Читать книгу Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2) - Hans Kneifel - Страница 100

7.

Оглавление

Goman-Largo

Ich ertappte mich dabei, dass ich eingenickt war.

Rasch blickte ich zu Anima und meiner Prinzessin. Aber beide schienen nichts bemerkt zu haben. Nur das Einhorn begegnete meinem Blick und kniff ein Auge zu.

Ich konzentrierte mich auf ein beliebiges Modul, um mich wach zu halten. Dennoch fielen mir die Augen schon bald darauf wieder zu. Ich musste mir eingestehen, dass die Ereignisse der letzten Zeit und die Eindrücke, die auf mich eingestürmt waren, mich an den Rand der totalen Erschöpfung getrieben hatten.

Es hatte keinen Sinn, wenn ich mir weiterhin selbst Gewalt antat oder womöglich noch zu aufputschenden Drogen griff. Ich brauchte schlicht und einfach ein paar Stunden Schlaf.

Mit einer gemurmelten Entschuldigung erhob ich mich, verließ die Zentrale und ging zu den Vorratsräumen. Anima, Neithadl-Off und ich hatten uns jeweils einen Raum als Schlafkabinen hergerichtet. Echte Unterkünfte schienen bei der Konstruktion des Schiffes vergessen worden zu sein.

Ich streckte mich auf dem Bett meiner Kabine aus – und wachte auf, als mir etwas übers Gesicht krabbelte.

Erschrocken stellte ich fest, dass ich nur geträumt hatte, ich wäre aufgestanden und hätte mich in meine Kabine zurückgezogen. Ich lag statt dessen noch immer in meinem zurückgeklappten Sessel – und meine Vigpanderin stand neben mir und kitzelte mich mit den Tastfäden eines ihrer Vordergliedmaßen im Gesicht.

»Oh, das tut mir aber leid!«, entschuldigte ich mich. »Ich wollte hier nicht schlafen.«

»Und ich wollte dich nicht wecken«, erwiderte Neithadl-Off verschämt flötend.

Da fielen mir die Augen schon wieder zu.

Ich schüttelte heftig den Kopf, und diesmal schwang ich mich wirklich aus dem Sessel. Das hoffte ich jedenfalls.

»Soviel ich an den Kontrollen sehe, werden wir noch vier Stunden im Zwischenraum sein«, erklärte ich. »So lange werde ich schlafen – oder jedenfalls fast so lange. POSIMOL, wecke mich eine Viertelstunde, bevor wir in den Normalraum zurückfallen!«

»Wird gemacht«, versicherte die Bordpositronik.

»Zwei Roboter sollen mich zu meiner Kabine führen und dafür sorgen, dass ich wirklich in meinem Bett lande und nicht unterwegs im Stehen einschlafe!«, ordnete ich weiter an.

»Aber ich hätte dich auch hingebracht!«, pfiff Neithadl-Off entrüstet. »Jedenfalls bis vor deine Tür.«

Ich war nicht in der Lage, darauf einzugehen, denn ich schlief schon wieder halb – diesmal allerdings zwischen den harten und kalten Gestalten zweier Stahlmänner und im unbeugsamen Zugriff ihrer Hände.

Sie führten mich direkt in die Burg Llokyr und vor den Thron des Königs Askyschon-Nurgh.

Sein flammendrotes Gesicht leuchtete zuckend durch das Visier seiner schwarzen Rüstung.

»Wie lange soll ich noch auf dich warten, Goman-Largo?«, grollte er drohend und ballte die in stählernen Handschuhen steckenden riesigen Fäuste.

»Aber ich bin doch da!«, protestierte ich.

»Da ist nicht hier«, widersprach Askyschon-Nurgh. »Du musst hierher kommen, Goman-Largo! Oder hast du den Befehl nicht verstanden?«

In mir begann der Zorn zu kochen.

»Ich habe weder einen Befehl vernommen, noch muss ich einen Befehl befolgen, den ich mir nicht selbst erteile«, erklärte ich und reckte mich stolz. »Den einzigen Auftrag, den ich jemals erhielt, habe ich während meiner Stasis-Gefangenschaft vergessen und kann ihn deshalb nicht ausführen. Aber es gibt ein Ziel, das ich auch ohne ausdrücklichen Auftrag verfolgen werde, bis ich es erreicht habe: jenen vom Orden der Zeitchirurgen nachzuspüren, um ihnen Paroli zu bieten – und herauszufinden, ob es mein Volk und die Zeitschule von Rhuf noch gibt.«

»Das alles gilt nicht mehr, weil ich dich gerufen habe«, entgegnete Askyschon-Nurgh. »Das ist der Befehl, dem du bedingungslos gehorchen musst.«

Ich lachte ihn aus.

»Du kannst mich töten, aber nicht mich zum Gehorsam zwingen!«, schleuderte ich ihm ins Gesicht.

»Du wirst unlogisch, Goman-Largo«, dröhnte es aus den roten Flammen hinter dem schwarzen Visier. »Wenn ich dich töte, kannst du mir nicht gehorchen. Folglich werde ich andere Intelligenzen töten, um dich zu zwingen, mir zu gehorchen – so lange, bis du keine Widerrede mehr wagst!«

»Du bist ein Ungeheuer!«, schrie ich aufgebracht.

Aber Askyschon-Nurgh lachte nur kalt – so kalt, dass ich innerlich fror ...

*

Im nächsten Moment war ich wieder wach und hatte den Eisbeutel von meiner Stirn gefegt.

Erst dann sah ich, dass Anima neben mir stand und dass ich in meinem Bett in meiner Kabine an Bord der STERNENSEGLER lag.

Hatte ich die Begegnung mit Askyschon-Nurgh nur geträumt? Aber die Roboter hatten mich doch in die Burg Llokyr geführt!

»Er hat mir gedroht«, sagte ich zu Anima.

Die Hominidin lächelte und legte mir eine Hand auf die Stirn, dann wehrte sie mit der anderen Hand den Eisbeutel ab, den ein Roboter aufgehoben hatte und ihr brachte.

»Er braucht ihn nicht mehr«, stellte sie fest, dann wandte sie sich wieder an mich. »Niemand hat dir gedroht, Goman-Largo. Du hattest sehr hohes Fieber. Es fing damit an, kaum dass die beiden Roboter dich ins Bett gesteckt hatten. Sie informierten mich und ich kam, um dir zu helfen. Um die Temperatur schneller zu senken, habe ich einen Eisbeutel benutzt.«

Ich stemmte mich auf den Ellenbogen hoch.

»Aber es war König Askyschon-Nurgh!«, begehrte ich auf.

Im selben Augenblick wurde mir klar, dass es gar keinen König dieses Namens gab und auch keine Burg Llokyr. Askyschon-Nurgh war ein Raumsektor – und Llokyr war eine Kristallwelt und das verborgene Zentrum dieses Raumsektors.

»Es tut mir leid«, sagte ich. »Es war ein absolut echt wirkender Albtraum.«

»Albträume wirken immer absolut echt, sonst wären sie keine Albträume«, erläuterte die Hominidin. »Das jähe und hohe Fieber ist mir allerdings ein Rätsel.«

»Mir auch«, gab ich nachdenklich zurück, dann sah ich mich suchend um. »Wo ist denn eigentlich Neithadl-Off?« Ich war tief enttäuscht, dass sie es trotz meines hohen Fiebers nicht für nötig befunden hatte, an mein Krankenlager zu eilen.

»Sie war nicht in der Zentrale, als die Roboter mich informierten«, antwortete Anima. »Als sie bemerkte, dass sie deinen Armreif verlegt hatte, war sie sofort auf die Suche danach gegangen – und Nussel hilft ihr dabei.«

»Es ist nicht mein, sondern ihr Armreif, denn ich habe ihn ihr geschenkt«, stellte ich richtig. Dann fuhr ich erschrocken hoch. »Sie hat ihn verlegt? Aber das kann nicht sein! Seit wir Barquass verließen, hat sie die Zentrale nur einmal verlassen – und das war auf Katloch. Ich kann mir nicht denken, dass sie ihn mit auf den Planeten hinausgenommen hat.«

»Das hat sie auch nicht«, erwiderte Anima. »Ich sah ihn, nachdem wir Katloch längst verlassen hatten. Da trug sie ihn in einem Klarsichtbeutel, den sie mit Mundspray auf der Oberseite ihres Mattenkörpers festgeklebt hatte. Sie war übrigens doch einmal aus der Zentrale gegangen, kaum dass du uns verlassen hattest. Aber nur sehr kurz. Ich glaube, sie wollte Nahrung zu sich nehmen – und dabei hat sie nicht gern Zuschauer.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dabei den Armreif verlegt hat«, sagte ich ahnungsvoll. »Er ist ihr gestohlen worden.«

»Du meinst ...?«

»... die Meisterdiebe«, ergänzte ich. »Sie sind demnach noch immer unter uns. Allerdings frage ich mich, wie sie sich vor uns, der Bordpositronik und den Stahlmännern verbergen können.«

»Vergiss nicht, dass sie einmal sogar fünfzehn Stahlmänner gestohlen haben, als die Hyptons noch an Bord waren!«, rief mir die Hominidin in Erinnerung.

Nein, das vergaß ich bestimmt nicht!

Aber ich beschloss, die Diebe wenigstens vorläufig aus meinen Überlegungen auszuklammern, weil sich dieses Problem doch nicht theoretisch lösen ließ.

Ich schwang mich ganz aus dem Bett, fuhr in meine Stiefel und erhob mich.

»Gehen wir in die Zentrale!«, sagte ich nach einem Blick auf die Zeitanzeige meines Multifunktionsarmbands. »In zwanzig Minuten fallen wir in den Normalraum zurück.«

*

Neithadl-Off und Nussel fanden sich zur gleichen Zeit wie Anima und ich wieder in der Zentrale ein.

»Hast du deinen Armreif wieder?«, erkundigte ich mich.

»Nein«, pfiff die Vigpanderin bedrückt. »Nussel und ich haben überall gesucht, wohin ich ihn hätte verlegen können, ihn aber nicht gefunden.«

»Unterdessen war Goman-Largo schwerkrank«, erwähnte Anima.

»Was?«, pfiff Neithadl-Off und trippelte voller Sorge auf mich zu. »Du Ärmster! Was hast du denn gehabt?«

»Fieber – und einen Albtraum«, antwortete ich. »Aber jetzt geht es mir wieder gut. Reden wir also nicht mehr davon. Wir kehren bald in den Normalraum zurück. Bis dahin will ich mich darum kümmern, was uns dort erwartet. Aber keine Sorge, Prinzessin. Wir werden deinen Armreif wiederfinden – und wenn wir die STERNENSEGLER im All in ihre Einzelteile zerlegen und wieder zusammensetzen müssten.«

»Wäre das nicht ein übertriebener Aufwand?«, warf POSIMOL ein.

»Darüber diskutieren wir, wenn es soweit ist«, gab ich zurück.

Allmählich wurde ich ungeduldig. Wegen meiner plötzlichen Müdigkeit hatte ich mich gar nicht darum gekümmert, welche Informationen über den Raumsektor vorlagen, dessen Koordinaten Anima mit der Bordpositronik ausgemauschelt hatte. Dabei konnte jede Information für mich wertvoll sein, weil sie der Schlüssel zur Erreichung meiner Ziele sein mochte.

Ich ging zum KOM-Sektor POSIMOLS, ließ mich in den davor stehenden Sessel fallen und verlangte die betreffenden Daten.

Es stellte sich heraus, dass er außer mit der Nummer aus dem Katalog, der von allen raumfahrenden Völkern benutzt wurde, die sich der Verkehrssprache von Manam-Turu bedienten, noch mit einem Namen belegt war.

Ray-Canar.

Dieser Name sagte mir nichts, aber irgendwann konnte er einmal bedeutungsvoll sein. Deshalb war es wichtig, dass ich ihn kannte.

Es gab einen winzigen Sternhaufen im Raumsektor Ray-Canar. Er enthielt neun Sonnen mit insgesamt zweiundachtzig Planeten. Von den Planeten war keiner bewohnt. Auf elf von ihnen gab es allerdings Leben, wenn auch nur relativ primitives pflanzliches und tierisches Leben. Etwas anderes erregte mich mehr. Auf siebzehn der zweiundachtzig Planeten waren die kaum noch erkennbaren Überreste uralter, längst vergangener Kulturen entdeckt worden. Es waren nur Fragmente gewesen, aber sie ließen doch den Schluss zu, dass diese Kulturen gewaltsam vernichtet worden waren.

Mit den Kräften des Atoms!

So etwas war an sich schon deprimierend genug, aber dass sich so viele »verbrannte« Welten auf so engem Raum wie einem Sternhaufen von knapp 13 Lichtjahren Durchmesser zusammenballten, vermittelte die Ahnung von einer furchtbaren Tragödie, die vor vielleicht Millionen von Jahren den Tod vieler Milliarden intelligenter Wesen und die Vernichtung ihrer wahrscheinlich blühenden Kulturen herbeigeführt hatte.

Krieg nannte man solche Tragödien.

Oh, nein, ich verstand darunter nicht die kleinen bewaffneten Auseinandersetzungen, wie sie zwischen konkurrierenden Händlern, zwischen Händlern und Piraten und ähnlichen Widersachern gelegentlich ausgetragen wurden – und auch nicht den Kampf zwischen dem Erleuchteten und EVOLO!

Das waren völlig unbedeutende Ereignisse – jedenfalls aus meiner Sicht.

Ich meinte die barbarischen Auswüchse von verbohrten Ideologien, von Herrschafts- und Rassenwahn und von falschem Patriotismus, die sich allzu leicht so weit von den Realitäten entfernten, dass sie in der Vernichtung und Selbstvernichtung ganzer Kulturen geendet hatten. Die Erwähnung der Fragmente auf den siebzehn Planeten im Sektor Ray-Canar hatte entsprechende Erinnerungen in mir wiedererweckt, die anscheinend noch auf die Ausbildung aus der Zeitschule von Rhuf zurückgingen.

»Wir werden erhöhte Wachsamkeit pflegen, sobald wir Ray-Canar erreicht haben«, sagte ich zu POSIMOL und zu meinen Gefährten. »Wo der milliardenfache Tod gewütet hat, bleibt manchmal etwas übrig, das den Finder noch nach Millionen Jahren ins Verderben stürzen kann.«

»Vielleicht sollten wir den Kurs ändern und Ray-Canar gar nicht anfliegen«, meinte Neithadl-Off.

»Auf gar keinen Fall!«, protestierte Anima heftig. »Nur dort werde ich eine Möglichkeit finden, die Spur meines Ritters weiter zu verfolgen.«

»Wer weiß, ob du ihn jemals findest«, entgegnete die Vigpanderin. »Wir suchen jetzt schon so lange nach Atlan – und schon so oft hast du geglaubt, ihn endlich wiederzutreffen, und dann war es doch nichts.«

Animas Augen schienen Blitze zu versprühen.

»Diesmal finden wir ihn!«, behauptete sie energisch.

Ich schüttelte verstohlen den Kopf, als Neithadl-Off widersprechen wollte. Dass die Weiber doch oft so streitsüchtig waren!

Aber meine Prinzessin war nicht so schlimm wie andere Frauen. Sie bemerkte meinen »Wink« und beherrschte sich meisterhaft.

»Selbstverständlich helfen wir dir«, flötete sie in versöhnlichem Tonfall.

»Das ist ganz klar«, pflichtete ich ihr bei.

Schließlich mussten wir Animas Moral stärken. Uns war nicht damit gedient, wenn sie durchdrehte. Im Gegenteil, wir mussten daran interessiert sein, dass sie so bald wie möglich erfolgreich war.

Vielleicht konnte dieser Atlan mir dann dabei helfen, meine eigenen Ziele weiterzuverfolgen. Auf Barquass hatten wir keine Möglichkeit gehabt, uns nach den Koordinaten des dreigeteilten Silbernebels zu erkundigen, der das Vermächtnis des Zeitingenieurs Tronh Tronomonh bergen sollte, wie das »Gespenst« von Polterzeit behauptet hatte.

Falls Atlan diese Koordinaten kannte, war ich einen Schritt näher an meinem Ziel. Wenn möglich, würde ich auf dem Weg dorthin selbstverständlich versuchen, mit dem Vermächtnis Tronh Tronomonhs den Temporalbruch zu beheben, den ich in der gesperrten Zeitgruft auf Polterzeit entdeckt hatte. Das war ebenfalls sehr wichtig. Aber wenn ich auf direktem Weg schneller zum Ziel kam, wäre es noch günstiger, denn dann würde es mir leichter fallen, etwas zur Behebung des Temporalbruchs zu tun, der das Gefüge des Universums bedrohte.

»Achtung!«, rief POSIMOL und riss mich aus meinen Überlegungen. »Der Rücksturz in den Normalraum steht unmittelbar bevor.«

Ich schüttelte alle anderen Gedanken ab und konzentrierte mich auf die Beobachtung der Bildschirme und Kontrollen.

Sekunden später fiel die STERNENSEGLER in den Normalraum zurück.

An Backbord und Steuerbord, über und unter uns und hinter dem Schiff dehnte sich das Sternenmeer von Manam-Turu in seiner Erhabenheit.

Genau voraus aber glitzerte und funkelte vor dem Hintergrund eines nachtschwarzen, lichtschluckenden Dunkelnebels ein zum Schlag erhobenes Krummschwert.

Die seltene, vielleicht einmalige und unheilvolle Ahnungen weckende Konstellation von neun Sonnen.

Der Sternhaufen im Raumsektor Ray-Canar!

Eingedenk der siebzehn Planeten in diesem Sternhaufen, deren Kulturen brutal ausgelöscht und deren Bewohner eiskalt hingerichtet worden waren, fiel mir noch ein anderer Name dafür ein.

Das Schwert des Henkers!

Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2)

Подняться наверх