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13. Kapitel

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Sergente Enzo Sciutto hielt den Alfa in der Via di Limoni vor dem Haus mit der Nummer 86a an. Erwartungsvoll sahen Sparacio und Romano zu dem Anwesen, das, obwohl es unmittelbar an der Straße stand, den Eindruck einer Hinterhof-Fassade vermittelte. Unverputzte Seitenwände verliehen dem schon fast verwahrlosten Haus einen nahezu asozialen Ausdruck. Drei Fenster an der Vorderfront, zwei im Obergeschoss, wovon eines mit groben Steinen zugemauert war und eines im Erdgeschoss, neben der schmalen metallenen Haustür. Unter dem Fenster im Obergeschoss hatte der Hausbesitzer eine Klimaanlage befestigt, die wie ein Schwalbennest an die Hauswand geklebt schien.

„Hier muss es sein“, bemerkte Sciutto, wobei seine Augen das Anwesen, dem man nicht ansehen konnte, ob es bewohnt oder unbewohnt war, streiften. „Welcher Junge würde es hier aushalten?“

„Dann lasst uns nachsehen“, forderte Sparacio seine Kollegen auf und öffnete die Beifahrertür. „Und bitte: Ich möchte keine anzüglichen Bemerkungen da drin hören, ist das klar? Wir machen hier nur unsere Arbeit.“

„Ja, ja, ist klar“, bestätigte Sciutto mit einem Hochziehen seiner Augenbrauen und Romano nickte nur. Sparacio drückte gegen das verrostete Eingangstor, das mit einem leisen Quietschen nach innen aufschwang und den Blick auf ein ungepflegtes Gärtchen in der Größe zweier Tischtennisplatten von dem Haus freigab.

Eine Klingel war nicht vorhanden und so klopfte Sparacio kräftig gegen die gerissene Drahtglasfüllung in der Tür. Es dauerte nur eine kurze Zeit, als sich im Inneren etwas bewegte. Offensichtlich wurde eine Zimmertür geöffnet, denn Stimmen und Musik, die offensichtlich einem Fernseher zuzuordnen waren, wurden laut. Dann hörte man dumpfe Schritte, begleitet von Unmutsäußerungen, deren Inhalt jedoch nicht zu verstehen war.

Die Tür öffnete sich und vor den Beamten stand ein kräftiger und dennoch rundlicher Mann um die vierzig, barfuß, in Jeanshose und Unterhemd. Sein öliges Haar hatte er glatt nach hinten gekämmt, die Bartstoppeln in seinem Gesicht waren mindestens drei Tage alt.

Mit dem Öffnen der Haustür war den Ermittlern ein Geruchs-Schwall entgegengeprallt, bestehend aus Schimmel, -denn offensichtlich wurde in dieser Wohnung nie gelüftet-, Knoblauch und Gewürzen verschiedener Art. Die roten Flecken um den Mund des Mannes deuteten auf eine kürzlich eingenommene Mahlzeit hin.

„Ja?“ Die Frage des Mannes war so kurz wie aggressiv. Mit der knappen Frage verbreitete sich nun auch eine Wolke aus Alkohol vor den Polizisten aus. Sparacio tippte auf billigen Chianti.

„Wir sind von der Polizia Criminale, Rom, San Lorenzo. Mein Name ist Sparacio. Commissario Capo Sparacio“, fügte er hinzu, denn er wollte keine Gelegenheit auslassen, seine Autorität vor dem Mann, den er noch nicht einzuschätzen vermochte, auszubreiten. „Kollegen der Carabinieri, Sciutto und Romano“, bemerkte er mit einer deutenden Kopfbewegung. „Wir kommen wegen Ihres Sohnes.“

„Dann haben Sie ihn gefunden?“

Es war eine halbe Frage, eine halbe Feststellung, mehr nicht, kein Hauch von Emotion. Die vom Alkohol getrübten Augen sahen abwartend durch ihren eigenen Schleier auf Sparacio.

„Sind Sie der Vater? Sind Sie Signore Carlo Verdi?“, überging Sparacio die Frage. „Dürfen wir eintreten?“, fragte er, als sein Gegenüber nickte. Ohne eine Antwort abzuwarten, schob sich Sparacio an ihm vorbei und stieg die drei Stufen empor, die zur eigentlichen Wohnung führten. Sciutto und Romano folgten ihm, einen verdutzten unterhemdsärmeligen angetrunkenen Mann hinter sich lassend.

Die Tür zum Wohnraum war nur angelehnt. Sparacio klopfte und unter dem leichten Druck seiner Knöchel öffnete sich die Tür. Das erste, was Sparacio wahrnahm, war ein riesiger Fernseher, Flachbild natürlich. Irgendeine Soap flimmerte über den Bildschirm. Der Raum, bei dem es sich offensichtlich um das Wohnzimmer handelte, war eher klein, vielleicht 15 Quadratmeter, versehen mit einer zum Fernseher quer aufgestellten verschlissenen Couch, zwei andersfarbigen durchgesessenen Sesseln und einem runden Couchtisch, auf dem sich Zeitschriften türmten und ein übervoller Aschenbecher, der von der Tätigkeit des Hausherrn zeugte.

In einem der Sessel saß eine Frau; Sparacio tippte auf die Mutter von Cassio, Maria Verdi. Sie strickte und sah auf, als die Polizisten das Zimmer betraten. Dann schien sie auf einmal zu ahnen, was der Anlass des Besuchs war, denn sie erhob sich aus dem Sessel und legte das Strickzeug nieder.

Sie passt nicht hierher, war der erste Gedanke, der Sparacio in den Sinn kam, als er die Frau sah. Sie muss einmal sehr schön gewesen sein. Doch Sparacio sah auch, dass sie sich den Umständen angepasst hatte. Er schätzte sie auf etwas über 30 Jahre, und das nur, weil er sich den Kummer aus ihrem Gesicht wegdachte. Seine Gedanken glätteten die Sorgenfalten und lockerten ihr fettiges langes schwarzes Haar, das achtlos bis auf ihre Schultern fiel.

„Sie haben Cassio gefunden?“, hörte Sparacio sie fragen, als er sich und seine Kollegen vorgestellt hatte, doch in der Stimme schwang keine Hoffnung mit. Sie war auf das Schlimmste gefasst, hatte es den Anschein. Vielleicht erwartete sie in ihrem Elend keine andere Möglichkeit.

„Nein“, erwiderte Sparacio leise. „Nein, wir haben ihn nicht gefunden. Das ist der Grund, warum wir hier sind. Wir haben bislang keinen Anhaltspunkt, wo sich ihr Sohn aufhalten könnte. Wir“, er deutete auf seine Kollegen, „wir hoffen, dass Sie uns weiterhelfen können.“

„Aber da waren doch schon Polizisten in unserer Wohnung. Die haben alles notiert und haben versprochen, nach ihm zu suchen.“

„Ich weiß“, antwortete Sparacio vorsichtig. „Das ist ja alles richtig. Doch nun ist es schon einige Zeit her, dass Cassio von zu Hause weg ist. Und da er nicht gefunden wurde, nehmen wir an, dass er irgendwo untergetaucht ist. An einem Ort, den wir vielleicht nur mit Ihrer Hilfe finden können.“

„Soll er doch bleiben, wo er ist!“, tönte es von der Eingangstür her und Sparacio drehte sich um. Cassios Vater Carlo stand im Türrahmen und stützte sich mit dem rechten Unterarm im oberen Bereich der Türzarge ab. Sein Halswirbel schien instabil, denn sein Kopf wackelte hin und her, als habe er keine Gewalt über ihn.

„Was heißt das, er soll …?“

Sparacios Frage wurde unterbrochen durch die schrille Stimme der Frau, die sich an ihren Mann richtete. „Wer ist denn schuld daran, dass Cassio fort ist? Du hast ihn aus dem Haus getrieben! Du mit deiner Intoleranz. Hast du ihm einmal zugehört, wenn er Probleme hatte? Nein, das hast du nicht!“ Ihre Stimme wurde leiser. „Nein, das haben wir beide nicht. Ich bin genauso schuld wie du. Ich hätte mit ihm weggehen sollen. Schon lange hätte ich mit ihm von hier verschwinden sollen. Ich …!“

„Hören Sie!“, unterbrach Sparacio die Tirade der Frau. „Sagen Sie mir, welche Probleme er hatte. Was hat er Ihnen gegenüber geäußert? Für uns kann jede Kleinigkeit von Nutzen sein, wenn wir Ihren Jungen wiederfinden wollen.“

„Welche Probleme denn schon?“ Die Frau sah zu ihrem Mann hinüber, der immer noch reglos in der Tür stand und seinen Kopf hin und her bewegte. Den Blick hatte er inzwischen starr zu Boden gerichtet. „Probleme eben, wie ein Junge in seinem Alter sie hat. Im nächsten Monat wird er vierzehn Jahre alt. Was macht der Junge draußen allein? Sie müssen ihn finden, Commissario, bitte. Sie müssen!“, flehte Maria Verdi und Tränen liefen über ihre Wangen.

„Wir werden alles tun, ihn zu finden, das verspreche ich Ihnen“, sagte Sparacio, doch er glaubte nicht an seine eigenen Worte. „Aber Sie müssen uns helfen. Welche Probleme hatte er? Waren es Probleme in der Schule, hatte er Probleme mit Gleichaltrigen?“

„Ja, in der Schule …“, begann Maria zögernd und sofort fiel ihr Carlo Verdi ins Wort.

„Immer sind es die Lehrer schuld, oder die anderen … immer die anderen“, lallte er und der vorhin genossene Alkohol schien erst jetzt seine Wirkung richtig zu tun. „Heimkommen und sich beschweren. Vielleicht soll ich dann dem Lehrer und dem Pfarrer auch noch meine Meinung sagen. Soll ich sagen. Mein Sohn ist der Beste, der kann alles, was fällt Ihnen ein, oder was?“

„Da siehst du es ja selbst“, rief Maria erregt. „Was bist du für ein Vater, wenn du dir nicht einmal die Sorgen deines Sohnes anhören willst. Du weißt ja nicht einmal, was das für Sorgen sind, die er hat!“

Carlo winkte mit der freien linken Hand ab und wäre beinahe aus dem Türrahmen gerutscht, hätte er die Hand nicht sofort wieder an ihren Platz gebracht.

„Hat er sich Ihnen denn nicht anvertraut?“, wandte sich Sparacio an Maria. „Können Sie uns denn nicht irgendwie weiterhelfen? Haben Sie schon mal mit den Lehrern gesprochen?“

Marias Augen verdunkelten sich. „Carlo hat das immer gemacht. Sie sehen ja, was dabei herausgekommen ist.“

„In welche Schule geht Cassio?“

„In die 6. Klasse der Scuola Pubblica. Sein Klassenlehrer ist Giovanni Palozzi. Bitte, finden Sie Cassio. Bitte!“

Maria setzte sich wieder in ihren Sessel, nahm ihr Strickzeug und begann mit den Nadeln zu klappern, als seien die Polizisten nicht da. Carlo machte mit einem Grunzen Platz, als Sparacio im Hinausgehen eine drohende Haltung vor ihm einnahm. Auf der Straße atmete die Gruppe tief ein.

„Es ist jetzt zu spät. Morgen werden wir mit dem Lehrer der Schule von Cassio sprechen. Ich habe das Gefühl, man wird uns dort einiges zu erzählen wissen.“

Abuso

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