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Neithadl-Off

Es war zum Verzweifeln!

Tag für Tag hatte mich Goman-Largo während der letzten Wochen gefragt, wann Anima endlich soweit sei, diesen verwünschten Planeten wieder zu verlassen, damit er seine eigentlichen Ziele weiterverfolgen könne – und heute, wo ich ihn so dringend gebraucht hätte, war er noch nicht ein einziges Mal aufgetaucht.

Ich litt unter Depressionen.

Das war an sich nicht meine Art. Wahrscheinlich hatte Anima mich angesteckt. Oder dieses rätselhafte Wesen namens Guray, dessen Gefühle den ganzen Planeten in eine Aura von Todessehnsucht hüllten.

Als sich die Bodenschleuse vor mir öffnete, nahm ich überrascht den blauen Himmel und den hellen Sonnenschein wahr. Ich streckte meine Sensorstäbchen weit aus, um möglichst viele Eindrücke in mich aufzunehmen, denn ich traute dem Frieden nicht.

Aber es gab keine Anzeichen für im Hinterhalt lauernde Feinde. Alles war ruhig. Nur ganz schwach spürte ich die Vibration von nervöser Unruhe, die in den Dingen von Barquass verborgen war. Dennoch blieben sie nicht ohne Wirkung auf mich. Sie verstärkten meine Depressionen. Es wurde allerhöchste Zeit, dass der Tigganoi zurückkam. Wenn er wieder bei mir war, würde es mir bestimmt gleich besser gehen. Ich wusste das aus Erfahrung.

War es, weil ich ihn liebte?

Ich wies das impulsiv weit von mir. Womöglich verriet ich mich eines Tages noch, wenn ich es zuließ, dass meine Gefühle zu ihm sich ungezügelt entwickelten. Das durfte auf keinen Fall geschehen. Er hatte gelacht, als er mir erzählte, laut seinem uralten Präkognitiogramm gäbe es für ihn nur eine einzige Möglichkeit der Befreiung aus dem Stasisfeld, in das die Agenten des Ordens der Zeitchirurgen ihn gesperrt gehabt hatten.

Eine Parazeit-Historikerin, die sich in ihn verliebte!

Goman-Largo hatte gelacht, weil er seiner Meinung nach für mich so fremdartig war, dass ich mich natürlich nicht in ihn verlieben konnte. Es hatte mir einen grausamen Stich versetzt.

Wie hatte er so an den Realitäten vorbeidenken können?

Schließlich war ich eine Parazeit-Historikerin – und ich hatte mich in ihn verliebt!

Aber sein Lachen hatte es mir für alle Zeiten unmöglich gemacht, ihm meine Liebe zu offenbaren.

Ich konnte schweigen. Nur die Gefühle in mir konnte ich nicht zum Schweigen bringen.

Wo er nur blieb?

Er musste doch die Schiffssirene gehört haben, die ich mit maximaler Lautstärke mehrmals hatte ertönen lassen, um ihn und möglichst auch Anima herbeizurufen. Mir war das Heulen so laut vorgekommen, als könnte man es auch noch auf der gegenüberliegenden Seite des Planeten hören.

Ich aktivierte den Funksektor meines Multifunktionsarmbands und sandte das vereinbarte Rufsignal aus.

Vergebens.

Ich trippelte nervös hin und her.

Es war ganz und gar ungewöhnlich, dass mein Modulmann nicht auf das Rufsignal reagierte. Dass Anima sich nicht meldete, regte mich nicht weiter auf. Sie hatte sich in der letzten Zeit nur ganz selten gemeldet, wenn ich über Funk nach ihr gerufen hatte – und ich hatte ihr Schweigen respektiert, weil ich mich in ihre seelische Verfassung hineindenken konnte. Aber Goman-Largo meldete sich fast immer prompt auf das Signal.

Ich überlegte, ob ich aufbrechen und nach ihm suchen sollte, kam aber zu dem Schluss, dass das wenig Sinn hätte und dass ich lieber im Schiff auf ihn warten sollte.

Da nahmen meine Sensorstäbchen Bewegung am Rand des bis auf die STERNENSEGLER leeren Raumhafens wahr.

Ein großes Huftier mit silbergrauem Fell, weißer Mähne und weißem Schweif übersprang eine Hecke und kam im gestreckten Galopp auf das Schiff zu.

Nussel?

Es dauerte noch eine Weile, bis das Tier nahe genug herangekommen war, so dass ich seine kleine rote »Gesichtsmaske« und das Horn auf seiner Stirn zu erkennen vermochte.

Erst da konnte ich sicher sein, dass es sich wirklich um das Einhorn Nussel handelte.

Immerhin hatte es sich seit unserer letzten Landung auf Barquass nicht blicken lassen – und das lag rund acht Wochen zurück. Ich hatte schon nicht mehr zu hoffen gewagt, dass Nussel überhaupt noch lebte. Er war auf dieser Welt zurückgeblieben, als Goman-Largo, Anima und ich vor einem Dreivierteljahr mit einer Schiffsladung voller Piraten aufgebrochen waren, um ein Treffen mit Atlan herbeizuführen. In dieser Zeit konnte alles mögliche passiert sein. Leider hatten wir damals den legendären Arkoniden verpasst. Aber nichtsdestoweniger war es eine interessante Zeit gewesen – und haarig war es hergegangen, dass mir jetzt noch ganz heiß wurde, wenn ich daran zurückdachte.

Ich stieß einen lauten Pfiff aus.

Nussel warf den Kopf zurück und wieherte, dann fiel er in einen leichten Trab. Unterhalb der Bodenschleuse blieb er stehen, legte den Kopf schief und sah mich treuherzig an.

»Hallo, Prinzessin!«, sagte er.

»Hallo, Nussel!«, erwiderte ich. »Ich dachte schon, die Piraten hätten dich zu Sauerbraten verarbeitet.«

Das Einhorn schnaubte so heftig, dass meine Sensorstäbchen nass wurden.

»Sauerbraten!«, rief es erschrocken. »Das hätte mir aber gar nicht gefallen.«

»Du hättest nichts davon gemerkt«, beruhigte ich es. »Warum lässt du dich erst heute sehen?«

»Ich war unterwegs gewesen«, erklärte Nussel. »Einmal rund um den Planeten herum. Es ist eine interessante Welt – und für eine Zeitlang war es eine verrückte Welt.«

»Ich weiß«, erwiderte ich in Erinnerung an die Zeit der Albträume und Spukerscheinungen. »Hast du etwas Besonderes entdeckt?«

»Eine ganze Menge«, sagte Nussel. »Barquass scheint eine bewegte Geschichte hinter sich zu haben. Aber ich sollte mit meinem Bericht warten, bis wir im Schiff bei Goman-Largo und Anima sind, damit ich nicht alles zweimal erzählen muss.«

»Da muss ich unter Umständen noch lange warten«, gab ich mürrisch zurück. »Weder Anima noch mein Modulmann sind hier. Ich erwarte allerdings, dass Goman-Largo bald zurückkehrt. Auf die Hominidin dagegen werden wir länger warten müssen.«

»Sie sind nicht da?«, fragte Nussel enttäuscht.

Im nächsten Moment spitzte er die Ohren, dann drehte er sich um und blähte die Nüstern.

»Was hast du?«, erkundigte ich mich.

»Anima kommt«, stellte das Einhorn fest. »Ich habe Trittgeräusche gehört und ihre Witterung aufgefangen. Sie muss von dort kommen.« Er senkte den Kopf und deutete mit dem Horn in Richtung der beiden Türme.

Ich streckte die Sensorstäbchen weiter heraus und erhöhte so ihre Empfindlichkeit. Gleich darauf entdeckte ich die Silhouette Animas. Sie kam tatsächlich aus der Richtung, in der die beiden Türme aufragten – und sie näherte sich im Laufschritt.

»Sie hat es eilig«, sagte ich.

»Aber von hier aus kannst du sie doch nicht sehen!«, wandte Nussel ein.

»Ich ›sehe‹ nicht wie du und die meisten anderen Wirbeltiere«, entgegnete ich. »Aber du könntest ihr einen Gefallen tun. Lauf ihr entgegen und lass sie auf dir reiten, falls es dir nichts ausmacht.«

»Es macht mir nichts aus, im Gegenteil«, protestierte Nussel. »Aber warum fliegt sie nicht?«

»Sie hat ihr Flugaggregat nicht mitgenommen«, erklärte ich. »Holst du sie?«

»Ich bin schon unterwegs«, erwiderte Nussel und galoppierte an, dass der Dreck nur so hinter seinen Hufen emporspritzte.

Ich zog mein Aufzeichnungsgerät aus dem Futteral, hielt es mit den Vordergliedmaßen vor die Mundleiste und bewegte es hin und her, während ich einen kurzen Zwischenbericht hineinpfiff.

*

Knapp zwei Minuten später tauchte Nussel, mit der Hominidin auf dem sattellosen Rücken, in einer Lücke der Hecke auf, die den Raumhafen umgab. Er galoppierte, aber viel weicher als sonst. Anscheinend hatte er einen Narren an Anima gefressen. So sehr brauchte er sie wirklich nicht zu schonen. Sie war robuster, als sie aussah.

Ungefähr zehn Meter vor der STERNENSEGLER fiel das Einhorn in einen Trab, und unmittelbar vor mir hielt es an.

Anima schwang sich von seinem Rücken.

»Wir müssen starten!«, rief sie aufgeregt. »Sofort!«

»Sofort?«, echote ich ironisch. »Das ist zu spät. Wir hätten gestern starten können, denn da war der Modulmann hier. Heute ist er schon wieder weg.«

»Was, was?«, fragte Anima verwirrt und aufgebracht. »Heute ist doch nicht gestern, auch nicht für einen Spezialisten der Zeit. Wir müssen jedenfalls schnellstens zu meinem Ritter. Er braucht mich.«

»Aha!«, gab ich zurück. »Hartwig vom Silberberg braucht dich also!«

»Hartmann vom Silberstern!«, korrigierte sie mich. »Aber der braucht mich nicht. Es ist mein Ritter Atlan, der mich gerufen hat. Ich habe es ganz deutlich mit meinem Orbiterinstinkt gespürt.« Sie sprang neben mich in die Schleuse. »Rufe den Tigganoi!«, sagte sie zu mir. »Er muss sofort kommen.«

»Er wird schon kommen«, erwiderte ich verärgert. »Du kannst ihn ja selber rufen. Vielleicht nimmt er von dir Befehle entgegen.«

Aber mein Zorn über den bestimmenden Ton der Hominidin verflog rasch, als ich sah, wie aufgewühlt sie innerlich war.

»Ich habe schon versucht, Goman-Largo über Funk zu erreichen«, teilte ich ihr mit. »Erfolglos. Wenn ich wüsste, wo, dann würde ich ihn suchen. Aber ich habe keine Ahnung, wohin er heute wollte. Er hat jeden Tag woanders auf Barquass herumgestöbert, weil er sich langweilt – und er langweilt sich, weil er aus Rücksicht auf dich auf diesem komischen Planeten geblieben ist, obwohl er dringend seine eigenen Ziele weiterverfolgen müsste.«

Anima lehnte sich mit hängenden Schultern an die Wand der Schleuse.

»Ich verstehe«, erwiderte sie resignierend. »Es tut mir leid, dass ihr wegen mir so lange hier warten musstet. Ich bin euch dankbar dafür.« Ihr Gesicht rötete sich. »Wahrscheinlich war ich in letzter Zeit ein richtiges Ekel. Ich habe euch mehrmals dazu aufgefordert, von Barquass zu verschwinden. Wenn ihr es getan hättet, könnte ich euch nicht einmal böse deswegen sein.«

»Schon gut«, beruhigte ich sie. »Wir haben verstanden, was dich so eklig gemacht hatte – und niemand von uns trägt dir etwas nach. Nur kann ich jetzt meinen Modulmann nicht herbeizaubern – und wenn er auf Funksignale nicht reagiert, müssen wir leider geduldig warten, bis er zurück ist.«

»Das sehe ich ein«, meinte Anima.

»Aber vielleicht gibt es einen Anhaltspunkt dafür, wohin er gegangen sein könnte«, warf das Einhorn ein. »Er hat doch bestimmt irgend etwas zu dir gesagt, bevor er aufgebrochen ist, Neithadl-Off. Denk einmal darüber nach!«

»Ich kann mich an nichts Besonderes erinnern«, erwiderte ich. »Er hat nur gesagt, dass er sich wieder ein bisschen umsehen wollte. Aber das hat er die ganzen letzten sechs Wochen getan, seit es wieder still auf Barquass ist.«

»Die ganzen letzten sechs Wochen«, wiederholte Nussel. »Was hat er denn in dieser Zeit von seinen Exkursionen mitgebracht?«

»Nur Krimskrams«, antwortete ich verdrießlich. »Ein paar Mal hat er mir versprochen, er würde noch einen großen Schatz finden und ihn mir schenken. Aber außer ein paar abgegriffenen Münzen und einigen urtümlichen Waffen – alles wahrscheinlich von den Piraten zurückgelassen – hat er nie etwas mitgebracht. Außer Spinnweben und Staub auf seiner Kombination.«

»Spinnweben und Staub?«, echote Nussel. »Dann ist er wahrscheinlich in alten Gewölben gewesen.« Er schüttelte den Kopf, dass die Mähne flog. »Aber auch die kann es überall auf Barquass geben.«

»Nein!«, sagte Anima hastig. »Nicht solche Gewölbe! Ich meine solche, in denen es echten Staub und echte Spinnweben gibt und die demnach sehr alt sind und vor allem keine Bestandteile Gurays. Davon gibt es meines Wissens auf Barquass nur an einem Ort welche, und das ist in der Stadt der Unauffindbaren.«

Ich horchte auf.

»Unauffindbare?«, wiederholte ich. »Was für Wesen sind das – außer, dass sie unauffindbar sind?«

»Sie sollen den Planeten beherrscht haben, lange bevor EVOLO ihn fand und für seine Zwecke missbrauchte«, berichtete Anima. »Aber sie waren schon verschwunden, bevor VERGALO kam. Von ihnen blieb nur eine subplanetarische Stadt zurück – und VERGALO ließ sie unangetastet, weil er hoffte, ihre Geister damit zu besänftigen. So jedenfalls war es in der emotionalen Erinnerungsflut enthalten, die aus Guray sprudelte, als er spürte, dass EVOLO den Erleuchteten besiegt hat.«

»Er hat also seinen eigenen Schöpfer umgebracht«, stellte ich fest. Aber es interessierte mich nur am Rand. »Goman-Largo stöbert also wahrscheinlich in der Stadt der Unauffindbaren herum. Hoffentlich ist ihm dort nichts passiert. Wie kommt man dorthin, Anima – und wie weit ist es von hier?«

»Nicht weit«, erklärte die Hominidin. »Nur etwa zehn Kilometer. Ich kann euch hinführen, wenn ihr wollt.«

»Und ob ich will!«, gab ich zurück. »Hole deine Ausrüstung aus dem Schiff, dann brechen wir auf!«

»Ich fliege«, versicherte Anima.

Wenige Minuten später waren wir unterwegs ...

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