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3.2 Geplante und spontane Straftaten
ОглавлениеSchon zu Beginn der Arbeit an der Aufklärung einer Straftat sollte man sich fragen, ob man es mit einer geplanten oder mit einer spontan begangenen Straftat zu tun hat.
Spontane Straftaten zeichnen sich dadurch aus, dass der Täter im Vorfeld der Straftat Spuren hinterlassen hat. Im Weiteren hat er nicht im Voraus planen können, in welcher Weise er die Spuren der Tat im Nachhinein beseitigen kann. Wer seinen Kontrahenten im Streit spontan tötet, hat vorher nicht darauf geachtet, dass ihn auf dem Weg zum Tatort niemand sieht. Er hat möglicherweise Spuren gelegt, die er nach der Begehung der Tat nicht mehr in kurzer Zeit beseitigen kann. Wenn immer also am Tatort festgestellt wird, dass nach der Tat eiligst Spuren beseitigt wurden, die man auch hätte vermeiden können, dann ist zu erwarten, dass der Täter auch vor der Tatbegehung bereits Spuren gesetzt hat.
Wer dagegen eine Straftat im Vornherein plant, wird Spuren der Tat nur beseitigen müssen, wenn sie nicht von vornherein zu verhindern waren. Er wird auch die Möglichkeit nutzen, falsche Spuren zu legen und sich etwa ein Alibi zu beschaffen.
Zur Prüfung der Frage, ob es sich um eine geplante oder um eine spontane Straftat handelt, ist oft die Überlegung nützlich, ob der Täter nur das getan hat, was für den Erfolg der Straftat wirklich nötig war, oder ob er „überschießend“ handelte (was auf eine spontane Straftat im Affekt hindeutet). Allerdings muss man berücksichtigen, dass es Tätertypen gibt, die (vor allem, wenn sie in Gruppen auftreten) regelmäßig mehr tun, als zum Erreichen des vordergründigen Ziels nötig wäre.
So kommt es bei jugendlichen Räubern nicht selten vor, dass sie auf die Opfer noch dann sinnlose Gewalt ausüben, wenn sie die Beute längst gesichert haben.
Leider gibt es zunehmend Mischformen zwischen geplanten und spontanen Delikten: Hooligans etwa, aber auch andere jugendliche Gewalttäter, ziehen oft mit dem Gedanken los, sich bei Gelegenheit in eine Schlägerei verwickeln zu lassen, ohne dass sie die Auseinandersetzung selbst provozieren. Typisch für eine solche Art der Deliktsbegehung ist, dass sie eher bei Tätergruppen als bei Einzeltätern vorkommt, aber nicht ausschließlich. Gerade Sexualdelinquenten streifen oft umher, um eine Gelegenheit für eine Straftat zu suchen, die sie dann aber nur ausführen, wenn sich die günstige Gelegenheit auch tatsächlich ergibt. Immerhin ist bei solchen Konstellationen damit zu rechnen, dass die Täter zwar versuchen, sich durch geeignete Mittel, etwa durch Maskierung, zu tarnen. Spuren auf dem Weg zum Tatort lassen sich aber doch nicht vermeiden, weil dieser Tatort eben spontan gewählt wird.
Besonders aussagekräftig sind Veränderungen, die der Täter nach der Tat am Tatort vornimmt. Man unterscheidet folgende Phänomene:
• | Undoing: Der Täter versucht, eine Tat damit ungeschehen zu machen oder zumindest emotional etwas zur Wiedergutmachung zu tun. Man sieht das bisweilen bei Tötungsdelikten: Dem Opfer werden die Hände gefaltet, es wird mit Blumen geschmückt oder zumindest zugedeckt. Das deutet darauf hin, dass das Opfer für den Täter von besonderer Bedeutung war und dass man deshalb von einer längeren Beziehung von Opfer und Täter ausgehen kann. Es kann auch darauf hindeuten, dass die Tat ungeplant eskaliert ist. |
• | Staging: Der Täter inszeniert nachträglich den Tatort, um von einer dem Opfer nahestehenden Person abzulenken. Diese Form der Tatortveränderung ist allerdings in der Regel schwer zu erkennen. Sie deutet auf eine geplante Tat hin. |
• | Posing: Der Täter legt sein Opfer in einer entwürdigenden Art und Weise ab, was auf eine besondere Form der psychischen Störung des Täters hinweist. |
• | Depersonalisierung: Der Täter verdrängt die Opferidentität, indem er beispielsweise das Gesicht des Opfers abdeckt. Das kann verschiedene Ursachen haben: Möglicherweise will sich der Täter eine Projektionsfläche für seine Fantasie schaffen, vielleicht kennt er aber das Opfer im Gegenteil sehr gut und versucht, dies durch Depersonalisierung zu überspielen. |
Die Unterscheidung zwischen spontanen und geplanten Straftaten lässt auch Rückschlüsse auf den Tätertyp zu: So geht etwa Thomas Knecht davon aus, dass planende Mörder eher gebildet, intelligent und sozial integriert sind und einen bestimmten Opfertyp bevorzugen. Sie planen die Art, wie sie die Opfer in ihre Gewalt bringen, und beseitigen die Leiche sorgfältig, sodass der Leichenfundort nicht dem Tatort entspricht. Dagegen weisen desorganisierte Mörder einen eher niedrigen IQ auf und sind sozial schlecht integriert. Ihre Opferauswahl ist willkürlich, sie setzen das Opfer spontaner Gewalt aus, sodass der Tat- und Fundort ungeordnet und verwüstet ist. Es gibt allerdings auch Mischformen dieser beiden Tätertypen.