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4.

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Goman-Largo

Das Land war grün und eben und erstreckte sich, so weit mein Auge zu sehen vermochte.

Vielleicht hätte es mir gefallen, wenn ich freiwillig hierher gekommen wäre – und wenn der Himmel nicht so eigenartig ausgesehen hätte.

Er war blutrot, und er waberte gleich der Oberfläche einer Sonne.

Ich sah mir das Stück an, das ich mir aus dem Geschmeide herausgegriffen hatte. Es handelte sich um einen Armreif. Das Material schien Gold zu sein, und es war mit geschliffenen Smaragden besetzt. Meiner Prinzessin würde es sicher gefallen.

Falls sie es jemals zu Gesicht bekäme.

Mir wurde mit einemmal ganz mulmig. Ich erkannte, dass es durchaus nicht sicher war, dass ich Neithadl-Off wiedersehen würde. Die Falle hatte mich an einen Ort versetzt, der sich wahrscheinlich gar nicht auf Barquass befand – und ich vermochte nichts zu entdecken, das mich nach Barquass zurückbringen könnte.

Traurig blickte ich auf den Armreif.

Eigentlich stufte ich Schmuck nicht als besonders wertvoll ein. Ja, ich hatte ihn früher sogar als nutzlosen Tand betrachtet. Mit diesem Armreif war es etwas ganz anderes, denn er war als Geschenk für die Vigpanderin gedacht. Natürlich hatte sie keinen Arm, an dem sie ihn tragen konnte, aber daran hatte ich gar nicht gedacht, als ich ihn aus dem anderen Geschmeide herausgegriffen hatte.

Es war ein rein emotionaler Impuls gewesen, der mich dazu getrieben hatte.

Liebe?

Hastig steckte ich den Armreif weg.

Wie konnte ich nur im Zusammenhang mit Neithadl-Off an Liebe denken! Wir waren ja so grundverschieden, dass sich eher ein Vogel in ein Raumschiff verlieben konnte als ich mich in eine Vigpanderin!

Eine Weile starrte ich vor mich hin, dann schüttelte ich den Kopf.

Nein, der Vergleich war dumm gewesen! So grundverschieden waren Neithadl-Off und ich gar nicht. Sicher, wir sahen verschieden aus, aber wir dachten, handelten und fühlten doch ziemlich verwandt.

Und ich sehnte mich nach ihr.

Es war dumm, und ich wusste es, aber ich konnte es nicht ändern. Ich musste alles tun, damit ich zu ihr zurückfand. Selbstverständlich würde ich ihr meine Gefühle niemals offenbaren. Sie hätte sie sicher lachhaft gefunden. Nein, ich würde meine Liebe zu ihr stets als mein größtes Geheimnis bewahren.

Ich rieb mir die Augen. Anscheinend war mir Staub hineingeraten. Langsam drehte ich mich um mich selbst und musterte meine Umgebung. Das Ergebnis stimmte mich alles andere als froh. Überall ringsum gab es nur das brettflache grüne Land und darüber den blutroten, wabernd leuchtenden Himmel.

Ich ging in die Hocke und strich mit den Fingerspitzen über das Grün. Es war weder Gras noch Moos, und es fühlte sich kühl und leblos an. In einem geschlossenen Raum hätte ich es für einen Teppichboden gehalten und auf einem Sportplatz für Kunststoffrasen. Aber hier? Wer könnte so verrückt sein, die Oberfläche eines ganzen Planeten mit künstlichem Grün auszulegen?

Zornig griff ich nach den Kontrollen meines Flugaggregats. Ich verspürte den beinahe unwiderstehlichen Drang, zu starten und einfach drauflos zu rasen, in der Hoffnung, irgendwann irgendwo anzukommen. Aber ich wusste, wie unsinnig diese Hoffnung war – und vor allem, wie unlogisch.

Ich nahm die Hand von den Kontrollen, richtete mich auf und konzentrierte mich auf meine Module. Drei von ihnen wählte ich aus, programmierte sie mit verschiedenen Missionen und schickte sie los.

Es dauerte keine halbe Stunde, da wusste ich, dass ich nicht auf einem natürlich entstandenen Planeten war, sondern auf einer Kunstwelt aus Metallplastikstrukturen, durchsetzt von gewaltigen Hohlräumen und mit zahllosen positronischen Elementen, die die künstliche Schwerkraft, die Zusammensetzung der Lufthülle, die Temperatur und vieles mehr steuerten.

Das, was ich zuerst für den Himmel gehalten hatte, war alles andere als das. Es war so etwas wie eine aufgerissene Nahtstelle unseres Universums, durch die die Kunstwelt »gefallen« oder »gebracht« worden war, so dass sie sich innerhalb eines benachbarten Universums befand. Das blutrot Wabernde war allerdings weder das eine noch das andere Universum; es war die Summe der hochenergetischen Nebeneffekte, die von beiden Universen an der aufgerissenen Nahtstelle verursacht wurden.

Mir wurde übel, als ich mir vorstellte, dass dieser Tanz auf dem Vulkan, den die Kunstwelt vollführte, nur ein Ausnahmezustand sein konnte und dass die Welt irgendwann entweder in mein Universum zurückfiel oder ganz von dem anderen Universum verschlungen wurde.

Irgendwann!

Ich ertappte mich dabei, dass ich hysterisch lachte, und riss mich gewaltsam zusammen. Das fehlte noch, dass ich die Nerven verlor. Ich musste nachdenken und danach etwas unternehmen. Von selbst würde die Kunstwelt bestimmt nicht während meiner Lebensspanne auf die eine oder die andere Seite stürzen. Solche Ereignisse spielten sich in kosmischen Zeiträumen ab – und gegen die war das Leben eines normalen sterblichen Wesens ein Nichts.

Ich ballte grimmig die Fäuste.

Die Kunstwelt existierte in kosmischen Zeiträumen, das stimmte, aber sie war kein Produkt des Kosmos, sondern das Werk intelligenter »Eintagsfliegen«, wie ich eine war.

Oder das Produkt Gurays?, schoss es mir durch den Kopf.

Ich verneinte es sofort. Wenn Guray zu solchen »Kraftakten« fähig wäre, würde er bestimmt nicht vor EVOLO zittern. Aber wenn die Kunstwelt kein Produkt Gurays war, dann waren es die Schatzkammer und ihre Fallen auch nicht. Dann musste es diese Dinge schon lange vor der Zeit Gurays auf Barquass gegeben haben.

Ich suchte in meinen Taschen, bis ich den Kristall wiederfand, der auf der Zeitschule von Rhuf bis in den subatomaren Bereich hinab manipuliert worden war. Auf der flachen Hand hielt ich ihn dicht vor mein Gesicht.

Sein Strahlen übte eine ungeheure Faszination auf mich aus.

Vor allem aber richtete es mein Denken auf jenen anderen Spezialisten der Zeit, der diesen Kristall und die anderen Kristalle in der Schatzkammer nach Manam-Turu gebracht hatte. Möglicherweise war er das Opfer des Wesens geworden, das die Kunstwelt geschaffen hatte. Vielleicht war er auch hierher »verbannt« worden und hier gestorben.

Es konnte aber auch sein, dass er hier eine Möglichkeit gefunden hatte, die Kunstwelt zu verlassen und in unser Universum zurückzukehren. Falls es sich so verhielt, sollte ich eigentlich die Spuren seines Wirkens entdecken können.

Ich holte tief Luft, dann fasste ich meinen Entschluss. Nachdem ich die drei Module mit einer weiteren Zusatzprogrammierung versehen hatte, ließ ich sie wieder ausschwärmen. Danach aktivierte ich das Flugaggregat und flog in geringer Höhe über die Oberfläche der Kunstwelt. Die Module schwebten langsam hinter mir her und zogen ein unsichtbares Netz aus mannigfaltigen Tastimpulsen unter der Oberfläche des Planeten nach.

Irgendwann sollte sich die gewünschte Information darin fangen – wenn sie existierte ...

*

Nach einer Viertelumkreisung des Planeten wurde ich fündig.

Allerdings entdeckten die Module nicht das, wonach sie gesucht hatten, sondern etwas ganz anderes.

Biologisch aktive, hochmolekulare Substanzen!

Leben!

Diese Entdeckung verblüffte mich so, dass ich mit Maximalwerten abbremste und auf der Stelle landete, unter der die Module fündig geworden waren.

Ich konnte es nicht fassen, obwohl die Module ganz eindeutige Werte übermittelten. Danach befanden sich die biologisch aktiven Substanzen in zirka tausend Metern Tiefe über eine kugelförmige Fläche von etwa siebzig Metern Durchmesser verteilt.

Ich unterdrückte meine Ungeduld, die mich dazu verleiten wollte, mir gewaltsam Zutritt ins Innere des Kunstplaneten zu verschaffen. Niemals durfte ich ohne Zwang Leben gefährden. Diese Sonderform hochorganisierter Materie stellte das größte Wunder dar, das das Universum bisher hervorgebracht hatte. Es war empfindlicher, als sich manche Leute vorzustellen vermochten.

Die drei Module fanden den Zugang wenige Minuten später.

Er bestand aus einer ganz gewöhnlichen Schleuse, deren Schotte von Elektromotoren bewegt wurden.

Ich blieb dennoch auf der Hut und ließ meine drei Module vorausfliegen.

Als ich mich dem Außenschott bis auf zirka zwei Meter – senkrecht von oben – genähert hatte, teilte es sich. Die beiden Hälften glitten lautlos auseinander. In der darunterliegenden, etwa drei Meter breiten und hohen und fünf Meter tiefen Schleusenkammer ging ein stechend helles blaues Licht an. Die Module stellten aber keine schädliche Strahlung fest, als sie hineingeflogen waren. Ich folgte ihnen.

Das Außenschott schloss sich über mir, als ich mich in der Kammer befand. Ich dachte an Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der biologisch aktiven Substanzen, die die Erbauer der Anlage getroffen haben mochten. Rasch ließ ich den im Halskragen meiner Kombination auf Fingerdicke zusammengefalteten Druckhelm sich entfalten und schloss ihn.

Aber die erwartete Desinfektionsbehandlung blieb aus. Statt dessen öffnete sich das Innenschott. Ich verringerte die Antigravleistung meines Flugaggregats, sank langsam aus der Schleusenkammer und wurde von einem sich plötzlich aktivierenden energetischen Transportfeld erfasst und beschleunigt.

Meine Module blieben unter beziehungsweise vor mir und meldeten keine gefährlichen Nebeneffekte. Deshalb versuchte ich nicht, mit hochgeschaltetem Flugaggregat zu entkommen, sondern überließ mich dem Transportfeld.

Schon bald wurde mir klar, wohin es mich zog: zu der Kugelschale von biologisch aktiven Substanzen unter mir. Die Module zeigten sie weiterhin an. Aber Sekunden später meldeten sie mir, dass eine Veränderung mit ihnen vorging. Die Kugelschale schrumpfte rasend schnell zusammen; gleichzeitig wurde der Stoffwechsel beschleunigt.

Doch das blieb nicht alles.

Meine Module zeigten an, dass sich die Aktivitäten der positronischen Elemente des Kunstplaneten veränderten. Sie erfüllten teilweise plötzlich ganz andere Funktionen als zuvor. Es erinnerte mich an die schalttechnische Veränderung der Kulissenprojektionen eines Theaters. Meine drei Module vermittelten mir den Eindruck, als wüchse rings um mich die Oberfläche einer Kristallwelt, während die frühere Oberfläche der Kunstwelt sich verflüchtigte und dadurch der Ausblick in einen Weltraum ermöglicht wurde, der fast normal wirkte.

Fast normal deshalb, weil es keinen blutrot wabernden Himmel mehr gab, sondern nächtliche Schwärze mit den glitzernden Punkten von fernen Sonnen und vor allem zahlreichen bläulich und rötlich schimmernden Nebelstrukturen.

Es war alles so ungeheuer verwirrend, dass ich gar nicht dazu kam, auf irgend etwas zu reagieren, vor allem auch, weil die Module noch immer keine Gefahr für mich signalisierten.

Und es ging alles sehr schnell.

Bevor ich mich recht besann, stand ich auf der schwarz und gläsern wirkenden Oberfläche der Kristallwelt, umgeben von riesigen Kristallen aller möglichen Formen und Farben, die anscheinend aus der Oberfläche herausgewachsen waren. Sie reflektierten vielfältig das Licht der Sterne und das Leuchten der kosmischen Staubnebel.

Meine drei Module aber zeigten eine kompakte Masse von biologisch aktiven Substanzen wenige Meter vor mir an.

Im nächsten Augenblick trat er hinter einem zirka zehn Meter hohen, bläulich schimmernden Kristall hervor!

Die Einstufung er geschah allerdings nur aus einem emotionalen Impuls heraus. In Wirklichkeit konnte ich nicht erkennen, ob es sich um ein weibliches oder ein männliches oder um ein zweigeschlechtliches oder ein geschlechtsloses Lebewesen handelte.

Es war ungefähr drei Meter groß, hominid geformt und in eine dunkelrote Raumkombination gekleidet. Einen Helm sah ich nicht. Er mochte aber zusammengefaltet im Halskragen verborgen sein.

Unwillkürlich klappte ich meinen Kugelhelm zurück.

Das Gesicht des Wesens war undefinierbar. Es befand sich vorn auf einem mit dunkelbrauner Haut überzogenen und oben mit einem braunen Federschopf bedeckten Schädel, hatte aber weder Mund noch Nase noch Augen, sondern war eine gelbgrüne, dicht mit fingerkuppentiefen Gruben besetzte Fläche, über die ständig schauerartige Bewegungen liefen.

Nachdem das Wesen hinter dem Kristall hervorgetreten war und die Arme über der Brust verschränkt hatte, rührte es sich nicht mehr. Es schien mich einer intensiven Musterung zu unterziehen, obwohl ich das natürlich nur annahm.

Allmählich wurde es mir unheimlich.

»Ich bin Goman-Largo«, stellte ich mich in der Verkehrssprache von Manam-Turu vor – im Grunde nur, weil ich die Stille durchbrechen wollte und nicht, weil ich damit rechnete, das Wesen könnte mich verstehen, geschweige denn mir antworten. »Wo bin ich hier – und wer bist du?«

Als die Antwort in meinem Bewusstsein erklang, zuckte ich überrascht zusammen.

Das ist Llokyr!, lautete sie. Das verborgene Zentrum des Raumsektors Askyschon-Nurgh.

Askyschon-Nurgh!, wiederholte ich in Gedanken.

Aber der Name sagte mir nichts. Ich war sicher, dass ich ihn eben zum ersten Mal gehört hatte, genau wie den Namen Llokyr.

»Und was soll ich hier?«, fragte ich.

Es ist schon vorbei!, lautete die merkwürdige Antwort. Das nächste Mal wird es keine Simulation, sondern Realität sein. Du bist auserwählt, Großes zu vollbringen, Goman-Largo.

Das warf nur neue Fragen auf, ohne die alten zu beantworten. Immerhin aber ließen der Begriff »Simulation« und die Verheißung, für Großes auserwählt zu sein, neue Hoffnung auf ein Wiedersehen mit meiner Vigpanderin in mir aufblühen.

Doch bevor ich irgendwie reagieren konnte, verschwamm die Umgebung vor meinen Augen.

Und dann stand ich wieder dort, woher ich gekommen war: in dem Korridor vor der Schatzkammer auf Barquass.

Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2)

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