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4.5 Der Nachweis der konkreten Straftat

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Erst wenn man eine klare Vorstellung davon hat, um welche Straftaten es bei der Beurteilung eines gewissen Lebensvorgangs geht und wer als Täter in Frage kommt, kann man von der heuristischen zur algorithmischen Arbeit übergehen.

Es geht dann um die Argumentation nach dem Schema des juristischen Syllogismus. Syllogistik ist eine Methode des logischen Schließens und Beweisens; es geht darum, aus einem wahren Obersatz und einem Untersatz eine Konklusion zu bilden, die wahr ist. Beim juristischen Syllogismus ist der gesetzliche Straftatbestand der Obersatz; er hat immer die gleiche Struktur: Die Erfüllung sämtlicher Tatbestandsmerkmale führt zu einer Rechtsfolge, nämlich zu einer (in einem bestimmten Rahmen festgelegten) Strafe. Der Untersatz umfasst den Beweis, dass in einem konkreten Sachverhalt ein bestimmter Täter alle Tatbestandsmerkmale erfüllt hat. Die Konklusion lautet dann, dass dieser Täter zur vorgesehenen Strafe zu verurteilen ist. So am Beispiel einer Körperverletzung nach § 223 dt StGB:

Tatbestand Wer eine andere Person körperlich misshandelt, Rechtsfolge wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Sachverhalt Paul versetzt Günther absichtlich einen Faustschlag Tatbestand und misshandelt ihn damit körperlich.
Sachverhalt Paul versetzt Günther absichtlich einen Faustschlag Rechtsfolge und wird deshalb mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Diese Aufgabe ist nicht mehr heuristisch, weil auf der zweiten Ebene des Schemas, also bei der Zuordnung des Sachverhaltes zu den Tatbestandsmerkmalen, nur noch eine genau feststehende Zahl von objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen zu beweisen ist. Das heißt allerdings nicht, dass die Aufgabe von Anfang an begrenzt ist: Über die Frage, wann bzw. unter welchen Umständen ein Tatbestandsmerkmal rechtsgenüglich bewiesen ist, lässt sich natürlich immer streiten.

Einige Merksätze:

Die kriminalistische Aufgabe besteht darin, Straftaten zu erkennen, die erforderlichen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale, Täter, Tatzeit, Tatort, Modus Operandi, Tatmittel und Motiv (die 7 goldenen „W“) sowie die strafzumessungsrelevanten Umstände in prozessual zulässiger Form zu beweisen und das Ergebnis kritisch zu überprüfen.
Um bei einer gegebenen Sachlage die in Frage kommenden Tatbestände zu erkennen, sollte man vom Sachverhalt zum Tatbestand und zurück pendeln.
Die Beweise (Personen- wie Sachbeweise) müssen stabil sein, um das Beweisgebäude aus Tatbestand, Tathergang und Täterschaft zu halten.
Im untechnischen Sinn hilft die Unterscheidung zwischen Täter-Opfer-Delikten und Delikten mit beidseitiger Täterschaft, zwischen geplanten und spontanen Straftaten und zwischen Straftaten zur Erzielung von Gewinnen und zur Vermeidung von Verlusten weiter, weil jede dieser Kategorien durch typische Beweisprobleme gekennzeichnet ist.
Geht es darum, Straftaten zu erkennen und zu überprüfen, welche Straftatbestände in Frage kommen, dann sollte man heuristisch vorgehen und dabei die Tatsituation, das Umfeld der Tat mit seiner Vorgeschichte, seiner Breite und den Tatfolgen vorerst möglichst umfassend analysieren, um nicht Gefahr zu laufen, bestimmte Straftaten zu übersehen (beachte Vortat-, Haupttat- und Nachtatphase).
Diese umfassende Analyse erleichtert bei unbekannter Täterschaft die Beschreibung des Tätertyps, der als Täter in Frage kommt. Kriminologische Erkenntnisse erleichtern es, die Suche dort zu beginnen, wo sie am erfolgversprechendsten ist.
Ist ein anfänglich unklarer Sachverhalt so weit abgeklärt, dass sich einem bestimmten Täter eine bestimmte Straftat zuordnen lässt, dann kann man zur syllogistischen Arbeit übergehen. Man beweist dem Täter, dass er mit seinem Verhalten alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale eines bestimmten Straftatbestandes erfüllt hat.
Kriminalistisches Denken

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