Читать книгу Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2) - Hans Kneifel - Страница 64

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Ein tief eingeschnittenes Tal lag vor ihm, und die seltsam vertrauten Gedanken waren wieder in ihm.

Mrothyr hatte sich mehrere Stunden lang über den Damm vorangekämpft. Dann war die Nacht hereingebrochen, und er war auf einen Baum geklettert, um im Geäst zu schlafen. Die vielfältigen Rufe von unbekannten Tieren hatten die Nacht erfüllt und ihn immer wieder aufgeschreckt. Einige Male waren offenbar große Bestien in seiner Nähe erschienen und hatten nach ihm gesucht. Eine hatte am Baum gerüttelt und versucht, ihn auf diese Weise herunterzuholen.

Als der Morgen endlich heraufgezogen war, hatte er den Baum verlassen und war weitergegangen, bis er dieses Tal erreichte.

Eine eigenartige Nebelwolke lag in dem Tal. Sie war nicht rötlich wie der Nebel sonst auf diesem Planeten, sondern makellos weiß. Sie passte nicht zu ihrer Umgebung.

Es ist kein Nebel, durchfuhr es den Zyrpher. Es ist etwas ganz anderes.

Er verspürte einen inneren Zwang, der ihn zum Umkehren bewegen wollte, aber er unterwarf sich ihm nicht, sondern ging weiter.

In dieser weitgehend sumpfigen Landschaft hatte er kein so tief eingeschnittenes Tal erwartet. Hätte es nicht mit Wasser und Morast gefüllt sein müssen?

Er ging weiter, und je näher er der Nebelwolke kam, desto stärker wurde das Verlangen in ihm, umzukehren und wegzulaufen. Es war, als ob die Wolke ihm unsichtbare Arme entgegenstemmte und ihn zurückdrängen wollte.

Plötzlich glaubte er, einen Turm vor sich zu sehen, der sich aus dem Dschungel erhob, und an dem Millionen von ameisenähnlichen Wesen arbeiteten. Die winzigen Geschöpfe schleppten Baumaterial aller Art an dem Turm nach oben, um ihn höher und höher zu bauen. Der Turm war das mächtigste Bauwerk, das er je gesehen hatte, aber den Ameisen schien er noch immer nicht groß genug zu sein.

An einigen Stellen war das Bauwerk brüchig. Mrothyr sah, dass der Wind daran zerrte und Staubpartikel daraus hervorwirbelte, während die ameisenähnlichen Geschöpfe fieberhaft daran arbeiteten, die schadhaften Stellen zu reparieren. Sie stopften die Löcher, die sich bildeten, schienen ihm jedoch nicht schnell und erfolgreich genug zu sein, denn während sie das Bauwerk an einer Stelle in Ordnung brachten, löste es sich an anderer Stelle wieder auf.

Doch ihr Ehrgeiz trieb sie voran, ließ sie blind werden für das wahre Ausmaß der Schäden. Es war abzusehen, dass der Turm sich nicht halten würde.

Mrothyr fuhr sich mit den Händen über die Augen, und dann sah er nur noch den weißen Nebel. Der Turm war verschwunden.

Der Nebel lebte!

Der Freiheitskämpfer spürte es überaus deutlich, und er ahnte, wer sich hinter diesem Nebel verbarg.

Er glaubte Stimmen zu hören. Das Wesen, das sich ihm als Nebel zeigte, war nicht allein. Es gab andere, die von ihm abhängig waren, die kaum mehr als Ableger von ihm waren, und die mit ihm kommunizierten, ohne dass er sie verstehen konnte.

»Wer bist du?«, rief Mrothyr laut. »Ich will es von dir hören. Heraus damit!«

Er glaubte, ein spöttisches Lächeln zu vernehmen. Eine Stimme klang in ihm auf, die er auch jetzt nicht verstand, die aber so deutlich war, dass er sich unwillkürlich umsah, weil er glaubte, dass jemand hinter ihm oder sonst irgendwo in seiner unmittelbaren Nähe war. Ihm schien, als habe ihm jemand etwas zugerufen, um ihn auf sich aufmerksam zu machen.

Als er seine Blicke wieder ins Tal richtete, war die Nebelwolke verschwunden.

Obwohl es warm und stickig war, fröstelte Mrothyr. Etwas Großes, Ungewöhnliches war hier gewesen, aber er hatte es nicht greifen und sich mit ihm verständigen können.

Er ließ sich auf den Boden sinken und setzte sich auf den Stamm eines umgestürzten Baumes.

Bis jetzt hatte er sich frei und unabhängig gefühlt. Er war davon überzeugt gewesen, jeden einzelnen Schritt aus eigenem Entschluss getan zu haben. Doch nun zweifelte er an seiner geistigen Freiheit.

Fangen wir von vorn an, überlegte er. Warum bin ich von Kiart und Taleda entführt worden? Warum bin ich hier? Warum hat man mich zusammen mit den anderen Gefangenen eingesperrt? Worauf soll ich warten?

Irgend jemand steckte hinter diesem Geschehen. Kiart und Taleda konnten nicht aus eigenem Antrieb gehandelt haben. Sie mussten einen Auftrag dazu gehabt haben. Niemand entführte jemanden von einem Planeten und schaffte ihn unter hohem Aufwand über viele Lichtjahre hinweg zu einem anderen Sonnensystem, wenn er nicht eine ganz bestimmte Absicht damit verfolgte.

Flüchtig dachte Mrothyr daran, dass es seinen Gegnern nur darauf angekommen war, ihn von Aklard zu entfernen, doch er schob diese Erwägung gleich wieder zur Seite. Wenn es nur das Ziel gewesen war, ihn auszuschalten, hätte man ihn auf einen abgelegenen Kontinent verschleppen oder – einfacher noch – töten können. Aber das hatte man nicht getan. Man hatte ihn in ein Raumschiff gebracht, man hatte neue Technik eingesetzt und ihn auf eine andere Welt geflogen. Das war kein Aufwand für ein kleines Scharmützel mehr, sondern für etwas viel Wichtigeres.

Mrothyr ging noch einmal Schritt für Schritt durch, was geschehen war, und er versuchte, irgendwo einen Hinweis darauf zu finden, was dies alles zu bedeuten hatte.

Kiart und Taleda waren als Daila auf Aklard erschienen, und sie hatten einen außerordentlich positiven Eindruck nicht nur auf Chipol, sondern auch auf ihn gemacht. Aber dann hatte sich gezeigt, dass sie gar keine Daila waren. Es waren fremdartige Wesen, wie sie ihm noch nie zuvor begegnet waren.

Doch war das ihre wahre Gestalt?

Sie konnten ihr Äußeres offenbar verändern und mal als Daila, mal als völlig anders gestaltete Geschöpfe erscheinen.

Und das haben sie uns nicht nur vorgegaukelt. Sie haben ihr Äußeres wirklich verändert, denn sonst hätten sie Atlan nicht täuschen können, erkannte er.

Schon diese Aktion fiel aus dem Rahmen.

Warum hatten Kiart und Taleda sich in das Vertrauen Chipols geschlichen? Ihnen war es doch nur darauf angekommen, ihn – Mrothyr – zu entführen. Hätten sie es nicht einfacher haben können?

Nein, du Narr!, schalt er sich.

Einer von den beiden hatte sein Äußeres angenommen und dann eine Nachricht an die STERNSCHNUPPE abgestrahlt, um zu veranlassen, dass Atlan nicht weiter nach ihm suchte.

Es könnte sein, dass sie dich nach Aklard zurückbringen, wenn du eine bestimmte Aufgabe erledigt hast, überlegte er.

Doch dann klang eine andere Stimme in ihm auf. Sie mahnte ihn zu mehr Bescheidenheit.

Du bist nur ein kleines Rädchen im Geschehen, stellte sie fest. Je weniger du dich in den Vordergrund drängst, desto besser für dich.

Warum hatte man ihn zu den anderen Gefangenen gesteckt? Warum waren diese so lethargisch gewesen? Warum aber waren dann einige aus ihrer Lethargie erwacht? Um ihm bei der Flucht zu helfen? Warum war nur ein Kaytaber dort gewesen? Oder hatte sich nur einer gezeigt? Waren die anderen im Hintergrund geblieben, um seine Flucht nicht zu behindern?

Warum war der Gleiter ausgefallen? Wirklich nur eine Panne, oder Teil eines Planes?

Ganz sicher Teil eines Planes, schoss es ihm durch den Kopf. Wäre ich sonst diesem weißen Nebel begegnet? Ich wäre über ihn hinweggeflogen.

Mrothyr spürte, dass ihn jemand beobachtete. Er verharrte in der gleichen Stellung und hielt den Kopf leicht gesenkt, versuchte nun aber, denjenigen auszuspähen, der sich für ihn interessierte. Unter den Brauen hervor blickte er zu den steil aufsteigenden Flanken des Tales hinüber, und er entdeckte eine nebulöse Gestalt, die einer Spinne mit acht Beinen und einem gewaltig aufgeblähten Hinterkörper glich. Unwillkürlich spannte sich seine Hand um den Kombitraf, den er dem Kaytaber abgenommen hatte.

Er hatte die Waffe! Nicht Doyrirkhra, Kreymor oder Troatä. Zufall oder Absicht? Gab es einen Drahtzieher im Hintergrund, der dafür gesorgt hatte, dass diese Waffe in seinen Händen landete?

Er richtete sich auf, wobei er sich zur Seite drehte. Dann spähte er auf das Land hinaus. Er befand sich am Eingang des Tales an einer Bodenschwelle. Vor ihm dehnte sich eine schimmernde Wasserfläche, aus der sich der Holzdamm, vereinzelte Bäume und Grasinseln hervorhoben. In der Ferne zogen einige Tiere träge durch den Sumpf. Ihre Körper erinnerten ihn an die Saurier, die es in einer fernen Vergangenheit des Planeten Zyrph einmal gegeben haben sollte.

Einige rotgefiederte Vögel strichen dicht über die Wasserfläche hinweg, durchstießen sie hin und wieder mit ihren Schnäbeln, um kleine Fische zu erbeuten.

Mrothyr hatte das Gefühl, dass sich etwas von hinten an ihn heranpirschte. Blitzschnell fuhr er herum, die Waffe schussbereit in der Hand. Doch da war nichts. Das spinnenförmige Nebelgebilde hatte sich aufgelöst. Das Tal lag friedlich und still vor ihm.

Er hatte sich getäuscht.

Klang ein spöttisches Gelächter in ihm auf, oder gaukelte er sich dieses nur vor, weil er glaubte, da müsse jemand sein, der sich über ihn lustig machte?

Aus dem roten Dunst schwebte eine Flugechse heran. Sie flog dicht über dem Wasserspiegel, und zunächst erschien es Mrothyr, als suche sie ausschließlich im Wasser nach Beute. Doch dann erkannte er erschrocken, dass sie es auf ihn abgesehen hatte. Buchstäblich im letzten Moment warf er sich hinter den Baumstamm, auf dem er kurz zuvor gesessen hatte. Die mit scharfen Zähnen bewehrten Kiefer der Echse schossen zentimeternah an ihm vorbei, und er zweifelte nicht daran, dass das Tier ihm gefährliche Verletzungen beigebracht hätte, wenn er noch länger gewartet hätte.

»Das war knapp«, sagte eine bekannte Stimme hinter ihm.

Er fuhr herum.

Doyrirkhra war nur etwa zwanzig Meter von ihm entfernt. Der Wonko schritt mühsam durch den Sumpf zu ihm heran.

»Wo warst du die ganze Zeit?«, fragte Mrothyr. »Und wo sind die anderen?«

»Kreymor und Troatä haben einen Turm entdeckt«, erwiderte der Priester. »Er erhebt sich östlich von uns aus dem Dschungel. Und da solche Bauwerke in den meisten Fällen nur von intelligenten Wesen errichtet werden, hoffen sie, dort Hilfe zu finden. An dich haben sie weniger gedacht.«

»Aber du, Doyrirkhra, du hast an mich gedacht. Du wolltest mich nicht allein lassen.«

»Ich bin Priester«, bemerkte der Wonko, so als sei damit bereits alles gesagt.

»Ich danke dir, Doyrirkhra.« Mrothyr streckte ihm die Hand entgegen. »Was ist mit dem Antigrav?«

»Kreymor und Troatä haben die Tür. Sie fliegen mit dem Antigrav zum Turm.«

»Und wir können zu Fuß gehen.«

»Mir macht das nichts aus.«

Mrothyr lächelte. Er glaubte dem Wonko nicht ganz, dass dies wirklich so war.

»Zusammen werden wir es schaffen«, sagte er.

Sie hielten sich nicht länger auf und verließen den Wall vor dem Tal, um in die Richtung zu marschieren, in der die anderen Zyrpher den Turmbau gesehen hatten. Mrothyr musste daran denken, dass er sich vor nicht allzu langer Zeit mit dem Trugbild eines solchen Turmes konfrontiert gesehen hatte. Zufall? Oder stand dahinter die Absicht eines unbekannten Drahtziehers, die Absicht von ...?

Er wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu denken.

»Was ist los mit dir?«, fragte Doyrirkhra. »Du scheinst anders zu sein als sonst.«

»Ich frage mich, was ich hier auf Evutuum soll. Du kennst meine Geschichte. Ich möchte endlich Antworten haben.«

»Ich kann dir keine geben.« Doyrirkhra war auf ganz andere Weise auf diesen Planeten gekommen. Er hatte als Sklave an Bord eines ligridischen Raumschiffs gearbeitet und war zusammen mit Abfall, ausrangierten Maschinen und nicht mehr benötigten Treibstofftanks zurückgelassen worden. Ein Kaytaber hatte ihn aufgegriffen und zu den anderen Gefangenen gesteckt.

»Was weißt du über Evutuum?«

»Nichts.«

»Ist der Planet bewohnt? Gibt es eine einheimische Intelligenz?«

»Ich habe keine Ahnung.« Der Wonko half ihm auf eine Grasinsel, die auf dem Wasser trieb. Sie schwankte unter ihnen und glitt dann zu einigen anderen Grasinseln hinüber, die von der Strömung davongetragen wurden. »Ich habe den Kaytaber oft genug gefragt, aber er hat mich nur mit der Waffe bedroht und mir den Mund verboten.«

Mrothyr ließ sich auf den Boden sinken. Er blickte zum wolkenverhangenen Himmel hinauf. Ein leichter Nieselregen wehte ihm ins Gesicht. Er war rot und brachte winzige Pflanzenpartikel mit, die sich auf der Haut festsetzten und Juckreiz verursachten, wenn man sie nicht abwischte.

Er glaubte, in der Ferne das Grummeln eines aufsteigenden Raumschiffs zu hören.

Wenn ich diesen Planeten jemals wieder verlassen will, muss ich ein Raumschiff finden, dachte er. Also dürfen wir uns nicht vom Raumhafen entfernen, wir müssen vielmehr versuchen, dorthin zurückzukommen.

»Der Turm lässt eigentlich darauf schließen, dass es Eingeborene gibt, und dass diese bereits eine gewisse Kultur entwickelt haben.«

»Das heißt noch lange nicht, dass sie Raumschiffe haben. Vielleicht können sie einige Steine übereinander stapeln, mehr aber auch nicht.«

»Wenn Thoras sich von der gischtenden Rastlosigkeit überrollen lässt, Gharyth seine lockende Stimme erhebt und das dunkle Tuch sich über die Felder legt, dann ist das nicht der dunkle Durchgang, Thamathan schöpft neuen Atem«, erklärte Doyrirkhra.

Mrothyr lächelte.

»Auch die Schalakthe-Dichtung kenne ich«, erwiderte er. »Du hast Recht. Die Nacht ist nicht mehr als ein Atemholen, und wenn Thoras hinter dem Horizont versinkt, so kann man sicher sein, dass sie am nächsten Morgen wieder aufgehen wird. Es wäre falsch, die einheimische Intelligenz in irgendeiner Weise einzustufen, bevor wir sie überhaupt kennen gelernt haben. Und es ist auch gar nicht nötig, dass sie selbst schon eine Raumfahrt entwickelt hat, wenn sie uns nur dazu verhelfen kann, an Bord eines Raumschiffs zu kommen.«

»Ich sehe, du hast mich verstanden.« Der Priester nahm einen Ast auf und benutzte ihn als Ruder, um die Grasinsel zu einem Damm zu steuern, der ihn Richtung Osten führte, und auf dem der Boden fest zu sein schien. Er sprang hinüber, als sie ihn erreicht hatten und forderte Mrothyr auf, ihm zu folgen.

»Jetzt kommen wir schneller voran«, sagte er.

Ihre Füße sackten kaum ein, und sie kamen tatsächlich besser voran. Nachdem sie etwa zwei Kilometer gegangen waren, fanden sie die Tür des Antigravgleiters. Sie lag im Morast. Doyrirkhra untersuchte sie.

»Das Antigravaggregat ist ausgefallen«, stellte er danach fest. »Unsere beiden Freunde mussten zu Fuß weitergehen. Sie können keinen großen Vorsprung vor uns haben.«

Wenig später entdeckten sie die Fußspuren der beiden Männer, die sich offenbar unter großen Mühen durch die Wildnis geschleppt hatten. Als sie etwa eine halbe Stunde später den Turm sehen konnten, der sich aus dem Dschungel erhob, stießen sie auf die sterblichen Reste der beiden Zyrpher. Sie waren die Beute von wilden Tieren geworden.

»Ich wollte, sie hätten sich nicht von uns getrennt«, sagte Doyrirkhra, während sie sie bestatteten.

Mrothyr hielt den Energiestrahler in den Händen. Er bemerkte einen großen Schatten, der sich unter dem Wasser auf sie zu bewegte, und er schoss, als er nur noch wenige Meter von ihnen entfernt war. Das Wasser schien zu explodieren. Ein tellerförmiges Wesen, das einen Durchmesser von annähernd drei Metern hatte, schnellte sich kreischend aus dem Sumpf. Mrothyr sah ein riesiges Maul mit gefährlichen Reißzähnen und vier Klauen mit nicht weniger bedrohlichen Krallen. Dann verschwand das Untier auch schon wieder im Wasser und jagte davon.

»Wir sollten wohl möglichst schnell aus dieser Gegend verschwinden«, sagte der Wonko. »Bis zum Turm ist es nicht mehr weit. Vielleicht noch vier oder fünf Kilometer.«

Es waren sicherlich wenigstens zwanzig Kilometer, und der Turm war weitaus größer als sie erwartet hatten. Als sie sich ihm bis auf etwa fünfhundert Meter genähert hatten, konnten sie abschätzen, dass er an der Basis einen Durchmesser von etwa hundertfünfzig Metern hatte und etwa ebenso hoch war. Er war aus großen Quadern erbaut worden, die nahezu fugenlos aufeinander passten. An seiner Außenseite waren zahlreiche Gerüste angebracht, über die Baumaterial in die Höhe befördert wurde. Auf ihnen bewegten sich humanoide Gestalten, die auf ihren Rücken mit stark verzweigten Geweihen versehen waren. Sie hatten auffallend große Köpfe mit mächtigen Mähnen. Von ihren Schultern zweigten lange Tentakel ab, mit denen sie sich an den Gerüsten und am Gestein festhielten, soweit dies möglich war.

»Die meisten sind äußerst sparsam bekleidet«, stellte Mrothyr fest. »Sie tragen kaum mehr als einen Lendenschurz oder kurze Hosen.«

Doyrirkhra wischte sich die roten Pflanzen, die pausenlos mit dem Regen herabkamen, von den Armen und aus dem Gesicht.

»Bei diesem Wetter scheint mir das nicht ganz unpraktisch zu sein«, sagte er. »Und das Wetter scheint nicht nur heute so zu sein – warm und feucht.«

Der Tag neigte sich seinem Ende zu, und die beiden Männer überlegten, ob es ratsam war, sich den Wesen am Turmbau jetzt zu zeigen, oder ob sie lieber bis zum nächsten Morgen warten sollten. Doch dann vernahmen sie das Gebrüll einiger großer Tiere, und sie beobachteten einige echsenähnliche Wesen, die sich auf der Futtersuche durch den Sumpf schoben. Sie zogen es vor, bis zum Turm zu gehen.

Als sie aus dem Unterholz hervortraten, wären sie beinahe mit einigen der Eingeborenen zusammengeprallt, die große Steinquader auf Ladepritschen beförderten, um sie für den Transport in die Höhe vorzubereiten. Die Arbeiter fuhren erschrocken zurück, und einige von ihnen erhoben drohend ihre Werkzeuge.

»Wir kommen in friedlicher Absicht«, erklärte Mrothyr, und erstaunlicherweise verstanden sie ihn. Sie ließen ihre Werkzeuge sinken.

Die Evutuumer hatten weit vorspringende Wülste über den Augen. Diese sahen fast aus wie Mützenschirme. Die Nasen waren doppelrückig und führten in weiten Bögen von der Augenwurzel bis hin zu den beiden Ohrmuscheln. Die Oberlippen waren leuchtend rot, schimmerten wie Perlmutt und reichten dreieckig bis zu der Stelle hoch, an der sich die Nasen spalteten. Die Augen waren klein und lagen so tief in den Höhlen, dass sie kaum zu erkennen waren, zumal den Männern das Regenwasser über die Stirn lief, so dass es ständig von den Augenwülsten herabtropfte.

Einer der Evutuumer kam zu Mrothyr. Er zeigte auf den Kombitraf, entblößte grinsend große, rote Zähne und verkündete: »Auf euch haben wir gewartet.«

»Ihr seid sicher in der Lage, uns bei unseren Problemen zu helfen«, erklärte ein anderer.

»Kommt mit«, forderte sie ein dritter auf. »Ich bringe dich zu A'thruif.«

Mrothyr und Doyrirkhra blickten sich an und waren sich einig darin, dass sie diesen Männern vertrauen mussten.

»Genau zu dem wollten wir«, erklärte der Wonko.

Sie schritten an dem Turm entlang, dessen Spitze mittlerweile in den tiefhängenden Wolken verschwunden war, so dass nicht mehr zu erkennen war, wie hoch er war. Doyrirkhra sah, dass von einigen Steinquadern Stücke abgeplatzt waren. Risse hatten sich gebildet, in die das Regenwasser eindringen konnte. Rote Flechten überdeckten weite Flächen des Turmes. Unter zyrpherischen Verhältnissen hätte der Freiheitskämpfer daraus schließen können, dass das Bauwerk wenigstens einige Jahre alt war. Hier aber schlossen sich derartige Folgerungen aus.

Als sie den Turm zur Hälfte umkreist hatten, blieben die beiden Zyrpher überrascht stehen. Sie blickten von einer felsigen Anhöhe auf eine weite Ebene hinaus, auf der sich eine Reihe von Siedlungen befanden. Alle bildeten eine große Einheit miteinander. Eine breite Straße führte vom Turm auf die Ebene hinaus. Sie verzweigte sich immer mehr bis hin zu den feinsten Verästelungen, an denen die jeweiligen Siedlungen lagen. So glich die gesamte Anlage aus dem Blickwinkel der beiden Zyrpher einem riesigen Baum, bei dem die Siedlungen die Blätter bildeten.

Die gesamte Anlage demonstrierte, dass ihre Bewohner auf einer hohen Kulturstufe standen.

Mrothyr erinnerte sich nicht, jemals einer städtebaulichen Architektur von derartiger Vollkommenheit begegnet zu sein.

»Die Evutuumer sind alles andere als primitiv«, flüsterte Doyrirkhra. »Ganz sicher nicht.«

Über die Straße und über eine seitlich davon gelegene Seilbahn wurden pausenlos sorgfältig behauene Felsquader herangeführt und vor dem Turm abgelegt. Von hier aus wurden sie entweder in das Innere des Turmes gebracht oder mit Hilfe von einfachen Hebevorrichtungen außen am Turm in die Höhe befördert.

Tausende von Evutuumern arbeiteten mit größtenteils primitiven Werkzeugen an den Steinquadern und den Maschinen, die für den Transport nötig waren. Mrothyr entdeckte nirgendwo eine Maschine, die der neuen Technik entsprochen hätte.

»Ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll«, sagte Doyrirkhra. »Ich kann die Evutuumer nicht einschätzen.«

Sie betraten ein aus Holz errichtetes Haus, in dem zahlreiche Männer und Frauen an Zeichentischen und Modellen von Türmen arbeiteten. Die Frauen waren ebenso wie die Männer bekleidet. Auch sie verzichteten auf eine Verhüllung des Oberkörpers.

An einem Tisch, aus dem mehrere Metallrohre aufstiegen, saß ein korpulenter Mann, dessen Arme mit Hunderten von blitzenden Metallringen verziert waren. Auch die Finger dieses Mannes trugen schimmernden Schmuck, und auf der behaarten Brust leuchtete ein großer Edelstein, in dem sich alles Licht dieser Planeten gefangen zu haben schien.

»A'thruif«, rief der Evutuumer, der sie begleitet hatte. »Das sind zwei Fremde, die zu uns gekommen sind, um uns bei der Bewältigung unserer Probleme zu helfen.«

»Moment«, protestierte Mrothyr. »Ganz so ist es nicht. Wir sind froh, dass wir ...«

A'thruif sprang auf, breitete Arme und Tentakel aus und kam auf sie zu.

»Meine Gebete wurden erhört«, jubelte er. »Welch ein Geschenk der göttlichen Mächte!«

»Ich habe keine Ahnung vom Bauen«, beteuerte Doyrirkhra.

»Und ich auch nicht«, unterstrich Mrothyr, doch keiner der Evutuumer hörte ihnen zu. Die Männer und Frauen im Raum erhoben sich von ihren Plätzen und redeten wild durcheinander. Sie alle schienen fest davon überzeugt zu sein, dass zwei Turmbauexperten zu ihnen gekommen waren, mit deren Hilfe alle anstehenden Schwierigkeiten überwunden werden konnten.

»Ich werde wahnsinnig«, stöhnte Doyrirkhra. »Was reden die denn da?«

A'thruif legte ihnen die Hände auf die Schultern und blickte sie mit leuchtenden Augen an.

»Ihr glaubt gar nicht, wie sehr ich mich freue«, sagte er.

»Nur der Ordnung halber«, entgegnete Doyrirkhra. »Was passiert, wenn wir euch nicht helfen können?«

Der Baumeister der Evutuumer lachte herzlich.

»Ein Spezialist am Bau, der versagt, ist des Todes. Er wird vom Turm gestürzt«, erklärte er. »Aber das kommt für euch natürlich nicht in Frage.«

»Uns würde man nicht vom Turm stürzen?«, fragte der Wonko.

»Selbstverständlich würde man das«, antwortete A'thruif. »Aber darüber brauchen wir doch gar nicht zu reden, weil ihr nicht versagen werdet.«

Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2)

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