Читать книгу Das Mädchen da oben auf der Treppe ... - Harry Robson - Страница 8

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4. Kapitel

Irgendwann im Frühjahr 1969 meinte Hans, dass er gerne im Sommer in Österreich den Urlaub verbringen möchte. Seine Schwester und ihr Freund würden mitfahren und wenn ich auch mitkäme, wäre das eine feine Sache. Ziel war der kleine Ort Ledenitzen am Faaker See. Dort sei er als Kind mit den Eltern gewesen, es sei wunderschön und auch sehr preiswert.

Gerne wollte ich mitfahren, sehr gerne sogar. Ich war noch nie irgendwo im Urlaub gewesen und an mir lag es bestimmt nicht. Die Klippe, die es zu umschiffen galt, war mein Vater. Obwohl ich 19 war, behandelte er mich immer noch wie seinen Leibeigenen. Ich sprach mit meiner Mutter darüber und sie meinte, frage einfach, mal sehen was passiert. Was passieren würde, wusste ich schon vorher. „Was, Du willst in Urlaub fahren? Du bist 19 Jahre alt, hast im Leben noch nichts geleistet, liegst uns nur auf der Tasche und Du willst in Urlaub fahren? In Deinem Alter hatte ich den Krieg und die Kriegsgefangenhaft hinter mich gebracht, geheiratet und gearbeitet. Hatten Deine Mutter und ich jemals Urlaub?“

Es war sinnlos. Einige Zeit später sagte Mutter, „Du kannst fahren, aber sprich bloß nicht mit ihm darüber.“ OK, mir fiel der berühmte Stein vom Herzen. Als Hans das nächste Mal kam, sagte ich zu. Sofort begann das Pläne schmieden. Was uns fehlte, war ein Zelt und Luftmatratzen. Romika hatte ein Zelt, das wusste ich. Bei nächster Gelegenheit fragte ich nach, ob ich das Zelt leihen könne. Naja, das Zelt stand den ganzen Sommer im Garten und die kleineren Geschwister spielten den ganzen Tag im und um das Zelt herum. Eigentlich war es ziemlich ramponiert. Außerdem ließ es sich vorn am Eingang nicht verschließen. Aber ein neues Zelt zu kaufen, war uns finanziell nicht möglich. Damals kosteten die Dinger ein kleines Vermögen. Ich musste also bei Romikas Mutter Überzeugungsarbeit leisten, damit wir das Zelt bekamen. Eine Luftmatratze bekam ich auch und Hans konnte eine bei einem Kameraden leihen.

Der Tag der Abreise rückte näher und als Hans mit dem Auto bei uns vorfuhr, mich und meine Habseligkeiten einzuladen, stockte mir der Atem. Es war der Mercedes SU-D 450, den ich noch vor einem Jahr bei Romikas Eltern gesehen hatte. Die hatten den Wagen gegen ein anderes Modell in Zahlung gegeben und Hans hatte ihn dann in Köln, bei einem anderen Händler, entdeckt und gekauft. Gut, dass Vater nicht zu Hause war. „Sein Mercedes“ als Urlaubsgefährt für ein paar Halbstarke. Ein Tobsuchtsanfall wäre das Mindeste gewesen.

Die Schwester, Heidi, und ihr Freund hatten es sich auf der Rücksitzbank gemütlich gemacht, ich war der Beifahrer. Noch nie hatte ich eine größere Strecke auf diesem Platz zurückgelegt. Waren Familienfahrten angesagt, musste ich immer hinten sitzen. Bei einem FIAT 500 war es dann das Problem, dass ich meine Beine so zusammenfaltete, dass man die Türe schließen konnte.

Natürlich war ich aufgeregt. Es sind rund 1.000 Kilometer bis Kärnten und Hans rechnete mit 14 – 16 Stunden Fahrzeit. Die musste er alleine leisten, denn Heidi und ich besaßen keinen Führerschein. Der Freund hatte seinen Führerschein erst ganz kurz und wollte nicht mit dem dicken Wagen fahren. Am Frankfurter Kreuz: Stau. Wenn ich heute über die A3 Richtung Süden fahre, Frankfurter Kreuz: Stau. Es gibt Dinge, die ändern sich nie.

Alles in Allem kamen wir gut voran, der nächste Knackpunkt war München. Man musste quer durch die Innenstadt fahren, um auf die Autobahn München-Salzburg zu kommen. Eine direkte Verbindung gab es noch nicht. Das war nicht nur nerven-, sondern auch zeitraubend. Aber irgendwie gelang das auch und nun sah ich zum ersten Mal in meinem Leben Berge, die größer waren als Drachenfels und Ölberg. Viel grösser. Sehr viel grösser. Später sogar mit Schnee obenauf und das im August.

Wir fuhren Richtung Hohe Tauern, wir wollten über die Katschbergverladung nach Kärnten. Den Tauerntunnel gab es damals noch nicht. Die Autos mussten auf einen Eisenbahnanhänger fahren, ähnlich denen wie bei einem Autoreisezug. Allerdings blieben die Reisenden im Auto sitzen. Nachdem die Anhänger voll beladen waren, fuhr der Zug durch den stockdunklen Katschbergtunnel und kam dann im Süden, im strahlenden Sonnenschein, wieder aus dem Berg hinaus. Ich war fasziniert. So hatte ich mir das nicht vorgestellt, und als wir den Verladebahnhof verlassen hatten, fuhren wir Richtung Spittal/Drau.

Eine so steile Abfahrt hatte ich im Leben noch nicht gesehen. Mir war angst und bange. Das Gefälle betrug bis zu 15 %, und wir verloren fast 1.000 Höhenmeter. Der Wagen, Leergewicht über eine Tonne, knarrte und knackte, ich erwartete jeden Moment, dass die Bremsen versagten und wir mit Karacho, die ganzen Serpentinen abschneidend, den Berg herunterkrachten. Glücklicherweise geschah nichts davon. Hans hatte auch keine Höhenangst und fand das Ganze völlig normal. Er blieb völlig cool, würde man heute sagen. Irgendwann waren wir im Drautal angekommen und Hans fand zielsicher Ledenitzen, unseren Urlaubsort.

Das Mädchen da oben auf der Treppe ...

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