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11. Kapitel

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Als Marcello Sparacio die Tür zu seinem Büro in der Via Urbana öffnete, geriet er mitten in eine Diskussion zwischen Sciutto und den anderen drei Kollegen der Carabinieri, die offensichtlich auf dem Weg zu ihrer Streifentätigkeit an Sciuttos Büro nicht vorbeigekommen waren.

Sparacio versuchte, die Situation und vor allem den Grund für die Diskussion zu erfassen und sah hinüber zu Carla, die irgendwelche Papiere in einen Schrank einräumte und mit einem Seitenblick auf ihn nur unwissend mit den Schultern zuckte.

„Was ist denn hier los?“

Niemand hatte Sparacio kommen hören. Umso mehr erschrak die Gruppe und wie auf Kommando nahmen sie Haltung an, wobei Sciutto von seinem Stuhl aufsprang und ihn dabei polternd nach hinten umwarf.

„Commissario“, stotterte er. „Wir haben … wir … wir …“

„Auf meiner Dienststelle dulde ich keinerlei Streitigkeiten, meine Herren. Und jetzt steht mal wieder normal. Wir sind doch nicht beim Militär. Worum geht es denn?“

„Nein, Commissario, nein“, beeilte sich Sciutto mit einer Erklärung. „Kein Streit, wo denken Sie hin? Es geht vielmehr darum … der vermisste Junge, Sie wissen schon. Bernardo“, -er zeigte auf den Kollegen vor ihm-, Bernardo Romano … kennt die Familie und was er uns da erzählt hat …“

Sciutto zeigte auf den Kollegen, der Sparacio am nächsten stand.

„Sie kennen die Eltern von … wie heißt der Junge noch mal?“

„Cassio, Commissario. Cassio Verdi“, antwortete der Carabiniere und drückte erneut seinen Rücken in die Gerade.

„Und? Wissen Sie etwas über sein Verschwinden? Oder gar über seinen Verbleib?“ Sparacio unterließ eine Forderung, der Mann möge sich bequem hinstellen. Sollte er selbst merken, wann es dazu Zeit sein wird. Er hatte nicht nach diesen militärischen Ehren verlangt. Der Grund der Diskussion interessierte ihn mehr. Seine Gedanken eilten zu den Vermissten, zu dem Toten. Was hatte ein Kind in diesem Schema verloren? Offensichtlich nichts. Dennoch hatte er sich bereits gestern Abend vorgenommen, sich der Angelegenheit anzunehmen. Zumindest wollte er die sachbearbeitenden Kollegen des Vermissten-Dezernates befragen.

„Nichts, was das Verschwinden angeht, Commissario“, antwortete der Carabiniere steif. „Die Eltern sind mir bekannt wegen, na, ja wegen Familienstreitigkeiten eben. Der Ehemann ist gegen seine Frau gewalttätig geworden. Wir mussten eingreifen.“

„Familienstreitigkeiten also.“ In Sparacio baute sich ein Verdacht auf. „Kamen diese Streitigkeiten des Öfteren vor? Mussten Sie oder andere Kollegen regelmäßig dort einschreiten?“

„Wir waren schon einige Male da. Mir hat der Junge dabei immer leidgetan. Er war das einzige Kind und meist bei den Auseinandersetzungen dabei.“

„Wollen Sie damit andeuten, dass dieser Cassio vielleicht aus diesem Grund von zu Hause abgehauen ist?“, fragte Sparacio, dem diese Möglichkeit immer wahrscheinlicher erschien. Aber warum war er bisher noch nicht wieder aufgetaucht? Andererseits: er war vierzehn, alt genug, um vielleicht irgendwo bei Bekannten oder Freunden unterzukommen. Die Vermisstenanzeige wurde vor einer Woche erstattet, einen Tag nach seinem Verschwinden. Warum also mache ich mir Gedanken um den Jungen, zumal er nichts mit der eigentlichen Angelegenheit zu tun hat?, fragte sich Sparacio. Doch immer wieder ertappte er sich dabei, dass seine Gedanken zu dem Jungen zurückkehrten. Dann fällte er eine Entscheidung.

„Sergente Romano, Sie begleiten mich zu den Eltern von Cassio“, sagte er kurzentschlossen. „Sciutto, Sie kommen ebenfalls mit!“

„Für eine Tasse Kaffee wird aber wohl noch Zeit sein“, meldete sich Carla aus dem Hintergrund. „Und außerdem, Commissario … der Vice-Questore hat schon wieder angerufen. Ich habe ihm gesagt, dass Sie ihn zurückrufen, heute Vormittag noch.“

Sparacio winkte wortlos ab und griff nach seinem Jackett. Dann sah er auf seine Armbanduhr und schien zu überlegen. „Sie haben recht, Carla“, sagte er schließlich. „Ihren Kaffee sollten wir nicht verschmähen.“

Als Sparacio, Sciutto und Romano anschließend die Dienststelle verließen, hörten sie in resignierendem Tonfall die Worte Carlas, die sich mit zunehmender Entfernung verliefen: „Was ist mit dem Vice-Questore? Was soll ich ihm sagen, Commissario?“

Im Weggehen hob Sparacio den rechten Arm, ohne sich umzudrehen und drehte die Hand kurz zum Gruß. Carla wusste, was dies zu bedeuten hatte.

Ergeben drehte sie sich um und trottete langsam zurück ins Büro. „Jetzt bleibt wieder alles an mir hängen.“

Abuso

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