Читать книгу Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2) - Hans Kneifel - Страница 62

2.

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Du solltest zu Atlan zurückgehen und ihm irgend etwas sagen, mahnte ihn eine innere Stimme. Du kannst ihn nicht einfach so stehen lassen. Dir würde es auch nicht gefallen, wenn er so etwas mit dir machte.

Mrothyr stützte seinen Fuß gegen einen Müllcontainer, um die Verschnürung seiner Stiefel, die aus seidenweichem Leder bestanden, festzuziehen.

Er vernahm ein Geräusch hinter sich und wollte über die Schulter zurücksehen.

In diesem Moment traf ihn ein Schlag am Hinterkopf. Er stürzte nach vorn und spürte noch, dass er mit der Stirn gegen den Müllcontainer prallte. Dann wurde es dunkel um ihn.

Als er wieder zu sich kam, brauchte er lange, um sich zurechtzufinden. Sein Kopf schmerzte, und er wusste nichts mit dem anzufangen, was er sah. Über ihm befand sich eine Decke, die aus gemasertem Holz zu bestehen schien. Links und rechts von ihm erhoben sich Wände, die mit zahllosen Einkerbungen versehen waren, die nach keinem System vorgenommen worden zu sein schienen. Sie erinnerten ihn an die Schulbänke, auf denen er als Kind gesessen hatte. An diesen hatte er im Unterricht herumgeschnitzt, weil ihm die Vorträge der Lehrer zu langweilig gewesen waren.

Er hatte sich nie für die Vorträge begeistern können, in denen es um die scheinbare Wahrheit und die Wahrnehmung gegangen war. Quälend lang waren ihm die Stunden erschienen, in denen Crahstor, ein alternder, phlegmatischer Lehrer, dem ständig die Haare ausgingen, sich über dieses Thema ausgelassen hatte. Wo war der Unterschied zwischen dem, was man sah, und dem, was man sehen wollte? Er war schon als Kind eine pragmatische Persönlichkeit gewesen, die es als lästig empfunden hatte, sich mit derartigen Problemen zu befassen.

Später hatte er eingesehen, dass derartige Fragen wichtig waren, und dass man nicht einfach über sie hinweggehen konnte.

Wie komme ich ausgerechnet jetzt darauf?, wunderte er sich.

Dann fielen seine Blicke wieder auf die Runen, Kerben und Einschnitte, die wie Schnitzereien aussahen.

Wo bin ich?

Er stand auf, und erst jetzt merkte er, dass eine Stahlkette von seinem rechten Arm zu einem Ring an der Wand führte. Er zerrte unwillkürlich daran, bis ihm bewusst wurde, dass er sie auf diese Weise nicht brechen konnte.

Der Lehrer hatte ihn bei den Schnitzereien überrascht, und er hatte die Hand gegen ihn erhoben, um ihn zu schlagen, aber er hatte seine Absicht nicht verwirklicht. Seine Hand war nach unten gesunken, und Crahstor war vor ihm zurückgewichen.

Mrothyr glaubte, seine Stimme zu hören.

»Wie siehst du mich an?«

Er hatte das Messer zusammengeklappt und in seiner Tasche verschwinden lassen, ohne seine Blicke von dem Pädagogen zu wenden.

»In dir schlummert das Böse, Mrothyr! Irgendwann wird es aus dir hervorbrechen und stärker sein als du.«

Er hatte die Hand erneut erhoben, aber er hatte nicht zugeschlagen. Er hatte es nicht gewagt.

»Du wirst dich nie einer Autorität beugen.«

»Nein. Nur einer Überzeugung.«

Das hatte den Lehrer fassungslos gemacht. Er war an sein Pult zurückgekehrt und hatte versucht, den Unterricht fortzusetzen. Es war ihm nicht gelungen. Er war sich seines Versagens bewusst geworden, und er war genügend Persönlichkeit gewesen, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Zumindest für diese Stunde.

Mrothyr ließ sich auf den Boden sinken. Er verspürte ein leichtes Vibrieren.

Ich bin an Bord eines Raumschiffs, erkannte er. Und ganz sicher bin ich nicht mehr auf Aklard.

Wer hatte ihn entführt? Und warum?

Zwischen den Runen und Spalten blitzte etwas auf. Der Zyrpher stutzte, blickte genauer hin und entdeckte die winzige Linse.

Irgend jemand beobachtete ihn.

»Nun los doch«, sagte er und hob die gefesselte Rechte. »Wie viel Angst muss man haben, um mich auf diese Weise zu fesseln? Wir sollten miteinander reden.«

Crahstor war nicht der einzige gewesen, der sich seinen Blicken gebeugt, der es nicht gewagt hatte, ihn zu schlagen.

Etwa eine Stunde verstrich. Mrothyr blieb stehen. Er hielt die Arme vor der Brust verschränkt und blickte unverwandt in die Linse, so als wüsste er genau, dass er durch sie eine Verbindung zu dem Wesen hatte, das ihn auf Aklard überfallen und von dort entführt hatte.

Dann plötzlich flog die Tür auf. Sie schoss förmlich zur Seite, und ein humanoides Wesen trat ein, das nur wenig kleiner war als er.

Es hatte lange, dürre Beine, erstaunlich kurze Arme und einen hammerförmigen, weit nach vorn vorspringenden Kopf mit kegelförmigen, blauen Zähnen und winzigen, roten Augen. Mrothyr hatte nie ein Wesen dieser Art gesehen, und er wich unwillkürlich vor ihm zurück, obwohl er sich nicht fürchtete.

Der Fremde trug einen eng anliegenden grünen Anzug mit großen, weit ausgebeulten Taschen, in denen er offenbar allerlei Dinge verstaut hatte. Wortlos löste er die Kette vom Handgelenk Mrothyrs. Dann kehrte er zur Tür zurück.

»Wir sind gleich auf dem Planeten Evutuum«, erklärte er. »Dort werden wir dich absetzen.«

»Wozu?«, fragte der Zyrpher. »Was soll das? Weshalb bringt ihr mich dorthin?«

»Alle Fragen finden irgendwann eine Antwort«, erwiderte das Wesen vieldeutig.

»Nicht irgendwann. Ich will es jetzt wissen.«

Der Fremde verließ den Raum, ohne die Tür hinter sich zu schließen, und Mrothyr folgte ihm bis in die Zentrale. Hier saß ein zweites Wesen, und als er dieses sah, erlitt er einen Schock.

Es sah ebenso aus wie er und trug sogar die blau-grün gestreifte Fellmütze mit dem orangefarbenen Schweif. Er hörte, dass sich dieses Wesen als Mrothyr ausgab und über Bildfunk mit jemandem sprach, und es dauerte einige Sekunden, bis er begriff, dass der Gesprächspartner die STERNSCHNUPPE war.

Seine Kopie behauptete, auf dem Weg nach Zyrph zu sein und bald von dort wieder nach Aklard zurückzukehren.

Mrothyr stand wie angewurzelt am Eingangsschott der Schleuse. Er versuchte etwas zu sagen, aber er brachte die Lippen nicht auseinander. Dann wollte er zu dem anderen hingehen, der seine Rolle spielte, aber er konnte die Füße nicht vom Boden lösen. Das Wesen mit dem hammerförmigen Kopf richtete ein blitzendes Instrument auf ihn und fesselte ihn damit offensichtlich an seinen Platz. Erst als das Bildfunkgespräch beendet war, senkte sich das Instrument, und Mrothyr konnte sich wieder bewegen.

Fassungslos beobachtete er, wie das Wesen am Bildfunkgerät sich veränderte. Die Fellmütze verschmolz mit dem Kopf, der nun allmählich hammerförmig wurde. Der Körper wurde schlank und schmal, bis der Fremde jenem anderen bis aufs Haar glich, der ihn aus der Kabine geholt hatte.

»Glaube nur nicht, dass du es mit uns beiden aufnehmen kannst«, warnte das Wesen, das sich dergestalt verwandelt hatte. »Du würdest tot sein, bevor du uns berührt hast.«

»Wer seid ihr?«, fragte der Zyrpher.

»Mein Name ist Kiart«, antwortete das Wesen am Bildfunkgerät.

»Und meiner ist Taleda«, stellte das andere sich vor.

Mrothyr setzte sich in einen Sessel, der neben dem Schott stand. Er hatte das Gefühl, sich nicht mehr auf den Beinen halten zu können.

*

Das Raumschiff landete auf einem Raumhafen, der mitten in einem tropischen Urwald lag. Die Luft sah rot aus – ebenso wie die Bäume und die Betonpiste, wie die beiden fremden Wesen und wie Mrothyr auch. Über den Himmel zogen dunkelrote Wolken, aus denen es rot herabregnete.

»Die Luft ist erfüllt von winzigen, roten Pflanzen«, erläuterte Kiart, während sie ungeschützt durch den strömenden Regen zu einem kastenförmigen Gebäude hinübergingen. »Diese Pflanzen schweben überall in der Luft. Sie bewirken, dass hier alles rot aussieht.«

Als sie das Gebäude erreichten, waren sie vollkommen durchnässt, doch Kiart und Taleda schien das nicht zu stören. Sie führten den Zyrpher zu einer Nische, in der ein Gleiter parkte, und sie bedeuteten ihm, einzusteigen. Sie verriegelten die Tür, als er in der Maschine saß, wandten sich dann grußlos ab und kehrten zu ihrem diskusförmigen Raumschiff zurück. Mrothyr beobachtete, wie es startete und hell aufleuchtend in den Wolken verschwand. Er rüttelte an den Verschlüssen der Tür, ohne sie öffnen zu können. Er versuchte, die Scheiben zu zerschlagen, aber auch das gelang ihm nicht. Resignierend ließ er sich in die Polster zurücksinken und beschloss, auf das zu warten, was kommen musste.

Etwa eine halbe Stunde verstrich, dann sprang der Antigravmotor leise pfeifend an, und die Maschine schwebte in die Höhe. Sie glitt über das Raumhafengebäude hinweg, beschleunigte dann plötzlich und flog nach Norden. Dabei raste sie so dicht über die Bäume hinweg, dass der Zyrpher einige Male fürchtete, sie würde mit den Wipfeln zusammenprallen.

Mrothyr blickte nach unten. Er sah exotische Tiere von beachtlicher Größe, die sich durch weite Sümpfe und über die Lichtungen im Dschungel bewegten. Immer wieder fragte er sich, was er hier sollte, ohne eine Antwort zu finden. Es schien keine vernünftige Erklärung für das zu geben, was ihm widerfahren war.

Der Flug dauerte etwa eine halbe Stunde. Dann erreichte die Maschine mehrere Gebäude, von denen jedes etwa zwei zweihundert Meter lang, fünfzig Meter breit und achtzig Meter hoch war. Keines von ihnen hatte Fenster. Ihre Außenflächen waren rau und uneben, so dass sie beim flüchtigen Hinsehen großen Felsquadern glichen. Der Gleiter flog durch einen Torbogen und landete dann in einer Parknische. Ein Schott schloss sich hinter ihm, und dann öffnete sich die Tür.

Mrothyr stieg aus.

Eine Tür öffnete sich, und ein koalabärenähnliches Wesen – ein Kaytaber – zielte mit einer Kombitraf auf ihn. Der Bewaffnete hatte ein hellblaues, seidiges Fell. Er stand auf seinen Hinterbeinen, schien jedoch Mühe zu haben, die Balance zu halten.

»Schön langsam«, sagte er. »Ich bin etwas nervös, und ich könnte schießen.«

Mrothyr ging an ihm vorbei in eine Halle hinein, die nahezu das gesamte Gebäude einnahm. In ihr befand sich eine ihm völlig unbekannte Maschine, die sich aus zahllosen metallisch blitzenden Einzelteilen zusammensetzte. Während er durch die Halle zu einer am entgegengesetzten Ende liegenden Treppe geführt wurde, sah er weder ein anderes Wesen noch Roboter. Die Maschine – was auch immer sie darstellen mochte – brauchte offenbar keine Bedienung und Wartung.

»Das ist für mich neue Technik«, sagte er zu dem Kaytaber. »Was ist das? Was macht die Maschine?«

»Sie macht mich vor allem nervös«, erwiderte das bärenähnliche Wesen, das nun auf allen vieren lief, die Waffe jedoch nicht aus der Hand gelegt hatte. »Geh lieber weiter. Ich könnte schießen. Was ich nicht will.«

Mrothyr stieg die Treppe hinunter. Er erwog, sich auf den Kaytaber zu werfen und ihn zu entwaffnen, schob diesen Gedanken jedoch wieder zur Seite, da er nicht wusste, ob er von anderen Wesen beobachtet und überwacht wurde. Er war entschlossen, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zu fliehen, bis dahin aber brauchte er Informationen. Es wäre wenig sinnvoll gewesen, einfach wegzulaufen, solange er nicht wusste, wohin er sich wenden sollte und was danach geschehen würde.

Eine Tür am Ende der Treppe öffnete sich, und er ging hindurch in einen Raum, der etwa fünfzig Meter lang und vierzig Meter breit war. Auf einfachen Liegegestellen ruhten etwa zweihundert Gefangene. Es waren Wesen der unterschiedlichsten Art. Mrothyr sah mehrere Zyrpher unter ihnen und bemerkte zu seinem Erstaunen auch zwei Ligriden und einen Naldrynnen. Die anderen waren überwiegend humanoide Wesen, die unbekannten Völkern entstammten.

Nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, ging er zu den Zyrphern hinüber, um mit ihnen zu reden, fand jedoch keine Beachtung. Sie blickten lethargisch vor sich hin und reagierten nicht auf seine Worte. Er packte einen von ihnen an der Schulter und riss ihn herum.

»Was ist los mit dir?«, fragte er.

»Nichts«, antwortete der andere. »Lass mich in Ruhe. Setz dich auf ein freies Bett und warte. Etwas anderes kannst du nicht tun.«

»Wie kommst du hierher?«

»Man hat mich entführt. Von Zyrph. Aber das war schon vor längerer Zeit.«

»Was heißt das: Längere Zeit?«

Der andere zuckte nur gleichmütig mit den Schultern. Mrothyr wandte sich den anderen Zyrphern zu, hatte bei ihnen jedoch auch nicht mehr Erfolg. Sie waren lethargisch und zeigten nicht das geringste Interesse. Darin unterschieden sie sich nicht von den anderen Gefangenen, ganz gleich, welchem Volk diese entstammten. Wer hier unten war, schien jeden Lebensmut verloren zu haben.

Schließlich fiel ihm ein Daila auf, der spöttisch lächelnd an der Wand lehnte und die Arme vor der Brust verschränkte.

»Wer bist du?«, fragte er und setzte sich zu ihm auf das Liegegestell.

»Zwiswurs«, antwortete der Daila. »Du bist bemerkenswert aktiv, aber das gibt sich.«

»Das glaube ich kaum.«

»Wir waren alle so wie du. In den ersten Stunden unserer Gefangenschaft waren wir alle aktiv, unruhig und voller Ungeduld. Sobald dir aber bewusst wird, dass du nichts anderes tun kannst als warten, wirst auch du ruhig werden.«

»Wie lange wartest du schon?«

»Ich habe die Tage nicht gezählt, aber es werden ungefähr hundert sein. Viele von uns sind schon länger hier:«

»Und worauf wartet ihr?«

»Dass etwas geschieht.«

»Aber bis jetzt ist nichts geschehen?«

»Nein.«

»Was ist das für eine Maschine da oben?«

»Sie nennen es das Psisintrant.«

»Und was ist ein Psisintrant?«

»Das weiß niemand von uns.«

»Du bist wirklich bemerkenswert, Zwiswurs. Könntest du mir auch mal eine Information geben, ohne dass ich dich danach fragen muss?«

»Ich weiß nichts, was wichtig für dich sein könnte.«

»Wie viele Wachen gibt es? Haben wir es nur mit Kaytabern zu tun? Wieso sind Ligriden und ein Naldrynne unter den Gefangenen? Habt ihr schon mal versucht, auszubrechen? Du siehst, es gibt eine Menge von Fragen.«

»Von denen ich dir keine beantworten kann, weil ich selbst zu wenig weiß. Aber vielleicht interessiert dich, dass ich ein Mutant bin?«

»Und das hat dir nicht geholfen?«

»Ich habe immer wieder Phasen, in denen meine besonderen Fähigkeiten versagen. Aber es gibt auch Phasen, in denen ich sehr stark bin. Es hat keinen Sinn, auszubrechen. Ich habe es versucht, als ich stark war, aber dann folgte sogleich wieder eine Schwächephase, und alles war vorbei.«

Er lächelte, als sei ihm ein überraschender Gedanke gekommen.

»Ich warte eigentlich nur noch auf meinen Tod«, gestand er. »Darin unterscheide ich mich nicht von den anderen.«

»Ihr müsst doch wissen, welchen Sinn eure Gefangenschaft hat«, drängte der Zyrpher. »Wieso entführt man euch von anderen Planeten hierher, wenn danach nichts geschieht?«

»Das ist eben das Rätsel, das bisher noch niemand lösen konnte.«

Zwiswurs lächelte erneut.

»Es hat Spaß gemacht, sich mit dir zu unterhalten«, sagte er dann und schloss die Augen. Damit gab er Mrothyr zu verstehen, dass ihr Gespräch nun zu Ende war. Der Zyrpher erkannte, dass er nichts mehr erfahren würde. Er ging zu einem freien Liegegestell, ließ sich darauf sinken und schlief gleich darauf ein.

*

Mrothyr erwachte, als sich ein Zyrpher über ihn beugte und die Hand nach ihm ausstreckte. Er packte die Hand und hielt sie fest. Drohend leuchtete es in seinen gelben Augen auf.

Erschrocken fuhr der andere zurück.

»Keine Angst«, sagte er hastig. »Ich hatte nicht vor, dir irgend etwas wegzunehmen.«

»Dann solltest du dich nicht an mich heranschleichen, wenn ich schlafe.«

»Alle neuen Gefangenen legen sich zum Schlafen hin, und wenn sie nach etwa zehn Stunden wieder aufwachen, ist ihre Lebenskraft gebrochen. Sie sind lethargisch und ohne Mut.«

»Wie lange habe ich geschlafen?«

»Nur eine Stunde.«

Mrothyr setzte sich aufrecht. Er fühlte sich müde und zerschlagen, und er hätte sich am liebsten wieder hingelegt, um weiterzuschlafen.

»Du scheinst deine Lethargie überwunden zu haben.«

»Meine Freunde haben mich nicht schlafen lassen. Jedenfalls in den ersten Tagen nicht. Und ich bin noch nicht lange hier. Höchstens vier Wochen. Ich war vor dir der letzte Gefangene, der hierher gebracht wurde.«

Er legte beide Hände auf die Oberschenkel und schloss die Augen.

»Mein Name ist Doyrirkhra.«

»Du bist ein Wonko, nicht wahr? Du kommst aus dem fernen Nordosten von Zyrph.«

Der Wonko lächelte.

»Das ist deine Sicht«, antwortete er. »Wir Wonko sehen das anders. Für uns ist die Insel, auf der wir leben, der Pol, um den die Sonne kreist, der Mittelpunkt des Universums.«

Er setzte sich neben Mrothyr auf die Liege und beugte sich zu diesem hinüber.

Du kannst ihm vertrauen, klang ein Gedanke in dem Freiheitskämpfer auf. Verwundert blickte er auf. Er sah, dass Zwiswurs, der Daila, auf seinem Bett stand, beide Hände gegen den Kopf gelegt hatte und zu ihm hinüber lächelte.

Du?

Ja, ich, antwortete der Mutant. Ich habe eine Aktivphase. Und ich wiederhole: Du kannst ihm vertrauen. Er meint es ehrlich, und er ist mutig.

Danke.

»Du hörst mir ja gar nicht zu«, sagte Doyrirkhra.

»Verzeih mir«, entgegnete Mrothyr. »Ich war eben mit meinen Gedanken woanders. Bitte, wiederhole deine Worte. Sie interessieren mich wirklich.«

»Ich habe nicht vor zu warten, bis es zu spät für mich ist«, erklärte der Wonko. Mrothyr sah, dass er auf den oberen Lidern jeweils drei helle Striche hatte. Es war das Zeichen der Apahava-Priester, jener Religionsführer, die länger als alle anderen für die Freiheit Zyrphs und gegen die Naldrynnen gekämpft hatten, bis man ihnen endlich einen Sonderstatus eingeräumt hatte. Mrothyr hatte nie verstanden, dass sie sich mit diesem Sonderstatus zufriedengegeben und ihren Kampf um Zyrph eingestellt hatten. Er hätte niemals auf halber Strecke aufgegeben.

»Das überrascht mich nicht«, erwiderte er. »Wenn das rote Einhorn auf der Kuppe des Berges im Licht der Morgensonne erscheint, erheben sich die Helden, um die Nebel zu teilen.«

Doyrirkhra blickte ihn überrascht an.

»Du kennst die Eratharka, die große Dichtung unseres Volkes?«

»Jeden Vers.«

Der Wonko streckte ihm spontan die Hand entgegen.

»Vielleicht habe ich dich falsch eingeschätzt«, sagte er. »Vorhin, als du aus dem Schlaf aufschrecktest, dachte ich, dass du abgrundtief böse bist. Als du mich angesehen hast, glaubte ich, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Jetzt weiß ich, dass du auch ein Mann des Geistes bist. Wer die Eratharka vollständig gelesen hat, muss ein Mann von großer Einfühlsamkeit sein.«

»Das Lied deines Volkes preist die Männer, die nicht aufgeben«, bemerkte Mrothyr.

Die Augen Doyrirkhra verdunkelten sich.

»Ich verstehe dich«, sagte er. »Du verurteilst uns, weil wir uns mit den Naldrynnen arrangiert haben.«

»Diese Lösung entsprach nicht ganz dem Geist der Eratharka.«

»Ich weiß. Dennoch haben wir diesen Kompromiss geschlossen, weil wir auf andere Weise unsere Heiligtümer, die Tempel von Yora, nicht hätten retten können. Die Naldrynnen wollten sie zerstören.«

»Ich weiß nicht, wie ich mich in diesem Fall entschieden hätte«, gestand Mrothyr. »Ich gebe zu, dass mir kein Urteil zusteht.«

»Wer bist du?«

Er nannte seinen Namen, und die Augen Doyrirkhras weiteten sich.

»Das bist du?«, staunte er. »Ich habe viel von dir gehört. Auf der Insel wird viel von deinen Taten gesprochen. Wusstest du, dass man dich dort verehrt?«

»Die Wonko haben schon immer etwas übertrieben.«

Der Priester lachte.

»Du gefällst mir. Zusammen mit dir werde ich von hier fliehen, wenn du willst.«

Er erklärte, dass zwei weitere Zyrpher mitmachen wollten, und dass diese ihre Lethargie nur vorgetäuscht hatten, da sie gefürchtet hatten, es mit einem Spitzel zu tun zu haben.

»Hast du einen Plan?«, fragte Mrothyr. »Weißt du, wie wir fliehen können?«

»Leider nicht. Wir haben keinerlei Informationen über das, was außerhalb dieses Raumes vorgeht. Wir werden grundsätzlich nicht nach draußen geführt. Ein Robotwagen bringt uns das Essen. Er wird stets von dem gleichen Kaytaber begleitet. Diesen müssen wir überwinden. Aber das wird schwer. Er ist auf der Hut, und er schießt sofort, wenn er sich in Gefahr glaubt. Ich habe gesehen, dass er einen Mann erschossen hat, der sich nach seinem Löffel bückte, als ihm dieser heruntergefallen war. Offenbar glaubte er an einen Trick.«

»Ich habe in dieser Hinsicht einige Erfahrung«, lächelte Mrothyr. »Ich werde mir ansehen, was abläuft, wenn das Essen gebracht wird. Und dann werde ich mir etwas ausdenken.«

»Es ist gleich soweit. Nur noch wenige Minuten. Siehst du? Viele stehen schon auf.«

Mrothyr erhob sich und ging bis in die Nähe der Tür. Als er noch etwa zehn Schritte davon entfernt war, glitt sie zur Seite, und ein etwa anderthalb Meter hoher Metallkasten rollte herein. In der offenen Tür richtete sich der Kaytaber auf. Er hielt einen schweren Kombitraf in der Hand und zielte damit auf den Freiheitskämpfer.

»Ich weiß, was in deinem Kopf vorgeht«, erklärte er. »Vergiss das lieber. Es ist besser für dich. Vor allem lebst du länger, wenn du auf einen solchen Unsinn verzichtest.«

»Ich habe Hunger. Das ist alles«, erwiderte der Zyrpher.

Das bärenähnliche Wesen lachte schrill.

»Die Neuen sind alle gleich«, behauptete er. »Es wäre besser, wenn du schlafen würdest. Lange schlafen!«

Sei vorsichtig, klangen die Gedanken von Zwiswurs in ihm auf. Der Kerl ist in einer grauenhaften Stimmung. Er sucht nur nach einem Vorwand, um einen von uns zu erschießen. Wenn du dich nicht vorsiehst, bist du sein Opfer.

Danke, antwortete Mrothyr. Er zog sich einige Schritte weit zurück und wartete ab, bis sich die meisten ein Essen geholt hatten. Dann erst stellte er sich an und ließ sich von dem Roboter eine Schale mit einer dampfenden Flüssigkeit reichen.

Plötzlich wusste er, was er tun musste.

Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2)

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