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Bericht Goman-Largo

Weiber!

Ich erinnerte mich nicht daran, ob ich vor meiner Stasis-Gefangenschaft in der Zeitgruft von Xissas schon die Bekanntschaft von Intelligenzwesen weiblichen Geschlechts gemacht hatte, aber die Erfahrungen mit Anima und Neithadl-Off verrieten mir im Grunde genommen genug über diese absonderliche, emotionsgeladene »Spezies« der angeblich hochorganisierten Materie des Universums, um von ihnen auf alle anderen Vertreterinnen der gleichen »Zunft« schließen zu können.

Wir befanden uns vor dem Sonnensystem, in dem sich mit großer Wahrscheinlichkeit Animas Ritter Atlan befand, die Ortung hatte vor uns die Überreste zerstörter Raumschiffe festgestellt, was auf die Gefährlichkeit dieses Raumsektors schließen ließ, und wir waren eben erst von Unbekannten angegriffen worden, die POSIMOL verwirrt hatten und spukartige Erscheinungen hervorriefen – aber sie hatten anschließend nichts Besseres zu tun gewusst, als sich zu streiten.

Als ob es wichtig wäre, dass Anima und Neithadl-Off in der absoluten Dunkelheit zusammengestoßen waren und dass die Vigpanderin die Hominidin dabei hochgeschleudert und auf mich geworfen hatte! Und als ob es eine Rolle spielte, dass die Vigpanderin mit ihrem Appetit auf Frischfleisch keinen Unterschied zwischen einem toten Tier und einem toten Intelligenzwesen machte! Schließlich tötete sie weder das eine noch das andere – und wer tot war, dem konnte es egal sein, wie er »begraben« wurde.

Ich war heilfroh darüber, dass Nussel uns einen Zwischenfall beschert hatte, der uns zum Vergessen allen Streits und zu neuer Gemeinsamkeit des Handelns zwang.

Anima bog wenige Schritte vor mir in den Ringkorridor zwischen dem Linearraumkonverter und den Energieplasmatanks ein. Im nächsten Augenblick schrie sie auf.

Mein Unterbewusstsein reagierte darauf in nie dagewesener Weise.

Es schickte einen ganzen Schwarm Module aus.

Sie schienen sich in der STERNENSEGLER verlieren zu wollen. Ich konzentrierte mich mit aller Kraft darauf, die Rückkopplung mit ihnen zu erhalten und sie wieder unter meine Kontrolle zu bekommen.

Natürlich vernachlässigte ich dabei meine unmittelbare Umgebung. Vor mir tauchte ein schattenhafter Umriss auf – und in dem Bestreben, eine Kollision zu vermeiden (mein Körper war noch vom Zusammenprall mit Anima voller blauer Flecke), warf ich mich nach rechts, geriet in einen schmalen Seitengang und prallte dort heftig gegen etwas, das in der Gangöffnung stand und seltsamerweise nicht von mir gesehen worden war.

Ich hörte ein Kreischen, dann das Puffen einer Implosion, taumelte gegen eine kalte Wand und tastete vergeblich nach dem Etwas, gegen das ich geprallt war.

»Helft mir lieber, anstatt eine Nummer abzuziehen, die Parterreakrobaten würdiger wäre!«, schimpfte Anima.

Ich drückte einen Daumenballen auf die Schwellung, die auf meiner Stirn wuchs und musterte Neithadl-Off – die mit einem Quintadimwerfer zwischen den Vordergliedmaßen dastand und anscheinend die Implosion schräg hinter mir verursacht hatte – sowie Anima, Nussel und das Wesen, das zwischen dem Einhorn und einer großen leeren Holzkiste klemmte.

Es handelte sich um ein hominides Lebewesen.

Der Artenreichtum dieser Lebewesen war ungeheuer, dennoch wusste ich beim Anblick dieses Hominiden sofort, zu welcher der zahlreichen Arten und Unterarten er gehörte.

Er war ein Saltic!

Ich wusste es deshalb so sicher, weil er ein unübersehbares Merkmal besaß, das mir bei zwei Vertretern seiner Art schon damals in der Hypton-Station MANAM-PZAN aufgefallen war.

Ein fast unwahrscheinlich harmonischer Körperbau!

Es war die perfekte Symmetrie ihrer Körperseiten, die diesen Eindruck hervorrief. Ich hatte die beiden Saltics, die als Gefangene der Hyptons in MANAM-PZAN gelebt hatten, deshalb in Gedanken als Schönlinge bezeichnet.

Aber erst jetzt wurde mir klar, dass die Diebstähle in der Hypton-Station erst begonnen hatten, als die beiden Saltics dort einquartiert worden waren.

Sie mussten die Meisterdiebe sein, die für das Verschwinden von Robot-Kodebändern, Strahlwaffen, Nasenspülmaschinen, Schmuck, Teppichen und anderen Gegenständen verantwortlich gewesen waren – und die den Hyptons, als sie noch die RAJJA beherrschten, fünfzehn Stahlmänner gestohlen und die diese Roboter wieder heimlich zurückgebracht hatten, nachdem die Hyptons aus dem Schiff vergrault gewesen waren.

Das alles ging mir in Sekundenschnelle durch den Kopf, dann achtete ich nur noch auf die Wunde, die Nussel dem eingeklemmten Saltic – bestimmt nicht absichtlich – zugefügt hatte.

Sein Horn hatte den Körper unterhalb der Rippen durchstoßen und sich dann in die Holzkiste gebohrt.

Aber als ich genauer hinsah, wurde mir klar, dass die Verletzung kaum lebensgefährlich sein konnte. Wenn die inneren Organe des Saltics ähnlich angeordnet waren wie meine, dann war keines von ihnen voll getroffen worden.

Aber die genaue Diagnose musste Anima stellen.

Ich winkte ab, als Neithadl-Off zu einer Entschuldigung dafür ansetzte, warum sie ihren Sextadimwerfer abgefeuert hatte. Mir war auch so klar, dass es sich um eine versehentliche Fehlhandlung handelte, ausgelöst durch das – vorerst nur von mir angenommene – Auftauchen beziehungsweise Sichtbarwerden eines Lebewesens, dessen äußere Erscheinungsform auch der Vigpanderin von der MANAM-PZAN her bekannt war.

Natürlich hätte sie mich treffen können. Doch das war Theorie, denn hätte sie mich getroffen, könnte ich nicht darüber nachdenken. Ich hoffte nur, sie hatte auch das andere Lebewesen nicht getroffen. Die Saltics waren sicher Meisterdiebe, aber sie waren nicht unsere Feinde. Sie hatten uns sogar einmal das Leben gerettet.

»Nur eine Fleischwunde«, stellte Anima fest, nachdem sie den Saltic einer – körperlich flüchtigen – Untersuchung unterzogen hatte.

»Dann fällt es dir ja leicht, ihn zu heilen«, sagte ich.

Die Hominidin sah mich rätselhaft an, dann schüttelte sie den Kopf.

»Bei ihm kann ich überhaupt nichts tun«, erklärte sie. »Das, was wir von ihm sehen, ist nur eine angenommene Gestalt. Die Grundgestalt ist völlig anders. Da ich sie nicht zu erkennen vermag, kann ich auch nicht in den Wundheilungsprozess eingreifen. Aber er wird unkompliziert verlaufen und nicht lange dauern.«

»Vorausgesetzt, Nussel gibt ihn endlich frei«, warf Neithadl-Off ein.

»Wenn ich nur könnte!«, sagte das Einhorn. »Ich wage nicht, mich heftig zu bewegen, um das Wesen nicht noch stärker zu verletzen, aber ohne gewaltsame Anstrengung bekomme ich das Horn nicht von der Kiste frei. Dazu steckt es zu fest.«

»Ich protestiere!«, sagte der Saltic.

Ich musterte ihn von oben bis unten.

Er war einwandfrei hominid, eine Kleinigkeit größer als ich und ein bisschen kräftiger – und eben sehr ebenmäßig gebaut. Seine Haut war hellbraun, die Augen hellblau. Das blonde Haar fiel in langen welligen Locken bis auf die Schultern. Die Bekleidung bestand aus einer leichten Raumkombination der H-Standard-Klasse.

»Wogegen, Saltic?«, fragte ich.

Er zuckte zusammen.

Hatte er wirklich geglaubt, Anima, Neithadl-Off und ich würden ihn trotz unserer Begegnung in MANAM-PZAN nicht wiedererkennen? Oder war das ein anderer Saltic?

»Wir müssen das Horn absägen«, erklärte Neithadl-Off.

Nussel wieherte protestierend, schüttelte heftig den Kopf und stemmte die Hufe gegen den Boden.

Im nächsten Moment war sein Horn aus der Kiste befreit – und auch aus dem Körper des Saltics.

»Na, also!«, sagte Neithadl-Off zufrieden.

Demnach hatte sie die Fluchtreaktion Nussels mit ihrem Vorschlag, das Horn abzusägen, bewusst provoziert. In Kosmopsychologie kannte sie sich aus.

Anima fing den Saltic, der plötzlich zusammensackte, mit beiden Armen auf und ließ ihn langsam und vorsichtig zu Boden sinken. Danach öffnete sie seine Kombination und tupfte die Wunden an Bauch und Rücken mit einem sterilen Tuch aus ihrer Medobox ab.

Unterdessen hatte ich meine »entflohenen« Module wieder unter Kontrolle und fing mit der Reintegration an. Deshalb vergaß ich eine Weile alles andere um mich her.

Als ich die Reintegration abgeschlossen hatte und mich umsah, wirkte alles irgendwie anders. Es war nicht nur, als hätte die Innenbeleuchtung sich heruntergeschaltet. Sicher, es war nicht mehr hell, sondern halbdunkel, aber die Veränderung ließ sich nicht auf das Optische reduzieren. Es herrschte eine düstere, unheimliche Stimmung im Schiff. Zugleich war es totenstill.

Ich lauschte angestrengt.

Die Maschinen!

Bei normaler Belastung liefen die Schiffsaggregate außerhalb von Planetenatmosphären fast geräuschlos, aber eben nur fast. Die zahlreichen hochenergetischen Kraftfelder, die Plasma verdichteten und Energie bändigten, erzeugten immer Schwingungen, die sich über andere Medien wie Wände, Verstrebungen und Klimasysteme als stetige »unterschwellige« Geräuschkulisse auswirkten, die vom Gehör kaum noch wahrgenommen wurde.

Aber ihr Fehlen wurde bemerkt!

Die Totenstille, die jetzt im Schiff herrschte, schnürte mir fast die Kehle zu und rief Angstgefühle hervor. Das hatte nichts mit Hysterie zu tun, sondern mit der Erfahrung, dass Totenstille im Schiff stets allerhöchste Gefahr bedeutete.

Ich sah es Neithadl-Off und Anima an, dass sie ebenso empfanden wie ich. Sie waren förmlich erstarrt.

Dem Saltic erging es nicht anders. An seinen offenen Augen erkannte ich, dass er das Bewusstsein zurückerlangt hatte. Aber aus ihnen sprach auch die Angst vor dem Unbekannten und Unheimlichen.

Als er sich bewegte, vermochte auch ich die Starre meiner Glieder zu überwinden.

Ich sprang neben ihn, beugte mich hinab und packte mit beiden Händen seinen linken Oberarm.

»Bleib hier!«, sagte ich eindringlich. »Wir sind weder Feinde noch Gegner. Lass uns gegen die Gefahren zusammenstehen, die uns drohen und die noch auf uns zukommen werden! Mein Name ist Goman-Largo. Meine Gefährtinnen heißen Neithadl-Off und Anima – und das Tier ist ein Einhorn von Mohenn namens Nussel.«

»Mit mir kannst du auch Manam-Turusch sprechen«, erklärte Nussel. »Es tut mir leid, dass ich dich gestoßen hatte, aber es geschah nicht mit Absicht.«

»Ich weiß, es geschah mit deinem Horn«, erwiderte der Saltic mit mattem Lächeln. »Die Sprache heißt übrigens Krelquanisch.« Er wandte sich mir zu. »Vielleicht sollten wir uns wirklich arrangieren, Goman-Largo. Aber das geht nur, wenn ihr uns den gleichen Status zugesteht wie euch selbst. Alles andere wäre gegen unseren Gildenkodex. Ich bin übrigens Navak.«

Ich ließ ihn sofort los.

»Einverstanden, Navak. Du bist also wirklich einer der beiden Saltics, die sich als Gefangene der Hyptons an Bord der Station MANAM-PZAN befanden.«

»Nicht als Gefangene, obwohl die Hyptons sich das einbildeten«, sagte eine Stimme von dem Seitengang her, in dessen Öffnung ich mit einem »Unsichtbaren« zusammengeprallt war. »Wir hatten uns absichtlich aufgreifen lassen, um unsere Aufnahmeprüfung in die Gilde zu bestehen. Leider verloren wir bei der Zerstörung der Station einen Teil unseres Diebesguts, aber den größten Teil konnten wir auf die RAJJA retten und in einem guten Versteck unterbringen.«

Ich blickte in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war und sah ein Wesen, das Navak fast aufs Haar glich. Nur die Gesichtszüge waren etwas anders.

Mein Herz schlug höher.

Wieder war ich einem Geheimnis auf der Spur. Das Netz, das ich ausgeworfen hatte, zog sich zusammen. Irgendwann würde ich den Fang einbringen, nämlich die Information darüber, was aus denen vom Orden der Zeitchirurgen geworden war, und die Information, ob es die Zeitschule von Rhuf noch gab und ob das Volk der Tigganois noch existierte.

*

»Du heißt Sutok, nicht wahr?«, fragte ich, denn ich entsann mich an diesen Namen von MANAM-PZAN her. »Ich freue mich, dass es zwischen uns zu offiziellen Kontakten kommt und dass ihr euch sehen lasst.«

»Für uns ist das durchaus nichts Erfreuliches«, erklärte Sutok, nachdem er den Namen bestätigt hatte. »Die Gilde der Meisterdiebe hat ziemlich strenge Gesetze. Eines von ihnen heißt, dass Gildenmitglieder und solche, die es werden wollen, sich niemals zeigen dürfen, wenn es nicht zur Ausübung ihres Berufs notwendig ist.«

»Welches Berufs?«, erkundigte sich Anima.

»Welches Berufs!«, echote die Vigpanderin sarkastisch. »Was haben denn Meisterdiebe deiner Meinung nach für einen Beruf?«

»Wie?«, fragte die Hominidin. »Du meinst doch nicht etwa ...?«

»Diebstahl«, ergänzte ich und musterte die beiden Prachtexemplare wohlwollend.

So etwas hatte ich mir unbewusst schon immer gewünscht: den Kontakt mit Intelligenzen, die als einzigen Beruf den des Diebes ausübten.

Ich sah förmlich die ungeheure Fülle neuer Informationen vor mir, die auf mich warteten.

»Es muss faszinierend sein, einen solchen Beruf auszuüben«, sagte Neithadl-Off. »Leider eigne ich mich wohl nicht so gut dazu. Ich habe keine richtigen Hände und Finger – und ich kann mir gut vorstellen, dass man zur Ausübung eures Berufs mindestens zwei Hände und zehn sehr flinke Finger braucht.«

»Unser Urvolk soll in fernen Zeiten den Beinamen ›die Vielgestaltigen mit den flinken Händen‹ getragen haben«, berichtete Navak und seufzte wohlig, als Anima ihm Heilplasma auf beide Wunden sprühte. »Aber das war in einer anderen Zeit und in einer anderen Galaxis. Sie soll Milchigstress oder so ähnlich geheißen haben.«

»Milchstraße!«, rief Anima. »Ist das die Möglichkeit?«

»Ja, Milchstraße«, bestätigte Sutok.

Die Hominidin starrte die beiden Saltics an, als wären sie Wundertiere.

»Milchstraße!«, wiederholte sie ungläubig. »Ich kann es kaum glauben. Atlans Galaxis!« Sie schüttelte den Kopf. »Aber warum hat Atlan mir nie von eurem Volk erzählt?«

»Wer ist Atlan?«, fragte Navak.

Animas Blick verschwamm.

»Er ist mein Ritter – und er ist in Not. Wir sollten das Schiff zwingen, nicht länger außerhalb des Muruth-Systems zu kreuzen, sondern endlich Kurs auf Cirgro zu nehmen.«

»Merkst du denn nicht, dass das Schiff schweigt?«, fragte ich sie.

»Oh!«, entfuhr es Anima.

»Oh!«, machte auch Neithadl-Off.

»Das Schiff ist scheintot«, stellte Sutok fest. »Wir sollten uns darum kümmern. Aber noch eine Frage, Anima. Dieser Atlan, er stammt aus der Galaxis Milchstraße?«

»Ja, und er hat nie etwas von Saltics erzählt«, erwiderte die Hominidin.

»Das könnte daran liegen, dass unser Urvolk niemals in der Galaxis Milchstraße beheimatet war«, erklärte Sutok. »Seine Heimat soll der Schwarm gewesen sein, ein ungeheuer großes und mächtiges Gebilde oder Reich, über das wir Angehörige des Splittervolks kaum etwas wissen. Wir wissen nur noch, dass die Urheimat gegen den Willen des Urvolks in den Schwarm integriert worden war – genau wie ein Teil der Galaxis Milchstraße.«

»Der Schwarm!«, jubelte Anima entzückt. »Davon hat mir Atlan erzählt. Aber die Galaxis Milchstraße hat ihn vertrieben – nicht zuletzt wegen Atlans Einsatz und der Hilfe seines damaligen Ritters Gucky.«

»Gucky?«, schrie Navak auf, dann griff er sich ächzend an den Leib.

»Der Name Gucky ist uns nicht unbekannt«, sagte Sutok ernst. »Alle Meisterdiebe mit besonderen Verdiensten um das Urvolk sind auf den Ehernen Tafeln von Dolen C'Austry verewigt, unserem Schatzplaneten. Der Ilt Gucky war ein solcher Meisterdieb.«

»Aber da kreuzen sich ja Schlangen mit Bohnen!«, entfuhr es Anima. »Zuletzt stellt sich noch heraus, dass wir alle unsere Abstammung auf die gleichen Ureltern zurückverfolgen können.«

»Wir alle sind verwandter als wir denken«, sinnierte Neithadl-Off.

Ich legte den Kopf schief, um festzustellen, ob nicht doch ein schwaches Geräusch vom Schiff kam. Doch ich hörte nichts, nicht einmal bewegte Luft.

»Das Thema ist zweifellos interessant«, führte ich aus. »Aber wir wollen es nicht ausufern lassen, während die STERNENSEGLER in höchster Gefahr schwebt. Zurück in die Zentrale! Anima, kannst du den Verletzten tragen?«

»Sie braucht ihn nur auf mich zu legen«, erklärte die Vigpanderin hilfsbereit.

»Gut, dann kommt!«, entschied ich.

In der Hauptzentrale war es genauso still wie anderswo im Schiff. Auch der komische Aufbau auf dem KOM-Sektor wirkte tot, genau wie die Bild- und Datensichtschirme.

»So geht es natürlich nicht«, bemerkte Neithadl-Off treffend. »Das ist ja wie in einer Geisterbahn auf dem Planeten Shonograff hinter der Grünen Dunkelwolke. Stellt euch das vor: ein ganzer Planet als Rummelplatz für die zahlenden Besucher einer ganzen Galaxis!«

»Vergiss deine Rede nicht!«, rief ich meiner erfinderischen Vigpanderin zu und eilte in Richtung Solo-Cockpit.

Als ich mich in den Sessel zwängte, hielt ich alle Probleme bereits für gelöst.

Doch dann vernahm ich wieder das hohle Lachen, das ich schon einmal an Bord der STERNENSEGLER gehört hatte – und da wusste ich, dass unsere Probleme erst angefangen hatten.

Aber natürlich ließ ich meinen Mut nicht sinken.

Ein Tigganoi, der auf der Zeitschule von Rhuf »moduliert« und zu einem hochkarätigen Spezialisten der Zeit gemacht worden war, der Jahrhunderttausende in Stasis-Gefangenschaft überstanden hatte und der trotz Neithadl-Off und Anima noch nicht um den Verstand gebracht worden war, der stand auch noch mehr durch!

»Wer immer ihr seid, ich nehme eure Herausforderung an!«, schrie ich den unbekannten Mächten entgegen. »Hütet euch vor Goman-Largo, dem Rächer der Temporalgeschädigten!«

Die STERNENSEGLER schüttelte sich dermaßen »vor Lachen« – ja, es erschien mir wirklich so, als würde das plötzlich vielstimmig aufbrandende schallende Gelächter die Schiffszelle erschüttern –, dass mir die Zähne gegeneinander schlugen und einige Datenschirmabdeckungen platzten.

»Ihr wollt uns also vernichten!«, schrie ich zornig. »Na, schön, das Universum kann auch ohne mich und ohne Neithadl-Off und ohne Anima auskommen, aber ...«

Weiter kam ich nicht.

Das Schütteln hörte so abrupt auf, dass ich mir auf die Zunge biss und mir das Sprechen verging.

Aber trotz des Schmerzes frohlockte ich, denn ich vernahm ganz deutlich die Hintergrundmusik der STERNENSEGLER.

Ich schlug auf den dicken gelben Sensorpunkt rechts von meinem rechten Daumen.

Schlagartig erwachten alle Bildschirme, Lautsprecher und Sensorpunkte im Solo-Cockpit zu ihrem elektronischen und positronischen Leben.

Das Schiff gehorchte mir – nur mir allein.

Ich musterte die Umgebung.

Genau voraus flimmerte das Meer der Sterne, durchsetzt mit bläulich und rötlich leuchtenden Staub- und Gaswolken. Sie alle waren viele Lichtjahre entfernt.

Nur an Steuerbord gab es einen Stern, der sich von allen anderen unterschied. Er war als winzigkleine Scheibe zu sehen, wenn ich die Augen zusammenkniff und lange genug hinsah – ein Scheibchen von gelbroter Färbung.

Muruth!

Die Mutter Cirgros.

Schräg davor wuchs ein schwarzer Schemen in die Außenbilderfassung: ein Raumschiffswrack.

Die STERNENSEGLER trieb anscheinend genau darauf zu.

Ich packte die Sticks, bewegte die Armdruckleisten und Pedale, brachte das Schiff in Fahrt und konnte die Kollision mit dem Wrack gerade noch verhindern.

Es war ein skurriler Anblick.

Ein riesiger Diskus, dessen Ränder einmal sternförmig gezackt gewesen sein mussten, zerrissen von zahllosen Löchern, von großer Hitze angeschmolzen, sich langsam überschlagend und als künstlicher Asteroid um die zirka vier Lichtwochen entfernte Sonne Muruth kreisend.

Wer mochte in ihm gekommen sein – und wann?

Vielleicht fand ich die Antwort auf Cirgro.

Wenn wir jemals dorthin kamen ... Etwas wie eine imaginäre und dennoch materielle Hand umfasste mein Gehirn und presste es auf das Volumen einer Beere zusammen. Ich bäumte mich auf. Meine Füße trommelten auf den Boden. Meine Hände zuckten unkontrolliert.

Es war die Hölle!

Als es ein wenig nachließ und ich halbwegs wieder handlungsfähig war, bremste ich die STERNENSEGLER mit Maximalwerten ab, dann drehte ich den Bug in die entgegengesetzte Richtung und beschleunigte wieder.

Nur fort!

*

Ich wehrte mich mit Händen und Füßen, als zwei Stahlmänner mich aus dem Cockpit zerrten.

Anima stand mit versteinertem Gesicht unterhalb der Leiter.

»Gebt ihm eine schmerzstillende und beruhigende Injektion!«, befahl sie den Robotern. »Und sorgt dafür, dass er mich nicht bei der Arbeit stört!«

»Du bist wahnsinnig!«, schrie ich, denn ich konnte mir denken, was sie beabsichtigte. »Wir werden genauso verloren sein wie Atlan, wenn du erneut Kurs auf den Unheilsplaneten nimmst. Er will uns nicht haben – und er kann unsere Gehirne ausbrennen und uns in lallende Idioten verwandeln.«

»Stört euch nicht an seinem Gerede!«, sagte die Hominidin gefühllos. »Er ist nicht ganz bei Trost. Weg mit ihm!«

Es war eine Gemeinheit.

Doch aller Widerstand und alle meine Proteste halfen nichts. Die beiden Roboter schnallten mich auf einem Kontursessel mit zurückgeklappter Lehne fest und verabreichten mir zwei Injektionen – und das, während Neithadl-Off daneben stand.

»Lasst mich wenigstens die Bildschirme sehen!«, bat ich, nachdem die Medikamente mich eingelullt hatten und ich nicht mehr die Kraft besaß, mich aufzulehnen.

»Es ist gut!«, sagte Neithadl-Off zu den Stahlmännern. »Klappt die Rückenlehne hoch!«

Sekunden später sah ich, was sich auf den Bildschirmen abspielte.

Die STERNENSEGLER flog soeben zwischen zwei Raumschiffwracks hindurch, die sich gegenläufig drehten. Dahinter glomm düster die gelbrote Sonne Muruth.

Es regte mich genauso wenig auf, wie das Rumoren und Raunen, das plötzlich das ganze Schiff erfüllte. Ich grinste, um das klarzustellen.

»Du siehst aus wie ein Idiot, Modulmann«, stellte Neithadl-Off fest.

»Tatsächlich?«, erwiderte ich und grinste breiter, denn wenn schon, dann wollte ich wie ein Meisteridiot aussehen.

Oder wie ein Meisterdieb!

»Es tut mir leid, Gomännchen«, sagte Neithadl-Off. »Anima war wie von Sinnen, als sie feststellte, dass du das Schiff auf Gegenkurs gebracht hattest. Sie bewog POSIMOL dazu, die Roboter ganz allein auf sie einzustellen. Danach befahl sie zwei der Maschinen, dich aus dem Solo-Cockpit zu holen. Ich versuchte, sie daran zu hindern, aber ein Roboter hielt mich fest.«

»Und unsere neuen Freunde, die Meisterdiebe?«, erkundigte ich mich.

Navak und Sutok traten in mein Blickfeld.

»Wir halten uns aus euren Meinungsverschiedenheiten heraus«, erklärte Navak. »Wenn es Anima gelingt, das Schiff nach Cirgro zu bringen und darauf zu landen, dann werden wir eben unseren nächsten Diebeszug dort durchziehen. Gelingt es ihr nicht, können wir vielleicht an ein paar Schiffswracks anlegen und dort abstauben.«

»Mir ist alles egal«, erwiderte ich wahrheitsgemäß. »Ich hatte nur für eine Weile befürchtet, wir könnten in eine Falle EVOLOS fliegen – oder einer Teufelei des Erleuchteten, die sein Ende überdauert hat, zum Opfer fallen. Aber das ist natürlich alles Unsinn. Es gibt keine Falle, und Anima wird schon wissen, was sie tut.«

Die letzten Sätze hatte ich wieder im Vollbesitz meiner geistigen Klarheit gesprochen, denn selbstverständlich hatten meine Module die Drogenwirkung neutralisiert. Nun, »selbstverständlich« war wohl den Mund ein bisschen zu voll genommen, denn ich hatte bis vor kurzem gar nicht geahnt, dass meine Module – oder ein Teil von ihnen – dergleichen zu vollbringen vermochten. Im Nachhinein empfand ich es jedoch als etwas, das gar nicht anders zu erwarten gewesen sein konnte.

Wozu war ich schließlich der Modulmann!

Ich schickte auch sofort zwei Module los, um heimlich die Kontrolle über die Manuellkontrollen zu gewinnen.

Das schien mir zu gelingen, denn eine knappe Minute später meldete sich Anima über die Bordverständigung und sagte grimmig:

»Du wirst mich nicht aufhalten, Goman-Largo! Roboter, paralysiert den Modulmann!«

Doch da waren die anwesenden Stahlmänner bereits ebenfalls unter meiner Modulkontrolle.

Ich atmete auf. Die Situation war wieder mal gerettet.

Zufrieden mit mir und meinen Modulen wartete ich darauf, dass die STERNENSEGLER erneut wendete und dem Muruth-System den Rücken kehrte.

Ich wartete vergebens.

Ein seltsames Singen und Klingen erfüllte plötzlich das Innere des Schiffes. Die Luft war von silbrig strahlenden Pünktchen erfüllt wie eine Galaxis von Sternen; ein gequältes Stöhnen kam aus dem KOM-Sektor POSIMOLS.

Ich ahnte, was das bedeutete.

Von Furcht und Entsetzen getrieben, hastete ich zum Solo-Cockpit. Ich verzichtete darauf, Anima gewaltsam daraus zu entfernen, als ich an den Kontrollen sah, dass POSIMOL wieder die Kontrolle über das Schiff an sich gerissen hatte.

Ich schlug wieder und wieder auf den gelben Sensorpunkt, mit dem das Schiff auf Manuellkontrolle umgeschaltet werden konnte, doch nichts rührte sich. Das Solo-Cockpit war vom Schiff »abgeklemmt«.

Ich stürmte in die Zentrale zurück – und sah, dass die STERNENSEGLER noch stärker beschleunigte. Vergeblich bemühte ich mich darum, POSIMOL dazu zu bringen, mir zu gehorchen.

Eine fremde Macht hatte Besitz von der Positronik und vom Schiff ergriffen. Sie ließ sich auch durch meine Module nicht aufhalten.

Kurz darauf wechselte das Schiff in den Zwischenraum über.

Ich zweifelte nicht daran, wo es in den Normalraum zurückfallen würde: innerhalb des Muruth-Systems.

»Machen wir uns auf das Schlimmste gefasst«, sagte ich zu Neithadl-Off, Nussel und den beiden Saltics und ließ mich resigniert in einen Sessel sinken.

Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2)

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