Читать книгу Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2) - Hans Kneifel - Страница 54
3.
ОглавлениеLinks und Rechts hatten die Produktion der nutzlosen Salbe eingestellt und gingen mir ebenso zur Hand wie Perlmutt. Sehr viel konnten sie dabei allerdings nicht tun, weil ihnen die nötigen Kenntnisse und Erfahrungen fehlten. Es waren Hilfsdienste, die mir jedoch sehr nützlich waren, da ich mich so auf meine eigentliche Aufgabe konzentrieren konnte. Obwohl eine Ansteckung nicht zu befürchten war, trugen die drei Handschuhe und Mundschutz, den Restjue abfällig »Maulkorb« nannte.
Es gibt, grob gerastert, fünf Gruppen von Krankheitserregern: Bakterien, Einzeller, Parasiten, Pilze und Viren. Schon nach ersten Tests schieden Einzeller und Parasiten aus, so dass ich mich auf die restlichen beschränken konnte. Dabei schloss ich die Viren erst einmal ganz aus, weil sich derartige Virusinfektionen im Anfangsstadium meist durch allgemeine Beschwerden auszeichnen – ein Gefühl, krank zu sein, mit Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber und Abgeschlagenheit. Erst nach drei bis fünf Tagen stellt sich dann die eigentliche Erkrankung ein. Die Frage war also: Pilze oder Bakterien?
Ein paar Stunden später wusste ich die Antwort: Bakterien mussten es sein, also legte ich Kulturen an. Unter den gegebenen Umständen war es nicht ganz einfach, ideale Bedingungen zu schaffen, zumal es auch an der nötigen Sterilität mangelte. Prompt wurden auch zwei Proben unbrauchbar.
Eine Staphylokokken-Kultur wurde durch eine Art des Pinselschimmels verseucht, aus dem Penicillin gewonnen wurde, und eine Kultur von Kolibakterien verschwand regelrecht, weil sie das Opfer von Bakteriophagen wurde. Das sind so genannte »Bakterienfresser«, Viren, die auf diese Einzeller spezialisiert sind. Notgedrungen musste ich meine beiden Patienten noch einmal zur Ader lassen.
Dabei stellte ich fest, dass sich die Pusteln etwas vergrößert hatten. Mittlerweile zeigten sich die glasigen Schwellungen auch bei anderen Kaytabern, die immer noch geduldig vor dem Labor ausharrten.
Einmal mehr bedauerte ich, dass ich nicht über Blödels Einrichtungen verfügte. Wie viel leichter, schneller und einfacher wäre es doch mit einem solchen Instrumentarium gewesen.
Als sich meine Helfer spät in der Nacht todmüde zur Ruhe legten, machte ich allein weiter, schließlich benötigte ich keinen Schlaf. Was ich brauchte, war ein Erfolg. Ich musste den Auslöser der Krankheit finden, nur dann hatte ich die Möglichkeit, ein wirksames Medikament zu entwickeln. Und das war ich den Kaytabern schuldig.
*
Seit drei Tagen war ich nicht aus dem Labor herausgekommen. Mehr als einmal hatte ich geglaubt, dicht vor dem Ziel zu stehen, den Durchbruch zu schaffen – und stand dann doch wieder ganz am Anfang. Nie zuvor war ich mir so unwissend und hilflos vorgekommen.
Was möglich und machbar war und was Hoffnung auf Erfolg bot, hatte ich in Angriff genommen, analysiert, kontrolliert, untersucht. Den Erreger hatte ich dennoch nicht gefunden, weder bei den Bakterien noch bei den Viren, denen ich mich notgedrungen zugewandt hatte. Doch konnte es eine Krankheit ohne Krankheitsauslöser geben? Es konnte nicht. Aber was hatte ich übersehen? Ich wusste es beim besten Willen nicht, obwohl ich im Geist immer wieder alles durchging. Niedergeschlagen schob ich das Mikroskop zur Seite.
»Ich bin eine Niete.« Mutlos stand ich auf. »Von mir ist keine Hilfe zu erwarten.«
»So etwas darfst du nicht sagen.« Perlmutt schmiegte sich zärtlich an mich. »Ich vertraue dir.«
»Das ist lieb von dir, aber an meiner Niederlage gibt es nichts zu beschönigen. Ich habe auf der ganzen Linie versagt.«
Die beiden Forscher machten betroffene Gesichter.
»Wie sollen wir den Leuten beibringen, dass wir ihnen nicht helfen können?«, wollte Linque wissen.
»Ich werde es ihnen selbst sagen. Das bin ich ihnen schuldig.«
»Darf ich dich begleiten?«
»Nein, Kleines, bleib im Labor. Ich weiß nicht, wie die Kranken reagieren werden.«
Mit schleppenden Schritten ging ich zur Tür. Ich fühlte mich alt und verbraucht wie ein organisches Lebewesen, das den Tod nahen spürt. Minderwertigkeitskomplexe hatten mich nie geplagt, doch nun kam ich mir dümmer und unwissender vor als ein kleines Kind. Die Speicherinhalte von drei Positroniken waren in mir vereint, über alle medizinischen und biologischen Kenntnisse Blödels konnte ich verfügen, und das Resultat? Ich war nicht einmal in der Lage, einen simplen Krankheitserreger zu finden.
Als ich vor das Haus trat, verstummte das Gemurmel der wartenden Menge, erwartungsvolle Blicke der mehr als vierhundert unter Juckreiz und Pusteln leidenden Kaytaber richteten sich auf mich.
»Ich habe euch etwas zu eröffnen.«
»Traykon hat ein Medikament gefunden!«, brüllte jemand enthusiastisch.
Beschwichtigend hob ich die Hände. Es wurde mucksmäuschenstill.
»Leider nicht. Es ist mir weder gelungen, einen Erreger zu identifizieren noch ein Mittel gegen eure Krankheit zu finden. Das ist die bittere Wahrheit.«
Tonlos verharrten die Versammelten. Diese Stille, die Not und Hoffnungslosigkeit ausdrückte, traf mich mehr als Buhrufe und Tätlichkeiten gegen mich.
»Du kannst also nichts für uns tun?«, fragte eine junge Frau mit einer kirschgroßen glasigen Schwellung am Nacken.
»Nein.«
Ich erschrak vor mir selbst. Dieses »Nein« klang so herzlos und so endgültig wie ein Todesurteil. Hastig setzte ich hinzu:
»Es schmerzt mich selbst sehr, zugeben zu müssen, dass ich machtlos bin, doch warum soll ich euch etwas vormachen? Ich kann euch nicht heilen.«
»Muss ich jetzt sterben?«, wollte ein Knirps wissen.
Ich stand kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Wie weggewischt war das logische Denken, die nüchterne Sachlichkeit, Emotionen überschwemmten mich, Mitleid, Mitgefühl, Anteilnahme. Da stand dieser kleine Kerl, der das Leben noch vor sich hatte, und sprach vom Tod. Nur mühsam fand ich die Fassung wieder.
»Ich glaube nicht, dass du sterben musst. Krankheiten, die tödlich sind, pflegen anders zu verlaufen, aber mit letzter Sicherheit lässt sich so etwas nie sagen.«
Wie billig das klang. War es ein Trost? Nein, ein Trost waren meine Worte nicht, nur ein vager Hinweis, weiter zu hoffen und abzuwarten, ob der Organismus von allein mit dem fertig wurde, was ihm zusetzte. So verstanden es wohl auch die Planetarier, und dennoch rief niemand danach, mich zum Teufel zu jagen oder Hand an mich zu legen.
Die Menge zerstreute sich langsam. Stumm, schicksalsergeben und mit hängenden Köpfen trotteten die Kaytaber, die bei mir vergeblich Hilfe gesucht hatten, zu ihren Wohnungen zurück. Sie taten mir wirklich leid, vor allem die Kinder.
Ich hatte das Bedürfnis, allein zu sein, allein mit mir und meinen Gedanken. Fast unbewusst setzte ich mich in Bewegung und ging die Straße entlang.
Meine Verlautbarung, dass die Krankheit nicht tödlich war, entbehrte streng genommen jeder wissenschaftlichen Grundlage, doch ich wollte die liebenswerten Planetarier nicht unnötig ängstigen. Was ich gesagt hatte, orientierte sich an ärztlichen Erfahrungen. Nur in seltenen Fällen starb jemand an Erkrankungen der Haut, wenn sie unbehandelt blieben. Es gab aber auch Infektionen, die die Haut nur signalisierte, also ein Primäreffekt wie etwa bei der Syphilis.
Das, woran die Kaytaber litten, waren – laienhaft gesagt – Hautgeschwülste. Neunundneunzig Prozent davon sind gutartig, doch es gibt auch den »schwarzen« Hautkrebs, das maligne Melanom. Bevor es endgültig seinen Schrecken verlor – das wusste ich aus Blödels Speichern –, hatte man mit Bestrahlungen und Operationen gute Heilungsergebnisse erzielt.
Nun war nicht offensichtlich, dass es sich um einen Tumor handelte, ich wusste eigentlich nichts über den Erreger, seine Klassifizierung und seine Wirkungsweise. Was sollte ich tun? Das Bedürfnis, ja geradezu die Verpflichtung, helfen zu müssen, war fast übermächtig. Mehr und mehr kristallisierte sich heraus, mangels Wissen und Erkenntnissen zum Stahl zu greifen, um radikal und brutal zugleich das zu entfernen, was dem Körper zusetzte.
Ich musste mit Maronx und Tranoque reden. Sie waren zuerst erkrankt, bei ihnen war der Prozess am weitesten fortgeschritten. Wenn es mir gelang, sie davon zu überzeugen, dass eine Operation notwendig war und zur Heilung führte, hatte ich gute Chancen, den Kaytabern doch noch mit dem Skalpell helfen zu können.
*
Maronx hatte sich meinen Argumenten nicht verschließen können und sich operieren lassen, Tranoque war sogar noch einen Schritt weiter gegangen und hatte die Amputation seiner rechten Ohrmuschel verlangt, die von der glasigen Pustel mittlerweile ganz bedeckt und ohne Fell war. In beiden Fällen verlief der Eingriff ohne Komplikationen, die Wunden verheilten problemlos – es gab keine Entzündung, keine Eiterbildung, keine lokale Infektion.
Vier Tage lang waren meine Patienten mit mir so zufrieden wie ich mit ihnen. Wie es aussah, hatte ich nun den Erfolg als Chirurg, der mir als Diagnostiker und Labormediziner versagt geblieben war. Das stimmte mich zuversichtlich, und schon schmiedete ich Pläne, ein großes Gebäude als Krankenhaus umzufunktionieren, um allen Betroffenen helfen zu können. Inzwischen waren es mehr als neunhundert.
Dass es so viele waren, bedauerte ich, doch es schreckte mich nicht – nicht mehr. Wenn ich genügend freiwillige Helfer hatte – und daran würde es nach den bisherigen Erfahrungen nicht mangeln –, konnte ich pausenlos operieren, vierundzwanzig Stunden am Tag. Die Entfernung der Pustel war harmlos und erfolgte unter örtlicher Betäubung. Ich benötigte nicht mehr als maximal dreißig Minuten, um das befallene Gewebe zu entfernen. Täglich konnte ich also etwa fünfzig Kranke behandeln. Das mochte nach Fließbandarbeit aussehen und einem Hinterherhinken, was die Zahl der neuen Infektionen betraf, aber dem war nicht so. In spätestens einem Monat würde ich die Lage unter Kontrolle haben, vorausgesetzt, die Zahl derer, die neu erkrankten, stieg nicht sprunghaft in die Höhe wie bei einer Seuche. Das war nach den bisherigen Erfahrungen jedoch nicht zu erwarten.
Dann allerdings trat etwas ein, mit dem ich nicht mehr gerechnet hatte – ein Rückfall. Dort, wo die Wunden abheilten und zum Teil vernarbten, zeigten sich neue Befallstellen – die schon bekannte glasige Pustel. Und sie begann wieder zu wachsen, langsam zwar, aber stetig und unaufhaltsam. Ohnmächtig musste ich zusehen, dass das alte Leiden ein neues wurde und seinen Fortgang nahm.
Ich hatte endgültig verloren. Deprimiert hatte ich mich in die Wohnung zurückgezogen, die ich mit Perlmutt teilte. Es war mir kaum ein Trost, dass die Kleine ebenso zu mir hielt wie die Forscher. Kein Kaytaber kündigte mir die Freundschaft, selbst Maronx und Tranoque nahmen meinen Misserfolg weitaus gelassener hin als ich. Eigentlich hätte mich das aufrichten müssen, doch mich beschämten diese Großherzigkeit und das nach wie vor in mich gesetzte Vertrauen eher.
Heilung suchte allerdings niemand mehr bei mir. Mein öffentliches Eingeständnis, nichts tun zu können, hatte die Kranken veranlasst, selbst alles mögliche zu versuchen. Da waren alte Familienrezepte ausgegraben worden, »weise« Frauen hatten die Schwellungen besprochen, Tixudfelle mit angeblich magischer Wirkung wurden zu horrenden Preisen angeboten, Pülverchen, Tinkturen und Pillen mit unappetitlichem Inhalt machten die Runde – alles natürlich ohne Erfolg.
Hoffnung kam bei den Planetariern noch einmal auf, als ich mit dem Skalpell ein positives Ergebnis erzielte. Ich hatte Links und Rechts in Verdacht, in dieser Hinsicht Propaganda gemacht zu haben, dann allerdings sprach sich herum, dass der Erfolg keiner war, und jetzt waren alle Einwohner Yutlamals in heller Aufregung. Wie ich den Funksprüchen entnehmen konnte, galt das auch für andere Siedlungen. Die mysteriöse Krankheit schien den ganzen Globus erfasst zu haben.
Panik lenkte und beherrschte die Kaytaber, Gesunde wie Infizierte. Noch war meine apokalyptische Vision nicht Realität geworden, aber die Anzeichen dafür mehrten sich, dass eine solche Katastrophe eintrat und ein Bruderkrieg unausweichlich war. Wer sich kratzte oder gar eine Pustel hatte, wurde von den anderen Familienmitgliedern isoliert, seine Mahlzeiten bekam er unter den abenteuerlichsten Sicherheitsvorkehrungen gereicht. Man wechselte die Straßenseite, wenn ein Artgenosse auftauchte, der unter Juckreiz litt, persönliche Kontakte verlagerten sich zunehmend in den Äther. Nur ein paar ganz unerschrockene oder besonders profitgierige Händler belieferten die Infizierten, teils mit erheblichen Aufschlägen.
Viele weigerten sich, mit erkrankten Kollegen zusammenzuarbeiten. Fahrer waren nicht bereit, Holprigs zu bedienen, die ein Pustelträger gesteuert hatte. Fast kein Gasthaus, in denen ihnen noch der Zutritt gestattet war, und die Zahl der Verbote nahm ständig zu. Die bedauernswerten Geschöpfe waren fast so etwas wie Unberührbare geworden, die zunehmend vom Gemeinschaftsleben abgekoppelt und in eine Enklave gedrängt wurden.
Inzwischen mochte es in der Stadt zwei- bis dreitausend Kranke geben, eine Minderheit, für die es im historisch gewachsenen Gerüst der Gesellschaft eigentlich keinen Platz gab und die kaum einen Fürsprecher hatten. Dieses so freundliche Volk wurde von der Furcht beherrscht, sich anzustecken, die Angst vor dem Sensenmann ging um. Es war keine Gefahr, die von außen kam und gegen die man sich gemeinsam wehren konnte. Im Gegenteil, die Gefahr ging von den eigenen Artgenossen aus, die Sicherheit und Geborgenheit des Gemeinwesens verkehrte sich in das genaue Gegenteil dieser Art des Zusammenlebens.
Vergeblich zerbrach ich mir den Kopf darüber, wie ich diese Entwicklung aufhalten und die Krankheit stoppen konnte, aber kein erleuchtendes Bit sorgte für einen Geistesblitz. Ich blickte durch die Scheibe nach draußen. Drüben, auf der anderen Straßenseite, standen fast ausschließlich Fachwerkbauten, schmalbrüstige Häuschen, aber sauber, liebevoll gepflegt. In den bunten Butzenscheiben spiegelte sich die Sonne, doch sie schien ihren Glanz verloren zu haben. Oder war das Glas stumpf?
»In den öden Fensterhöhlen wohnt das Grauen.«
Warum hatte meine Positronik jetzt ausgerechnet dieses Schiller-Zitat aus den Speichern abgerufen? Hatte ich es unbewusst getan, vielleicht gewollt? Entsetzt stellte ich fest, dass ich es nicht wusste. Wie war das überhaupt möglich? Die Erinnerung eines Roboters ist lückenlos, Amnesie plagt nur organische Wesen. Verdammt, was war mit mir los?
Bevor ich der Sache auf den Grund gehen konnte, stürmte Perlmutt herein. Aufgeregt sprudelte sie hervor:
»Stell dir vor, die Fremden bieten uns Hilfe an. Sie wollen alle immunisieren, die noch nicht infiziert sind. Ist das nicht großartig?«
»Nein – wenn du die Drillinge meinst«, sagte ich schroffer als beabsichtigt.
»Entschuldige, Traykon, ich wollte dich nicht kränken und deine Arbeit kritisieren, doch sollten wir nicht alles versuchen, was neue Hoffnung gibt?«
»Du weißt, dass ich diesen Vagabunden nicht über den Weg traue. Wären sie Heilkundige, hätten sie das wohl bei ihrer Ankunft erwähnt, und hätten sie lautere Absichten, hätten sie ihre Unterstützung gleich angeboten. Was wollen sie überhaupt tun? Zaubern?«
»Ich weiß es nicht. Jedenfalls haben sie angekündigt, allen zu helfen, die noch nicht erkrankt sind.«
»Woher hast du diese Information?«, wollte ich wissen.
»Von Verisom, meiner Freundin. Ich traf sie beim Kaufmann. Sie war ziemlich überrascht, dass ich davon nichts gehört hatte, denn angeblich weiß es die ganze Stadt.«
»Über Funk wurde es jedenfalls nicht verbreitet«, wandte ich ein.
»Wozu auch? Schließlich ist jeder darüber informiert.«
»Du warst es nicht, und ich ebenfalls nicht. Gibt dir das nicht zu denken?«
»Warum? Wir leben seit ein paar Tagen sehr zurückgezogen.«
»Zugegeben, aber wir haben uns nicht völlig von der Außenwelt abgekapselt. Alle wichtigen Nachrichten empfangen wir per Funk – du mit deinem Gerät ebenso wie ich. Warum hat niemand ein Wort über ein solches Ereignis wie eine Massenimmunisierung verloren?«
»Hast du öffentlich verkündet, die Krankheit heilen zu können?«
»Natürlich nicht, weil ich diesem Anspruch nicht gerecht werden konnte. Ich ...«
»Und trotzdem standen die Befallenen vor dem Labor Schlange, in der Hoffnung, kuriert zu werden. Es war Flüsterpropaganda wie jetzt.«
Was meine kleine Freundin da vorbrachte, war logisch fundiert, trotzdem war ich anderer Ansicht. Einmal abgesehen davon, dass ich den Drillingen nach wie vor misstraute, missfiel mir, mit welchem Eifer sie argumentierte und versuchte, mich zu überzeugen.
»Perlmutt, diese drei Taugenichtse sind Scharlatane. Was sie versprechen, werden sie nicht erfüllen können. Sie sind keine Ärzte.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ein Mediziner, ein Wissenschaftler überhaupt, der in der Lage ist, einen Organismus gegen bestimmte Krankheiten widerstandsfähig zu machen, muss den Erreger und seine Eigenarten kennen, erst dann lässt sich ein geeignetes Medikament entwickeln. Glaubst du wirklich, dass die Drillinge ein solches Mittel haben?«
»Warum nicht?«, sagte sie trotzig. »Ich werde jedenfalls hingehen.«
»Das wirst du nicht.« Allmählich wurde ich ärgerlich. »Nimm endlich Vernunft an. Macht es dich denn nicht stutzig, dass sie nur die Gesunden behandeln wollen? Was ist mit den Kranken, die der Behandlung bedürfen? Warum wird mit keinem Wort erwähnt, dass sie geheilt werden können und sollen? Vorbeugung ist sicher richtig und wichtig, aber man kann die Infizierten doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Kein Arzt würde so handeln.«
»Das ist mir egal. Diese einmalige Gelegenheit werde ich nutzen – ob es dir nun passt oder nicht.«
Sie rannte zur Tür und riss sie auf. Noch bevor sie die Schwelle betreten hatte, war ich bei ihr und hielt sie zurück. Obwohl sie versuchte, mich zu kratzen und zu beißen, ließ ich sie nicht los und zog sie ins Zimmer zurück.
»Perlmutt, was ist denn in dich gefahren? So kenne ich dich ja überhaupt nicht.«
»Lass mich, du tust mir weh.« Sie warf mir ein Schimpfwort an den Kopf. »Wenn du unter Freundschaft brutale Gewalt verstehst, kannst du mir gestohlen bleiben.«
Ein wenig betroffen gab ich sie frei.
»Verstehst du nicht, dass ich dich vor einer Dummheit bewahren will?«
»Nein, es ist Egoismus und Neid. Weil du kein Mittel gefunden hast, gönnst du nun auch den Drillingen nicht den Erfolg.« Sie funkelte mich an. »Ich will nicht krank werden, ich habe Angst vor diesen unheimlichen Pusteln. Und deshalb werde ich gehen.«
Erneut versuchte sie, mir zu entwischen, aber mein robotischer Körper war an Kraft und Schnelligkeit jedem Kaytaber weit überlegen. Mit einem raschen Sprung verstellte ich ihr den Weg und fing sie mühelos mit den Armen auf. Sie zappelte und tobte wie eine Verrückte, schlug um sich und war keinen Argumenten mehr zugänglich.
Ich sah nur noch eine Möglichkeit, um sie ruhigzustellen: Ich musste sie betäuben. So schleppte ich sie trotz ihres Widerstands zu der Truhe, auf der ein Teil meiner medizinischen Ausrüstung lag und gab ihr eine Spritze. Die Injektion wirkte sofort. Perlmutts Geschrei verstummte, die Muskeln erschlafften.
Vorsichtig bettete ich meinen kleinen Liebling auf mehrere Matten, damit der Körper nicht auskühlte, und verließ das Haus. Ich brauchte nicht zu befürchten, dass Perlmutt mir folgte, denn die Narkose würde gut und gerne vier Stunden anhalten. Bis dahin würde ich längst zurück sein.
*
Wie Perlmutt schienen auch die anderen Einwohner Yutlamals den Verstand verloren zu haben. Scharenweise strömten die Massen zu den drei Fremden, nicht einen einzigen Planetarier konnte ich zur Umkehr bewegen.
Es gelang mir, die Versammlung heimlich zu beobachten. Was sich dort abspielte, war mehr als merkwürdig und erinnerte mich an Massensuggestion und finstere Magie. Mit Medizin und Schutzimpfung hatte es jedenfalls nicht das geringste zu tun. Die Drillinge taten – nichts. Schlicht und einfach erklärten sie den Anwesenden:
»Ihr seid nun immun. Geht zurück in eure Häuser, eurem Glück steht nichts mehr im Wege.«
Das war nun wirklich starker Tobak. Auch dem Naivsten musste aufgehen, dass man mit diesen albernen Worten keine Krankheit bannen konnte, doch die von Furcht vor Ansteckung gepeinigten Kaytaber schienen den Unsinn zu glauben. In ihrer Not klammerten sie sich an jeden Strohhalm. Ich las Hoffnung und Zuversicht in ihren Gesichtern, als sie sich auf den Heimweg machten. Wie ich festgestellt hatte, litten die Drillinge nicht unter Juckreiz und ließen nicht erkennen, dass sie selbst erkrankt waren. Aber reichte das eigene positive Beispiel wirklich aus, um die Leute zu beeindrucken, da doch auch die große Mehrzahl der Kaytaber zu den Gesunden zählte? Offensichtlich war das der Fall, denn niemand stellte eine kritische Frage.
Wenige Stunden später wusste ich, dass mein Misstrauen gerechtfertigt war: Die gutgläubigen Städter, die diesen Gauklern vertraut und zugehört hatten, zeigten gleich reihenweise die bereits bekannten Symptome.
»Traykon, du hast mich vor einer Riesendummheit bewahrt«, stammelte Perlmutt überglücklich. »Verzeih, dass ich mich so schlecht benommen und dir so hässliche Dinge gesagt habe, aber ich war verrückt vor Angst. Und als du mir dann verboten hast, Hilfe zu finden, habe ich durchgedreht. Es tut mir leid.«
»Schon gut, meine Kleine, jetzt gilt es, zu handeln.« Meine alte Entschlusskraft war zurückgekehrt, kein Zweifel plagte mich mehr. »Ich werde die drei Halunken stellen, so wahr ich Traykon heiße.«