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2 Abbas Bericht - Fortsetzung

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Einige Tage später berufe ich ein Treffen der Jungen Garde ein. Wir sind etwa zwölf Männer und Frauen in einem Keller. Ich zittere vor Zorn und rede:

„Man hat unsere Lieben in den Tod geschickt. Wir müssen der hässlichen Wahrheit ins Gesicht sehen – man hat unsere Freunde nicht nur deportiert. Und doch wollen viele die Wahrheit noch nicht glauben. Was ist die Wahrheit? Dass unsere Freunde, unsere Verwandten, die man angeblich deportiert hat, nicht mehr am Leben sind. Man brachte sie nach Ponar – in den Tod.

Und das ist noch nicht alles. Die ganze Wahrheit ist noch viel schlimmer. Die Vernichtung von Tausenden ist nur der Anfang. Sie werden Millionen von uns vernichten, sie werden uns ausrotten, vollständig ausrotten!

Gibt es irgendeinen Ausweg für uns? Nein! Wenn dies hier systematisch geschieht, dann ist der Gedanke an Flucht eine Illusion. Wohin sollen wir noch fliehen? Die Alten, die Kinder und die Kranken lassen wir zurück, sie werden sterben. Und wir Jungen? Eines Tages sind wir selbst entwurzelt, gebrochen, überfordert. Es gilt also: Flucht ist kein Ausweg!

Gibt es eine Aussicht auf Rettung? Wenn ich ehrlich bin, nein! Es wird keine Rettung geben. Vielleicht für zehn oder hundert Juden. Aber für unser Volk als Ganzes, für die Millionen von Juden in den von Hitler-Deutschland besetzten Gebieten gibt es keine Chance.

Was gibt es dann für einen Ausweg? Nur einen – den bewaffneten Widerstand. Das ist die einzige Möglichkeit für unser Volk, seine Würde zu bewahren.“

Ein junger Mann steht auf und erinnert mich und die anderen daran, dass wir Zionisten seien, dass Europa nicht unser Problem sei. „Dass wir überhaupt hier sind, ist ein Unfall. Unser Platz ist in Israel. Dafür leben wir. Wir glauben an den Kampf. Aber nicht hier, in Israel! Dazu kommt, dass wir alleine sind, schwach und wehrlos. Die Deutschen dagegen sind sehr stark. Eine Revolte wäre doch glatter Selbstmord!“

Eine Gardistin, Ruzka, hält dagegen: „Wenn dich später ein israelisches Kind fragt: 'Was hast du getan, als man unsere Leute zu Tausenden, zu Millionen abschlachtete?' Wirst du ihm sagen: 'Ich habe mich selbst gerettet? Ich habe mich versteckt und damit verhindert, dass man mich wie alle anderen ermorden konnte?“ Und sie fuhr fort: „ Unsere Geschichte darf nicht nur aus einer Tragödie bestehen. Sie muss auch von Selbstverteidigung und Widerstand handeln!“

Andere reden von der Kollektivstrafe der Nazis, die für jeden toten Deutschen hundert Juden umbringen und bezweifelten das Recht, das Leben anderer Menschen, anderer Juden, zu gefährden. Es gibt eine wilde Diskussion, alle springen auf und schreien durcheinander. Ich hebe meine Hand: „Was wir auch tun, wir werden auf jeden Fall sterben. Wir sterben, wenn wir feige sind und wir sterben, wenn wir mutig sind.“

Ich verlasse das Kloster, die Mutter Oberin begleitet mich ins Ghetto. „Ich will im Ghetto an deiner Seite kämpfen“, sagt sie. „Ihr seid ein edles Volk. Obwohl du Marxist bist und keinen Glauben hast, bist du Gott näher als ich.“

Nach einer Woche schicke ich sie wieder zurück ins Kloster. Draußen ist sie uns wichtiger, damit wir eine Verbindung haben.

Ich bleibe im Ghetto, wohne in einem Zimmer mit Ruzka und Vitka. Es gibt viel Gerede über uns drei. „Da geht Abba mit seinen zwei Frauen“, heißt es oft.

Am Silvesterabend findet eine öffentliche Versammlung statt. Gens erzählen wir, die Gruppe brauche einen Saal, um Silvester zu feiern. Aber ich habe den Termin gewählt, weil die Deutschen feiern und trinken und dann nichts bemerken, auch nicht, dass der Zweck ein Aufruf zur Revolte ist. „Wir müssen ihr Selbstbewusstsein und ihren Patriotismus stärken und den Hass auf den Feind schüren“, war die Devise.

Es kamen etwa hundertfünfzig Menschen, sie redeten nicht, lachten nicht, warteten. Als ich den Saal betrat, hatte ich ihre ganze Aufmerksamkeit. Sie staunten, dass ein Zionistenführer sich nicht abgesetzt hatte, nach Palästina oder Russland, dass er hier in Wilna bei ihnen war. Meine Rede:

„Jüdische Jugend – glaubt nicht denen, die euch täuschen. Von den achtzigtausend Juden in Wilna sind noch siebzehntausend übrig. Unsere Eltern und Geschwister wurden vor unseren Augen abgeschlachtet. Wo sind all die Männer, Frauen und Kinder geblieben? Keiner von denen, die man durch das Ghettotor hinausführte, ist zurückgekehrt. Die Wege der SS führen alle nach Ponar, führen in den Tod.

Gebt eure Illusionen auf. Ponar ist kein Durchgangslager. Jeder wird dort umgebracht. Hitler hat die Absicht, alle Juden in Europa zu vernichten. Die Juden Litauens machen den Anfang.

Lasst uns nicht zur Schlachtbank gehen wie die Lämmer. Wir sind nicht stark, aber für unsere Schlächter kann es nur eine Antwort geben: Widerstand, Kampf.

Es ist besser, als freier Mensch im Kampf zu sterben, als durch die Gnade seiner Mörder weiterzuleben. Wir werden kämpfen bis zum letzten Atemzug.“

Alle springen auf. Durch die Wände dringt der Gesang der Soldaten, das Horst-Wessel-Lied und das umgedichtete Heckerlied: „Wenn's Judenblut vom Messer spritzt, dann geht’s nochmal so gut.“

Hirsch Glick stimmt im Saal sein Lied an, das den Gesang

der Deutschen übertönt, denn alle singen mit:


Sog nit kejnmol as du gejsst dem letstn weg,

chotsch himlen blajene farshteln bloje teg, -

kumen wet noch undser ojsgebenkte scho,

'ss wet a pojk ton undser trot - mir sajnen do!


Fun grinem palmenland bis wajtn land fun schnej,

mir kumen on mit undser pajn, mit undser wej,

un wu gefaln is a schpriz fun undser blut,

schprozn wet dort undser gwure, undser mut.


'Ss wet di morgensun bagildn unds dem hajnt,

un der nechtn wet farschwindn mitn fajnt.

Nor ojb farsamen wet die sun un der kajor,

wi a parol sol gajn doss lid fun dor tsu dor.


Doss lid geschribn is mit blut un nit mit blaj,

'ss is nit kejn lid fun a fojgl ojf der fraj;

ess hot a folk tswischn falndike went

doss lid gesungen mit naganess in di hent.

Das Brot der Rache

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