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Neithadl-Off

Raumsektor Askyschon-Nurgh!, memorierte ich grübelnd. Kristallwelt Llokyr!

War ich nun tatsächlich schon dort gewesen, oder hatte ich nur so überzeugend gelogen, dass ich jetzt selber daran glaubte? Aber wenn ich nicht dort gewesen wäre, wie hätte ich dann wissen sollen, was er zu Goman-Largo gesagt hatte? Das konnte ich doch nicht erfunden haben, denn mein Modulmann hatte mir ja bestätigt, dass ich die Aussage dieses Wesens wiederholt hatte. Auch wenn er gleich darauf wieder in den Kleinmut verfallen war, in den sie alle verfielen – und das nur, weil ich mich versprochen hatte.

Verflixt, jetzt zweifelte ich selber an meinen Lügen – und das sogar, wenn sie wahr waren oder auch nicht!

Um mich abzulenken, blickte ich auf die Bildschirme der Außenbeobachtung. Sie zeigten allerdings nur das flackernde Grau des Zwischenraums mit seinen merkwürdigen Leuchterscheinungen, die so abrupt erloschen, wie sie auftauchten.

»Wohin fliegen wir?«, wandte ich mich an den Modulmann.

»Da musst du dich an Anima wenden«, erklärte der Tigganoi und blickte vielsagend zu der Hominidin, die in einem Sessel vor dem KOM-Sektor von POSIMOL saß und dem Einhorn, das ihr zu Füßen lag, die Mähne kraulte. »Sie hat den Kurs mit POSIMOL ausgemauschelt.«

»Vielleicht hätten wir Kurs auf den Raumsektor Askyschon-Nurgh nehmen sollen«, meinte ich.

Anima blickte auf und verzog den Mund.

»Der existiert ja nicht wirklich«, sagte sie spitz.

»Woher willst du das wissen?«, begehrte Goman-Largo auf.

»POSIMOL kennt ihn nicht«, erklärte Anima.

»Die Positronik kann nur die Daten kennen, die ihr eingegeben wurden«, erwiderte ich. »Wenn ihre ehemaligen Besitzer den Raumsektor Askyschon-Nurgh nicht kannten, haben sie ihr natürlich auch nicht seine Koordinaten eingeben können.«

»Das ist richtig«, bestätigte Goman-Largo. »Andererseits ...«

Der Satz blieb unvollendet, denn in diesem Augenblick fiel die STERNENSEGLER in den Normalraum zurück. Auf den Bildschirmen der Außenbeobachtung erschien wieder das unendlich erscheinende und dennoch so endliche Meer der Sterne einer Galaxis, der Galaxis Manam-Turu. Vor diesem Hintergrund hoben sich drei besonders hell strahlende Sterne ab: ein roter, ein blauer und ein weißer, die zusammen eine Dreiecksformation bildeten – jedenfalls vom Schiff aus gesehen.

»Was ist das?«, fragte der Tigganoi.

»Das Gumurrah-System«, antwortete Anima. »Es liegt in der Richtung, aus der ich den Ruf meines Ritters vernehme. Von hier aus hoffe ich, eine genauere Peilung vornehmen zu können.« Sie runzelte die Stirn. »Allerdings spürte ich jetzt nichts von ihm.«

»Auch Atlan kann nicht pausenlos rufen«, meinte der Tigganoi. »Wie sind die Verhältnisse im Gumurrah-System?«

»Beantworte die Frage, POSIMOL!«, sagte Anima.

»Das Gumurrah-System besteht aus drei Sonnen, einer blauen, einer weißen und einer roten«, sagte die Positronik. »Sie werden von siebzehn Planeten auf teilweise sehr exzentrischen Bahnen umkreist. Nur einer dieser Planeten trägt Leben. Es mutiert jedoch in so kurzen Intervallen, dass darüber keine feststehenden Informationen existieren. Weit außerhalb des eigentlichen Planetensystems gibt es eine dünne Wolke von kleinen Materieballungen, von denen ständig einige das System durchkreuzen und dabei manchmal mit einem Planeten oder einer Sonne kollidieren.«

»Kometen«, meinte Goman-Largo. »Aber die gibt es ja fast überall. Mich interessiert etwas anderes, POSIMOL. Hast du eine Information darüber, ob es im Gumurrah-System eine Zeitgruft gibt?«

»Darüber liegt keine Information vor«, antwortete die Positronik.

»Wenn es dort eine gäbe, hätten deine früheren Besitzer es dir sowieso nicht verraten«, warf ich ein – in der leisen Hoffnung, durch eine solche Bemerkung irgendwann einmal etwas über ihre ehemaligen Besitzer aus POSIMOL herauszulocken.

Bisher wussten wir lediglich, dass die Hyptons das Schiff irgendwann und irgendwo durch Helfershelfer hatten kapern und in die Raumstation MANAM-PZAN bringen lassen, wo wir es ja auch entdeckt und zur Flucht benutzt hatten. Die Bordpositronik behauptete zwar, alle Daten über das, was vorher mit ihr geschehen war und was mit ihren Erbauern und Besitzern zusammenhing, seien gelöscht worden, aber immerhin hatte sie uns noch ihren ursprünglichen Namen, RAJJA, sagen können und dass er soviel wie STERNENSEGLER bedeutete (weshalb wir sie ja auch STERNENSEGLER genannt hatten). Und sie hatte erklärt, dass sie POSIMOL genannt werden wollte. Diese Informationen mussten schließlich trotz der Löschung noch irgendwo in ihr gesteckt haben. Folglich konnten sich auch noch andere Informationen in ihr verbergen, die vielleicht erst dann offenbar wurden, wenn eine Art Denkanstoß erfolgte.

Diesmal klappte es allerdings noch nicht.

»Welcher Planet ist es, der Leben trägt?«, erkundigte sich Goman-Largo.

»Der schnellste der drei ersten«, antwortete POSIMOL.

Anima lächelte schadenfroh, aber weder mein Modulmann noch ich taten ihr den Gefallen, nicht zu verstehen, was die Positronik gemeint hatte.

Es war ja schließlich offenkundig.

Da das Gumurrah-System drei Sonnen hatte und die Bahnen ihrer Planeten als teilweise sehr exzentrisch bezeichnet worden waren, ließ es sich denken, dass die Bahnen der drei ersten Planeten sich kreuzten, so dass keiner von ihnen eindeutig als der erste, der zweite und der dritte bezeichnet werden konnte. Waren aber ihre Bahngeschwindigkeiten unterschiedlich, so ließen sie sich nach diesem Kriterium einordnen.

»Den möchte ich mir genauer ansehen«, meinte Goman-Largo und sah die Hominidin prüfend an. »Da du zur Zeit sowieso keinen Ruf empfängst und folglich auch keine Peilung vornehmen kannst, ist es ja egal, wo du auf eine Wiederholung wartest.«

Anima zuckte die Schultern, sagte aber nichts.

»POSIMOL, bringe das Schiff in einen Orbit um den schnellsten der drei ersten Planeten!«, befahl der Tigganoi.

Mir fiel der eigentümliche Klang seiner Stimme auf. Ich sah ihn an und bemerkte den angespannten Ausdruck seines Gesichts. Da wurde mir klar, wie sehr er sich danach sehnte, endlich Informationen über die Dinge zu bekommen, die für ihn an erster Stelle rangierten und trotz aller anderen Abenteuer schon immer an erster Stelle rangiert hatten.

Es musste frustrierend für ihn sein, dass er immer wieder ins Leere gestoßen war, wenn er geglaubt hatte, endlich eine Spur gefunden zu haben, die zur Aufdeckung der Geheimnisse führte, die ihn beschäftigten.

POSIMOL gehorchte.

Die STERNENSEGLER beschleunigte und »ritt« auf dem heißen und extrem verdichteten Korpuskularstrahl ihres Impulstriebwerks, bis sie wieder schnell genug für den Sprung in den Linearraum geworden war. Mit Unterlichtgeschwindigkeit in das System einzufliegen, wäre zu zeitraubend gewesen. Es hätte mindestens zehn Stunden gedauert.

Als wir in den Normalraum zurückfielen, stach das Licht der weißen Sonne grell vom Steuerbordsektor der Bildschirmgalerie. Sie war höchstens 50 Millionen Kilometer entfernt. Die rote Sonne strahlte nicht so grell und stand in zirka 100 Millionen Kilometern über dem Schiff, leicht nach Backbord versetzt – und genau an Backbord schien die blaue Sonne. Sie war am größten, strahlte aber am schwächsten, obwohl sie nicht weiter als 45 Millionen Kilometer entfernt war.

Abermals sprang das Impulstriebwerk an. Der Bug des Schiffes schwenkte um einige wenige Grade nach Backbord und hob sich etwas an. Im Frontschirm wurde eine Kugel sichtbar, die von allen drei Sonnen angestrahlt wurde.

Der schnellste der drei ersten Planeten!

Die anderen beiden Weltkugeln entdeckten wir wenig später. Eine entfernte sich gerade von den drei Sonnen, die andere näherte sich ihnen.

Doch sie interessierten uns weniger, da sie kein Leben trugen.

»Hat der schnellste Planet einen Namen?«, erkundigte ich mich bei der Positronik.

»Er heißt Katloch«, antwortete POSIMOL. »Das bedeutet soviel wie Verliere dich.«

Ich spürte, wie meine Haut sich mit heißem Sekret bedeckte. Der Name des Planeten erschien mir als böses Omen. Außerdem erinnerte er ein wenig an den Planeten Kaldoch, auf dem ich den ersten Hinweis auf eine Zeitgruft bekommen hatte. Es war ein wahrhaft schicksalhafter Hinweis gewesen.

Ich fuhr meine Sensorstäbchen weiter aus und musterte Katloch. Er sah allerdings nicht aufregend aus. Ozeane schien es auf ihm überhaupt nicht zu geben. Ich vermochte nur eine vielfach aufgefaltete und irgendwie lederartig runzlige lehmbraune Kruste zu sehen, wahrscheinlich eine trockene Wüste.

Falls es dort noch immer Leben gab, dann musste es entweder eine sehr genügsame oder sehr mörderische Lebensform sein.

»Ich möchte dort landen«, sagte ich.

*

Ganz gegen meine Erwartung hatten weder Goman-Largo noch Anima meiner Absicht widersprochen. Ich war enttäuscht darüber.

Allerdings warteten wir mit der Landung, bis die STERNENSEGLER den Planeten dreimal umkreist und dabei Daten gesammelt hatte. Danach besaß Katloch eine Lufthülle, die zu 88 Prozent aus Stickstoff, zu 4 Prozent aus Kohlendioxid, zu 4 Prozent aus Krypton und zu 3 Prozent aus Sauerstoff bestand. Der Rest waren Spuren verschiedener Edelgase. Die Temperatur an der Oberfläche betrug 53 Grad Celsius, die Schwerkraft 0,79 g. Freies Wasser gab es an der Oberfläche nicht, aber es ließ sich mit den Hypertastern ermitteln, dass in größeren Tiefen einige Vorkommen existierten.

Aber über das Wichtigste holten uns die Taster keine brauchbaren Daten herein, nämlich über das Leben auf Katloch. Anscheinend war es längst ausgestorben, denn es ließen sich nicht einmal hochmolekulare, also aus Makromolekülen bestehende Substanzen, wie sie für organisches Leben typisch waren, ausmachen.

Schließlich ließen wir POSIMOL einen beliebigen Landeplatz aussuchen und das Schiff zu Boden bringen. Es landete im Mittelpunkt einer Serie von wellenförmig aufgefalteten Bodenformationen, die so aussahen, als hätte sie vor langer Zeit jemand aus feuchtem Lehm gestaltet, der dann ausgetrocknet, rissig geworden und teilweise zerbröckelt war.

»Steigen wir alle gleichzeitig aus?«, fragte Goman-Largo.

»Warum nicht?«, meinte Anima. »Es scheint völlig ungefährlich zu sein, abgesehen davon natürlich, dass wir uns nur mit geschlossenen Raumanzügen im Freien aufhalten können, weil die Atmosphäre zu sauerstoffarm und zu heiß ist.«

»Wir haben noch die siebzehn Roboter, die früher den Hyptons gehörten«, sagte POSIMOL. »Sie sind zwar desaktiviert, können aber jederzeit eingesetzt werden.«

Ich erinnerte mich daran. Die Bordpositronik hatte die Roboter so umprogrammiert, dass sie nicht mehr im Sinn der Hyptons handeln konnten, sondern nur ihr gehorchten – und damit auch uns, da POSIMOL uns zu Gehorsam verpflichtet war.

Aber gleichzeitig erinnerte ich mich auch daran, dass fünfzehn der insgesamt siebzehn Roboter auf Polterzeit den Hyptons aus dem Schiff heraus gestohlen worden waren – und dass sie kurz vor unserem Start plötzlich wieder dagewesen waren, ohne dass POSIMOL oder wir etwas davon bemerkt hatten, dass sie zurückgebracht worden waren.

Ich richtete die Sensorstäbchen auf meinen Modulmann und erkannte, dass er mich vielsagend ansah und dann erschauderte.

Nicht grundlos, denn das heimlich-unheimliche Wiederauftauchen der fünfzehn Roboter konnte nur bedeuten, dass sie von den Meisterdieben zurückgebracht worden waren, die zuerst in MANAM-PZAN, danach auf der STERNENSEGLER und zuletzt auf Polterzeit ihr Unwesen getrieben hatten.

Und die vielleicht die ganze Zeit über heimlich an Bord waren und nur darauf warteten, zu einem anderen Planeten gebracht zu werden, auf dem sie wahre Klauorgien feiern konnten!

Es sei denn, sie wären inzwischen auf Barquass von Bord gegangen – oder sie gingen auf Katloch von Bord.

Aber Katloch war bestimmt uninteressant für sie. Was hätten sie auf dieser Ödwelt schon stehlen können!

»Du kannst drei Roboter aktivieren, damit sie uns begleiten, POSIMOL!«, sagte Goman-Largo.

Innerhalb weniger Sekunden waren die Stahlmänner zur Stelle. Wir nannten sie nach den Anfangsbuchstaben unserer eigenen Namen, An, Go und Nei und verpflichteten sie dazu, jeweils ganz für einen von uns zur Verfügung zu stehen.

Danach verschlossen wir unsere Raumanzüge und verließen das Schiff.

Die Außenmikrophone meiner Schutzhülle übermittelten mir das Winseln des Windes und das Rascheln wandernden Sandes. Es war natürlich unbefriedigend, alles nur indirekt wahrzunehmen, anstatt in hautnahen Kontakt mit einer Welt zu treten, aber das ließ sich nicht ändern.

»Halte dich hinter mir!«, befahl ich Nei, der schräg vor mir herstapfte und dabei Sand auf mich schleuderte.

Er gehorchte.

Ich schaltete mein Gravojet-Aggregat an, startete und flog dicht über die Oberfläche. Als ich die erste Auffaltung erreichte, landete ich, um den Boden zu untersuchen beziehungsweise eine Probe zu nehmen. Die Schutzhülle erwies sich als hinderlich dabei, deshalb gab ich meinem Roboter den kleinen Probenbehälter und befahl ihm, ihn mit Bodensubstanz zu füllen und zu verschließen.

Ich stocherte unterdessen mit meinen »verkleideten« Vordergliedmaßen im Boden herum und fuhr die Sensorstäbchen unter der Schutzhülle weit aus, um die Bodenstruktur schon einmal grob zu untersuchen.

Sie wirkte anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Es schien sich weder um Lehm noch um Sand zu handeln – jedenfalls nicht in den mir bekannten Zustandsformen. Ich bemerkte, dass sie das Licht der roten Sonne, die allein dieses Gebiet beschien, stark streute. Außerdem war es schwierig, den Boden aufzuscharren. Es schien, als wären seine kleinsten Teilchen magnetisch miteinander verbunden oder hafteten infolge einer gewissen Klebrigkeit aneinander. Jedenfalls schlossen sich Löcher sehr schnell wieder, und an meinen Vordergliedmaßen hingen manchmal richtige Fladen, bevor sie dem Zug der Schwerkraft gehorchten und auf den Boden zurückfielen.

»Ziemlich hohe Viskosität«, hörte ich über Helmfunk meinen Modulmann kommentieren. »Fast wie bei einem Gel.«

»Kolloidales Verhalten«, pflichtete ich ihm bei. »Aber keine ausgeprägte kolloidale Struktur. Es ist etwas, das wir nie zuvor kennen gelernt haben und für das uns die Begriffe fehlen, um es zutreffend zu definieren.«

Ich wandte mich zu Anima um.

»Was meinst du dazu?«

Ich sprach die Frage eigentlich nur deshalb noch aus, weil ich sie vorher in meinem Bewusstsein formuliert hatte, nicht, weil sie sinnvoll gewesen wäre, denn Animas Gesicht verriet, dass sie geistig weggetreten war. Sie kniete, und ihr Oberkörper sank langsam vornüber. Ihre Hände, auf die sie sich stützte, waren von der klebrigen Bodenmasse bedeckt. Sie waren jedoch nicht eingesunken, sondern der Boden war an ihnen hochgekrochen.

Es sah lustig aus.

Aber ich achtete nicht lange darauf, denn mir war ein Gedanke gekommen. Eigentlich war es eine ganze Gedankenkette, und jeder Gedanke war von lebhaften Vorstellungen begleitet, die angenehme Gefühle weckten.

»Gefahr!«, schnarrte Nei wie aus weiter Ferne. »Der Boden verschlingt dich, Neithadl-Off!«

»Störe mich nicht!«, wies ich den Roboter zurecht. »Die Gedankenkette darf nicht zerreißen.«

Verzückt fügte ich die neuen und immer neuen Gedanken hinzu, die mir einfielen wie noch nie in meinem Leben. Katloch musste einen ungeheuer positiven Einfluss auf mich ausüben. So frei wie jetzt hatte sich mein Geist noch nie gefühlt.

Vor meinen Sensorstäbchen kroch eine kolloidale Masse an meiner Schutzhülle empor. Sie schirmte mich gegen die störenden optischen Eindrücke ab und erlaubte mir, mich ganz auf die weitere Knüpfung meiner Gedankenkette zu konzentrieren.

Ich hatte gerade einen völlig neuen Kosmos konstruiert und mich ganz dem überwältigenden Glücksgefühl darüber hingegeben, als der brutale Angriff erfolgte.

Etwas riss mich aus den beschützenden Armen Katlochs und schleppte mich fort. Bald darauf wurde es noch schlimmer. Etwas sprühte und spülte die abschirmende Schicht von meiner Schutzhülle. Licht stach grell und schmerzhaft auf meine Sensorstäbchen ein.

Gegen meinen Willen nahm ich das Innere einer Schleusenkammer wahr, in der drei Stahlmänner aus Druckschläuchen eine dünnflüssige, wasserklare Substanz auf die Raumanzüge meiner Gefährten und auf meinen Raumanzug spritzten.

»Sofort aufhören!«, befahl ich. »Ihr zerstört ja jegliche geistige Konzentration.«

»Diese Maßnahme ist eine Notmaßnahme!«, hallte die Stimme POSIMOLS durch die Schleusenkammer. »Eure Reaktionen bewiesen, dass ihr geistig völlig verwirrt wart und die Gefahr nicht erkennen konntet, die euch drohte. Deshalb war ich befugt, mich über eure Befehlsgewalt hinwegzusetzen und die dringenden erforderlichen Rettungsmaßnahmen gegen euren Willen auszuführen.«

»Rettungsmaßnahmen!«, erregte ich mich. »Wir waren nie besser aufgehoben als eben noch. Diese so genannten Rettungsmaßnahmen haben nur verhindert, dass wir mit nie zuvor dagewesener geistiger Konzentration das Modell eines neuen Kosmos schufen, der von vollendeter Harmonie beherrscht worden wäre. POSIMOL, du hast das schlimmste Verbrechen begangen, das eine Positronik begehen kann. Du hast dich gegen die Schöpferkraft deiner Herren gestellt.«

»Schalte mal herunter, Prinzessin!«, sagte Goman-Largos Stimme über Helmfunk. »Ich fürchte, POSIMOL ist im Recht. Wir waren wirklich nahe daran, der wahrscheinlich einzigen und beherrschenden Lebensform von Katloch zum Opfer zu fallen. Oh ja, ich habe zuerst auch über die Positronik geschimpft, weil ich mich auf einem göttergleichen geistigen Höhenflug wähnte, aber dann erkannte ich mit Hilfe eines Moduls die Wahrheit.«

»Es gibt keine Wahrheit!«, entgegnete ich.

Doch ich merkte schon selbst, dass ich dieses Argument nur halbherzig vorbrachte, denn allmählich dämmerte auch mir, dass wir beinahe einem raffinierten Angriff zum Opfer gefallen wären.

»Wir müssen Anima helfen!«, sagte der Tigganoi und brachte mich dadurch fast völlig wieder auf den Boden der Realität zurück. »Sie ist immer noch bewusstlos.«

»Ihr müsst noch warten«, erklärte POSIMOL unerbittlich. »Zuerst müssen auch die allerletzten Reste des fremdartigen Lebens von euren Raumanzügen gespült und nach draußen gepumpt worden sein. Diese Substanz hatte sich förmlich in die molekulare Struktur eurer Anzüge gefressen und lässt sich nur mit einem scharfen Lösungsmittel entfernen.«

Ein paar Minuten vergingen, dann war die Prozedur endlich abgeschlossen. Nach einer Desinfektionsdusche wurden die Raumanzüge durch Heißluft getrocknet. Danach erlaubte uns POSIMOL, sie wieder zu öffnen.

Unsere erste Handlung war, Anima aus ihrem Raumanzug zu schälen. Sie hatte das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt. Ihre Gliedmaßen waren starr und verkrümmt. Ich befürchtete das Schlimmste für sie. Aber mein Modulmann beruhigte mich mit dem Hinweis, dass Anima keine gewöhnliche Hominidin war und dass sie sich deshalb bald wieder erholt haben würde.

Wir trugen sie erst einmal in die Zentrale und betteten sie auf einen zurückgeklappten Kontursessel. Nussel behinderte uns dabei, weil er sich jammernd an die Hominidin drängte.

Er beruhigte sich erst dann etwas, als einer der Roboter mit einem Spezialgerät eine medizinische Untersuchung Animas vorgenommen und eine günstige Prognose gestellt hatte.

Da machten auch Goman-Largo und ich es uns gemütlich. Das hieß, er machte es sich gemütlich, indem er sich auf einem Sessel ausstreckte. Ich vermochte diesen Möbelstücken allerdings keinen Reiz abzugewinnen. Aber wenigstens kroch ich aus meiner Schutzhülle, so dass wieder Luft aus erster Hand an meinen Körper kam.

»So!«, machte Goman-Largo erleichtert. »Jetzt berichte mal, POSIMOL! Was hast du über diese gefährliche Lebensform Katlochs herausbekommen?«

»Nicht viel«, antwortete die Bordpositronik. »Sie ist jedenfalls nicht im Sinn der bekannten Definitionen organisch, aber auch nicht anorganisch. Sie ist auch weder echt pflanzlich noch echt tierisch. Sie ist einfach anders als alles, was in mir über Lebensformen gespeichert ist.«

»Aber warum ist sie so völlig anders?«, rief Goman-Largo.

»Das konnte nicht ermittelt werden«, erklärte POSIMOL. »Es gibt nur einen spekulativen Gedankengang, der zur Lösung führen könnte. Eine der drei Sonnen muss eine extrem wirksame Strahlung emittieren.«

»Aber dann sind wir alle noch immer in höchster Gefahr«, erwiderte ich.

»Nein, denn zur Zeit wird Katloch von keiner derartigen Strahlung getroffen«, widersprach POSIMOL. »Wahrscheinlich wird sie nur in Langzeitintervallen frei – oder nur bei der größten Annäherung Katlochs an die betreffende Sonne.«

»Und in all diesen Zeitspannen hat sie jedes Mal zu Mutationssprüngen geführt«, setzte mein Modulmann den Gedankengang fort. »Ihnen folgten dann jeweils Phasen der Selektion, dann krempelten neue Mutationen alles wieder um und schufen immer neue Strukturen und Reproduktionsweisen.«

»Bis die Evolution zu der heute existierenden Lebensform führte«, versuchte ich den Gedanken weiterzuspinnen. »Eine Lebensform, die andere Lebensformen des Selbsterhaltungstriebs beraubt, indem sie ihren Geist dazu verleitet, sich selbst in Gedankenkäfige einzuspinnen – und die dann die Materie dieser Lebensformen in sich integriert. Wäre es nicht faszinierend, Informationen mit dieser Lebensform auszutauschen?«

»Ich fürchte, sie ist nicht an Informationen interessiert, sondern nur an integrierbarer Materie«, gab mein Modulmann zurück. »Unter diesen Umständen halten wir uns besser von ihr fern. Ich schlage vor, wir starten.«

»Ja, starten!«, flüsterte Anima.

Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf die Hominidin.

Sie hatte das Bewusstsein wiedererlangt, und die Starre ihrer Gliedmaßen war verschwunden. Mit Hilfe eines Roboters hatte sie sich aufgesetzt. Aber ihre Augen starrten scheinbar ins Leere.

»Warum rüttelst du sie nicht mal wach, Goman!«, schimpfte ich.

»Sei still, Prinzessin!«, raunte er mir warnend zu. »Wahrscheinlich ›hört‹ sie wieder den Ruf ihres Ritters. Wir dürfen sie nicht stören, damit sie endlich herausfindet, wohin genau wir fliegen müssen, um Atlan zu finden. Ich möchte es hinter mich bringen, denn es wird höchste Zeit, dass ich meine ureigenen Ziele wieder anvisiere.«

»Na, schön!«, pfiff ich.

»Ich komme!«, flüsterte Anima.

Sie erhob sich, wandelte in Trance auf den Eingabesektor der Bordpositronik zu und begann ein Rede- und Antwortspiel mit POSIMOL, das ich schon bald nicht mehr durchschaute.

Für POSIMOL dagegen schien es ein Spiel zu sein, dem sie durchaus etwas abzugewinnen vermochte. Jedenfalls endete es damit, dass sie auf einem Datensichtschirm die Koordinaten des Raumsektors abbildete, aus dem Anima offenbar den Ruf ihres Ritters empfangen zu haben glaubte.

»Anima ist noch nicht wieder voll zurechnungsfähig«, teilte die Positronik dem Tigganoi und mir mit. »Deshalb brauche ich euer Einverständnis, um Kurs auf die abgebildeten Koordinaten nehmen zu können.«

Goman-Largo und ich tauschten einen schnellen Blick.

»Wir sind einverstanden, POSIMOL«, erklärte ich dann.

Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2)

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