefühl sei ihm in den Mund gekommen, ein wenig Pochen des Herzens. Eine Frage sei in ihm aufgestanden, denn es wäre ja niemand rücklings ihm entgegengetreten. Zu den Mägden sei er geschlichen; einer habe er den Kopf gebeugt, daß ihr Ohr nahe dem seinen gekommen. Nach Vater und Mutter habe er gefragt. Lachen sei die Antwort gewesen. Laut erzählt habe sie dann, was er heimlich gefragt. Ein Knecht sei vorgetreten. Der habe auf seinen Hosenlatz gezeigt, den er mit Fäusten vorgestülpt. Man habe ihm unanständig, was er schon wußte, beschrieben. Mit der eigentlichen Antwort seien sie in seiner Schuld geblieben. Nichts davon habe er erfahren, ob seine Eltern tot, ob lebend; er selbst verstoßen. Als er geweint, sei ihm Streicheln geworden durch eine ungelenke Hand. Eine Magd habe ihn, obgleich er größer an Gestalt als sie, auf den Schoß genommen, eine andere sei vor ihm hingekniet, habe dabei seine Kniee an ihre Brust gedrückt und leise gesungen mit langen Tönen, daß er ein Trollkind, ein halbes zum wenigsten, weil man von seinen Eltern nichts wisse, nicht beschreiben könne, wo er geboren, woher sein Name gekommen. Die Tanten, die das Geheimnis bewahrt, verstummt war ihr Mund ohne Widerruf. – Vor Rührung habe er, der große Junge, sehr lange geweint. Die Tränen seien versiegt. Die Stunden seien vorüber gegangen nach dem Maß, das ihnen fern von den Stätten der Menschen gestellt.
Der Tod der Tanten habe dem Anscheine nach nicht vermocht, die Lebensweise auf dem Gutshofe zu verändern. Doch sei eines Tages ein schwarzgekleideter Mensch angekommen, der nach Perrudja gefragt. Er habe ihn vor sich führen lassen. Als sie sich gegenüber gestanden in dem niedrigen Salon der Tanten, dessen Sitzmöbel mit feiner Seide bezogen, seien alle Türen hinter ihnen verschlossen worden, so daß eine unbegreifliche Stille entstanden, in der er vermeint, daß man sein Herz hätte schlagen hören können. Flüsternd habe der Fremde mit feierlichen Worten gegen den Takt des Blutes zu streiten begonnen und von einer großen Veränderung, die ihn, Perrudja, betreffen werde, gesprochen. Einer schwarzen Ledertasche habe jener sodann ungezählte Schriftstücke entnommen und diese mit Gründlichkeit zu erklären versucht. Doch da dem Schüler der Hals fast zugewesen sei vor Schleim und Blut, die nicht abfließen wollten gewohnte Wege, er also von dem, was gesprochen, nichts zu verstehen vermocht, habe der Schwarzgekleidete zu einer Zusammenfassung angehoben: Nicht sorgen möge Perrudja sich. Ihm sei die Gnade großen Reichtums geworden. Den Hof zwar werde er verlassen müssen. Es sei eine Erbfolge eingetroffen, die das bedinge. Hingegen öffne sich ihm jetzt die ganze Welt. Der ihm bestellte Vormund stehe ihm gegenüber, der verpflichtet sei, nach der Vorschrift letztwilliger Verfügungen zu handeln. So wolle er denn in nichts sich einmischen gegen den Willen des jungen Menschen und möchte betrachtet sein als ein untergeordneter Verwaltungsbeamter. Sein Rat stehe dem Frager offen; aber er wisse auch, ungefragt, sich gut zu bescheiden mit Stummsein. Seine Pflicht sei es, in diesem Augenblick Perrudja eine größere Summe Geldes auszuhändigen. Im Abschiednehmen habe der Zugereiste ihm eine Mappe aufgedrängt und dazu gesprochen, daß für alle Fälle darin auch Name und Anschrift des Vormundes würde zu finden sein, etwa, wenn das Geld eines Tages abhanden gekommen oder verausgabt sein sollte. Davon könne er mehr erhalten. Das überreichte Vermächtnis sei nur eine Probe. Es werde der Tag kommen, an dem man erneut sich begegnen würde. – So sei die große Veränderung eingeleitet worden. Der Erzähler fühlte plötzlich, er hatte etwas gesprochen, was nicht in den Zusammenhang gehörte. Bilder waren in ihm aufgestiegen, und sein nur zu oft schweigsamer Mund hatte sich geöffnet einem Unbekannten, der gegen seine Tür gepocht. So glitt er in den Zustand, als ob er eine unrechtmäßige Handlung begangen hätte und begann mißtrauisch auf den zu blicken, der ihm zugehört hatte. Jener war ein einfältig frischer Bursche, nicht übermäßig klug, wie man glaubte aus seinen Zügen ablesen zu können, mit einem breiten Gesicht, das offenbar nur mühsam lächeln konnte; dunkle Haare fielen über eine gerade Stirn. Die Augen waren tief, aber nicht scharf. Es mußte traumhafte Vorgänge geben, die herabfallen konnten über das Erschaute. Ein Kuhhüter, der kein Haus hat, nicht Weib, nicht Kind und ohne Nötigung entdeckt, daß seine Vorfahren wie die Tiere waren, ähnlich denen, die er betreute, sinnliche Wesen, die ihre Sehnsüchte noch nicht zermaserten an einem geistigen Prinzip – und nun zurückglitt, nachdem er solches begriffen, in eine starke und einfältige Existenz. Der Mund war seltsam wohlgeformt, doch breit, rot, mit weißen Zähnen unter den Lippen.
Allmählich zog sich Perrudja von ihm zurück, das unterbewußte Vertrauen ersetzte er durch kühles Schweigen. Als ob er nie sich jenem anvertraut. Die angestoßenen Gedanken jagten in ihm, verkniffen ihm aber die Lippen. Er schwor bei sich, niemals wieder zu sprechen von dem, was soeben seinem Herzen entfallen. Er selbst wollte es vergessen, kein Erinnern nehmen; das ungestilltes Ahnen beschwören mußte.
Er zog den Burschen in die Diele, bot ihm zu essen und zu trinken, sagte, als jener sich gesetzt, mehrmals, er werde kommen und reiten, er werde es versuchen. Und ob man Grisung benachrichtigt habe?
Nachdem der Bursche Gaustads gegangen, bemächtigte sich Perrudjas ein unermeßliches Glücksgefühl der Vorfreude, ein Fieber der Erwartung, das alle Realitäten überschwemmte. Eine Flutwelle von Erfüllungen schien sich gegen ihn zu wälzen und wuchs mit der zunehmenden Maßlosigkeit seiner inneren Gesichte. Alle Geschehnisse des kommenden Tages prägten sich ihm ein, bis in winzige Einzelheiten gemalt. Selbst das Fallen mißwachsener Blätter von Bäumen wurde einbegriffen, der Klang, den es gab, wenn die Hufe des Pferdes gegen Steine stießen. Seine Schenkel umklammerten ein edles Pferd, würdig, den dunkelhäutigen jungen Fürsten von Inmulan zu tragen. Der Mensch in den nördlichen Bergen sog die sonnenwarmen Bewegungen dieses Mannes in sich ein, wurde ein anderer, wurde ein Nacheiferer des zufälligen Vorbildes. Nicht hochmütig, doch auch nichts von Demut an ihm. Wie konnte seine Jugend demütig sein, auf die hereinbrach ein tosender Fall voll beglückender Wirklichkeiten?
Die feierliche Wallfahrt zupferde war nur der Auftakt eines großen Schauspiels. An einer Herde Stuten ritt er vorüber. Wild um ihn erschollen die Laut gewordenen Anträge der Liebenden. Seinem Hengst jubelten sie zu im Stampfen der Hufe, im Aufbäumen, in verhaltenen Bewegungen. Bis eine schwarze Stute sichtbar wurde, das Tier, auf das er gewettet. Da trompte röchelnd der Hengst unter ihm. Weißlicher Rotz zerstäubte aus seinen Nüstern. Das Zeichen der Liebe zerschnitt die Luft. Perrudja siegte, siegte in einer Wette, siegte sein Leben, siegte den jungen beginnenden Kampf, und die Welt erbrach sich ihm. Die Herde der Muttertiere versunken. Grüner Strom zwischen seinen Wimpern. Die Wasser vorüber. Die Jahre flossen. Das Meer machte eine Bewegung um ihn.
Die Erde lagerte sich zu seinen Füßen. Von einer Erhöhung aus warf er seinen Willen unter die Menschen. Und mordete ihre Krankheiten mit unfehlbaren Medizinen. Und brachte ihre Tollheiten in ein mildes Gesetz der Vernunft. Zertrümmerte ihre Wünsche, die zu ihnen nicht passen wollten. Er erbarmte sich. Zerlöste den Schmerz, der Gott anklagte.
»Wenn ich fünfzig Jahre alt geworden bin«, sagte der fette Wirt, »werden die Kinder mit meinen Knochen Äpfel von den Bäumen werfen.«
Kurz nach Mitternacht war Perrudja talwärts gegangen. Die leuchtenden Sterne umfriedeten noch die Wunschbilder seines ungestümen Blutes. Ein wenig vor sieben Uhr am Morgen stand er im Stall des Hengstes.
Das Tier mußte durch den Burschen ungeschickt behandelt worden sein. Es war furchtsam, mißtrauisch, empfindlich, ungerecht. Perrudja streichelte das blanke Fell, sprach, ließ sich beriechen, vertraute ganz. Der Hengst schien offen zu werden, ging um ihn, reichte den Kopf, barg die Nüstern unter des Menschen Achseln, führte die leicht zuckenden Lippen gegen den Mund des Mannes, senkte, gedemütigt an der Ruhe, den Hals. Da spie sich Perrudja in die Hände, ließ das begieriger werdende Tier lecken. Dann rieb er ihm den Bauch, legte die Hände zwischen die Schenkel, streifte das Kopfgeschirr über, ohne daß das Pferd sich entsetzte. Als er befriedigt dastand, wurde er plötzlich von dem mächtigen Tierleib gegen die Wand gedrückt. Perrudja entrann nicht mehr, er schrie auf, als er die Enge eines Druckes an seinem Herzen fühlte. Da bewegte sich der schwere Körper unregiert, ziellos. Hufe traten hierhin, dorthin. Perrudjas Fuß wurde in den Dung gestampft. Dann hielt der Mensch das Tier am Kopf, stand schmerzgekrümmt auf einem Bein, biß sich lautlos die Lippen, Tränen gingen ihm in die Augen. Hastig warf er, noch hinkend, den Sattel über, stemmte den Kopf gegen die Flanke des Pferdes, zog die Gurte mit Unbeherrschtheit so fest, daß der Hengst ächzte und bange den Atem ausließ. Wenige Sekunden später aufsitzen vor der Tür des Stalls. Nun wurde der Fuß untersucht. Es war nichts zerbrochen. Eine breite Hautfläche nur war blutunterlaufen. Gaustad kam aus dem Wohnhaus heraus auf den Hof und begann eine Summe von Ermahnungen zu erteilen, beschrieb endlich den Treffpunkt, bat nochmals um Vorsicht, bedauerte auch die Unbeherrschtheit des Pferdes, wiederholte, daß er selbst nicht gut genug reiten könne, schalt die Knechte und verschwand wieder im Wohnhaus.
Die ersten tausend Meter des Rittes qualvoll. Das Tier, ungebärdig, wollte in keiner Gangart beharren. Auffliegende Vögel. Erschrecken bis zur Besessenheit. Flatternde Fahne an einem Mast erzeugte Angst, die den Schweiß hervorbrechen ließ.
Gefühl der Unsicherheit. Der Jüngling vermochte den Herrn nur schlecht zu spielen, unterlag dem Willen des Tieres. Erlahmende Kraft des einen, erwachender Freiheitstrieb beim Berittenen. Hoch auf bäumte er sich.
Du mußt dich zusammennehmen, Perrudja. Laß dich nicht erkennen, dein Herz schlägt hörbar. Es drängt dir Kot zum Darmauslaß.
Mißlungener Versuch. Unzufriedenheit häufte sich in dem Tier. Es richtete sich senkrecht auf. Übersenkrecht. Nach hinten werfend. Es überschlug sich. Straucheln. Umbrechen. Perrudja sprang aus den Bügeln, kam auf die Beine. Doch das Zaumzeug entglitt seinen Händen. Auf Augenblicke lag der Hengst verstört am Boden. Der Reiter griff nach den Zügeln. Bebend. Er beherrschte, unverletzt, überrot und geschwollen im Gesicht.
Zornig auf den Kopf des Tieres schlagen. Weiche Nüstern. Trübe zottige Augen. Mit Zähnen anfallen. Raubtier. Weiche Nüstern. Haben meinen Speichel geleckt. Süßer Speichel.
Aufrichten, zerren, zurückweichen, unterliegen. Zwischen die Augen die Peitsche. Wirbel an der Stirn. Im Sattel wieder.
Ich bin tollkühn, besessen, peitsche das Pferd. Ich beiße in das weiche Fell. Galopp. Ich treibe, treibe. Heftiger. Es soll sich überschlagen. Bis zur Erschöpfung. Soll sich nicht nur in den Hoden erschöpfen. Soll im Schweiß –. Ich will in Schaum baden. Meine Schenkel sind auch naß. Meine Hoden wie weiche Pflaumen. Ich bin erbarmungslos. Ich träumte. Ist zerronnen. Im Wald bergauf ging es langsam Schritt für Schritt. Absitzen. Rast. Eine Versöhnung. Brot und Speichel gab Perrudja, ließ trinken, grasen, aß selbst.
Liebt den Schleim meines Mundes.
Aber er war matt durch lästigen Schweiß, sein Fuß schmerzte. Liebt er auch den Geruch meines Schweißes?
Aufknöpfen die Jacke, Brust entblößen. Pferdekopf in die feuchte Achselhöhle nehmen. Kein Widerwille.
Ich muß Wasser lassen. Er wird riechen, was ich tue. Die Welt enthüllt sich in ihren Düften.
Heranführen der Nüstern.
Bleibt träumend stehen. Ich bin ihm nicht widerwärtig. Küsse den Hals! Ihr habt einander mißverstanden. Er läßt Wasser. Gib dein Wasser dazu.
Der Fuß schmerzte.
Nachschauen.
Er untersuchte die Schürfung, fand nichts daran, aber es schmerzte.
Weiter ging es bergauf. Steine, Geröll unter den Hufen des Tieres. Unscheue Vögel in den verworrenen Kiefern.
Geben unkluge Töne von sich. Ob sie über uns denken? Ob sie riechen: Pferd, Mensch? Zweierlei Harn. Die Pflanzen, wenn sie Sinne haben, sind betrogen worden. Gemischtes Wasser. Denken: Kentauren. Wenn ein Mensch eine Stute nimmt, gebiert sie? Kentauren.
Weiter ging es bergauf. Der Himmel schien nahe zu kommen. Die Bäume bewegten sich nicht mehr nach oben, schienen dem Boden anzukleben. Der sich zu großen Granitbarren entblößte, moosverhangen. Die Spalten verwunschen. Zwergbirken, Blaubeeren, Heidekraut. Die Sonne lag gleißend wie eine Eidechse im roten Grün der harten Gewächse.
Plötzlich Hufschlag von irgendwoher. Stuten durchzogen das Gebirge. Der Hengst wurde unruhig. Die Gangart wieder ohne Beherrschung. Perrudja nagte an seiner Lippe, nahm sich krampfhaft zusammen.
Ich bin dem Koloß aus Fleisch und Samen nicht gewachsen. Kann ein Mensch so unruhig nach Frauen sein?
Er blickte sich um, erschaute nichts. Sah vor sich und zur Seite. Erschaute nichts. Sein Pferd ging quer tänzelnd, nicht gradaus.
Riecht. Wir können nicht Frauen erriechen.
Die Luft wurde dünn, der Himmel grün.
Der Reiter überschaute eine weite, leichtgewellte Ebene voll Busch. Er wurde überfallen von der Einsamkeit, die ihn umgab. Sein Hirn wurde leer.
Eine Glocke über mir. Bronzene Kirchenglocke. Siebentausend Kilogramm. Ich kann sie nicht heben. Ein Kubikmeter Metall. Ersticken oder verhungern. Wenn man verhungert, Kot von sich geben, Widerspruch. Wenn man verdurstet, Harn, Widerspruch. Gelb ist das Wort, wenn man uns fragt: Farbe. Warum? Ich sage gelb. Vielleicht sagen andere: rot. Oder grün. Oder blau.
Er hätte rufen mögen in Angst nach jemandem. Das Tier unter ihm fremd. Alles andere Atemtrinkende ihm fremder.
Du bist ungeliebt. Niemand begehrt dich. Sie wissen nicht, daß dein erstes Wort gelb ist. Und ist es nicht gleichgültig?
Wo denn nur hatte sich der andere Hufschlag verloren? Wer war der ungeschickte Reiter, daß er nicht den rechten Weg fand? Man mußte doch hier auf der Ebene sich von fern erschauen, eine gegenseitige Beruhigung aneinander nehmen können!
Einsam ritt über die Ebenen des Hochlandes Perrudja, nicht Sieg im Herzen, Angst vor dem Ungewissen. Es begann sich auszudehnen wie die Welt, die bis an den Horizont reichte, weiter, bis an die Unendlichkeit. Die nie sterbenden Trolle schlichen hinter ihm, unsichtbar und verwundeten sein Herz mit dem unhörbaren Lachen ihres Felsgesichtes.
»Grundlose Furcht ist schlimmer als ein Unglück.
Das Ungewisse härter als die Pein.
Die Ahnung, die die Götter geben,
der schlimmste Fluch der unsre Seele trifft.«
Die Menschen in den Tälern versunken, in den Fjorden, im Nebel, weit unten. Ein Mensch zwischen Himmel und Stein. Groß über der Erde. Klein unter der Sonne. Die Luft bewegte sich nicht. Aber sie vermochte es zu anderen Stunden. Was noch dieser Welt konnte ihm da bekannt sein?
Hinab gings in eine kleine Talmulde. Pferde wurden sichtbar. Perrudja schrie. Er winkte. Er gebärdete sich wie ein Gefangener, dem Rettung nahe. Er jagte im Galopp der Gruppe zu, nichtachtend des beginnenden Taumels seines Tieres.
Angelangt. Absitzen. Wollte sprechen. Aber man bedeutete ihm, erst abzusatteln, den Hengst freizugeben. Er tat es mechanisch, in sich eingesperrt, wie geprellt. Roch das Arom des frischen Leders. Flüchtig schaute er auf, ob Grisung mit seiner Stute anwesend wäre. Erspähte ihn. Doch fühlte er kaum eine bange Hoffnung, nur Niederlage.
Der freie Hengst wandte sich ab, zog davon, den Talhang hinauf, zur Ebene. Halb zurückgewandt den Hals. Die Füße traten leicht vorwärts. Gegen den Himmel, fern schon bewegte sich das schöne, halbmatte, doch unruhige Tier. Blieb stehen, gab einen leisen Ton von sich. Und abermals. Und abermals. Alsbald verschwand es im Busch der Zwergbirken. Nun zerlöste sich die Gruppe der Stuten. Alle Schritte der Tiere führten voneinander.
Erde zerbröckelt.
Perrudja sah, wie die Stute Grisungs die Füße höher setzte, die Führung an sich nahm, die Richtung der Bewegung zu bestimmen begann. Durch die Heide trabten, zögernd noch, aber schon verfallen die weiblichen Tiere dem Hengst nach.