Читать книгу Das Mädchen da oben auf der Treppe ... - Harry Robson - Страница 10

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6. Kapitel

Bei meinem Lehrherrn lief leider nicht alles so glatt. Mein Boss war ein steinreicher Mann mit einer riesigen Villa hoch am Berg, Haushälterin, Köchin, Gärtner, Fahrer und immer den dicksten, neuesten Mercedes. Das imponierte mir alles mächtig. Ich kam aus der Welt der armen Schlucker und Habenichtse. Vater jeden Freitag beim Lohntütenball und anschließend kein Geld mehr für Lebensmittel. Anschreiben im Lebensmittelladen war normal, und es wurde hauptsächlich mit viel Mehl und Kartoffeln gekocht. Hier, bei meiner Lehrstelle, konnte ich zum ersten Mal sehen, was Mann mit Geld alles bewerkstelligen konnte. Ich fing an, für die Schule zu pauken und lernte fleißig alles, was es zu lernen gab. Ich wollte unbedingt auch so ein Boss werden. Im 2. Lehrjahr wurde ich Klassenbester und blieb es bis zum Ende der Lehrzeit.

Seinen Reichtum hatte er wohl illegalen Geschäften zu verdanken. Insbesondere im Interzonenhandel mit der damaligen „DDR“ ließ sich viel Geld verdienen, wenn man an den richtigen Fäden zog und die entsprechenden Papiere vorlegen konnte. Ich lernte, wie man aus allerlei Vorlagen Fotokopien so bastelte, dass es „Originale“ wurden. Ich lernte auch, wie man Telexe so modifizierte, dass sie „echt“ waren, wie man Zollstempel von einem Formular auf das andere übertrug und so weiter. Mir war überhaupt nicht bewusst, dass das Ganze irgendwie verboten und nicht rechtmäßig war. Ich war der Lehrling und machte, was man mir auftrug.

Eine Episode mit meinem Boss ist mir noch in Erinnerung. Als ich mit der Ausbildung begann, wurde, taggleich mit mir, ein kaufmännischer Angestellter eingestellt, der gerade seine Lehrzeit beendet hatte. Herr Hoppbock. Er war ein eingebildeter Schnösel, der sich für ein gottähnliches Wesen hielt. Seine Lieblingsbeschäftigung bestand darin, mir die Namen von Firmen und Personen zuzurufen, mit denen ich ihn am Telefon verbinden sollte. Meist musste ich die Telefonnummern erst mal im Telefonbuch suchen oder über die Auskunft ermitteln. In dieser „Wartezeit“ schaute er aus dem Fenster und klapperte unentwegt mit seinem Autoschlüssel. Dauerte ihm das zu lange, scheute er sich nicht, mich zu beschimpfen. „Lahmarschiger Trottel“ ging ihm ganz leicht über die Lippen. Natürlich gefiel mir das gar nicht, aber ich hatte keine Ahnung, was da zu tun sei.

Eines Tages, der Boss saß an seinem Schreibtisch, ging Hoppbock zu ihm und fragte, ob er einen Moment Zeit habe. Ja gerne, was ist denn? Nun, stammelte Hoppbock, es wäre so, er wollte gerne, also es hätte sich so ergeben, dass seine Freundin schwanger wäre. „Herzlichen Glückwunsch“, gratulierte der Boss jovial. Nun, stammelte Hoppbock weiter, es sei ja so, dass sein Gehalt nicht reichen würde, eine Familie zu versorgen und da hätte er, Hoppbock, sich gedacht, dass eine Gehaltserhöhung die Sache erleichtern würde.

Der Boss lief rot an, sein Blutdruck stieg in atmosphärische Höhen. „Sie bumsen so eine blöde Kuh an und ich soll dafür bezahlen? Haben Sie noch alle Tassen im Schrank? Halten Sie ihren Schwanz doch unter Kontrolle! Ich bezahle für Leistung im Büro und nicht Ihre Rumfickerei! Sie können ja noch nicht mal selber telefonieren, dass muss der Lehrling für Sie machen! Das ist ja auch kein Wunder, wenn sie immer nur ans Bumsen denken!“ Es folgten noch eine Menge Schimpfworte, die ich noch gar nicht alle kannte und die Sekretärin schritt ein: „Was Sie da sagen, sagt kein feiner Mann“. Die Antwort wird mir unvergessen bleiben. Er schlug mit dem Locher immer wieder fest auf den Schreibtisch und brüllte dabei im Takt: „ICH WILL KEIN FEINER MANN SEIN!!!“

Es gab für Hoppbock keine Gehaltserhöhung, aber ich musste nun auch nicht mehr Hoppbocks Privattelefonisten spielen.

Eines Morgens, ich wollte gerade die Bürotür aufschließen, trat ein Mann aus dem Schatten hervor und zeigte mir seinen Ausweis. Er sei vom BKA und was ich da vorhabe. Ich bin der Lehrling und will ins Büro, arbeiten. Das, so der Unbekannte, sei nicht möglich. Die Firma sei geschlossen. Er nahm mir den Schlüssel ab und schickte mich nach Hause; dort solle ich auf weitere Nachricht warten.

Anrufe beim Boss blieben unbeantwortet, die Sekretärin ging ebenfalls nicht ans Telefon und der Prokurist auch nicht. Was tun? Die Polizei wusste nichts, die IHK nicht, der Firmenanwalt erklärte mir nur, ich würde mein Geld weiter bekommen, alles andere würde sich finden.

Nach drei Wochen fuhr ich zur IHK und fragte nach, was zu tun sei. Mittlerweile war dort ein Antrag meines Arbeitgebers eingetroffen, das Lehrverhältnis solle aufgelöst werden, da ich seit Wochen nicht mehr zur Arbeit erschienen war. Ich konnte jedoch alles ausräumen und die IHK sagte mir zu, eine Firma zu finden, bei der ich meine Lehrzeit beenden konnte. Der Vertrag wurde aufgelöst, und schon 2 Tage später war ich bei meinem neuen Lehrherrn. Dazu muss man sagen, dass es zwischenzeitlich überall rum war, dass gegen meinen Boss wegen Urkundenfälschung, Steuerhinterziehung und anderen glanzvollen Tätigkeiten ein Strafverfahren eingeleitet worden war. Einige Zeit später ist er dann in der DDR bei einem Autounfall mit Totalschaden tödlich verunglückt. Komisch.

Das Mädchen da oben auf der Treppe ...

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