Читать книгу Das Mädchen da oben auf der Treppe ... - Harry Robson - Страница 9

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5. Kapitel

Wir waren auf einem Bauernhof zu Gast, auf dem Hans Eltern schon etliche Male Urlaub gemacht hatten. Sie hatten jeweils zwei Zimmer gemietet, eins für die Eltern, eins für die Kinder. Es gab eine zentrale Toilette, und man konnte die Küche fürs Frühstück mitbenutzen. Wir bekamen einen Platz auf der Hofwiese, Toilette und Küche durften wir mitbenutzen. Der Preis für den Zeltplatz lag bei 50 Pfennig pro Tag. Wir taten uns schwer mit dem Aufbau des Zeltes. Heringe fehlten, Befestigungsschlaufen waren ausgerissen, es war ein trauriger Anblick. Meine Luftmatratze verlor genauso schnell die Luft, wie ich sie reinpustete. Einen Blasebalg besaßen wir nicht. Keiner von uns hatte je auf einer Luftmatratze geschlafen. In den nächsten Tagen gelang es uns dann, die Matratze zu flicken und einen Blasebalg trieben wir auch auf.

Weniger schön war die Tatsache, dass wir das Zelt nicht verschließen konnten. Mit ein paar Wäscheklammern, so dachte ich, wäre das Problem gelöst, aber es gab Millionen von Insekten, die auf der Wiese lebten, die sich nicht um die Klammern kümmerten. Offensichtich war man auf Insektenseite der Meinung, dass es sich bei uns um ein Geschenk des Bauern handelte, denn wir wurden von Besuchern überschüttet. Ameisen, Ohrwürmer, Mücken, Spinnen und allerlei Getier, das ich nicht kannte, strebte in unser Zelt. Jeden Morgen mussten wir es komplett ausräumen und mit einem Besen alles rauskehren. Eine der ganz wichtigen Tatsachen, die ich auf diesem Urlaub gelernt habe: Fahre nie in Urlaub, wenn du dir kein vernünftiges Bett leisten kannst. Daran habe ich mich mein ganzes Leben lang gehalten.

Aber das war auch der einzige Wermutstropfen. Direkt neben dem Bauernhof lag der Dorfgasthof, der auch Gäste beherbergte. Man konnte dort Kleinigkeiten essen und Bier trinken. Hans war mit den Wirtsleuten gut bekannt. Wenn Bedarf bestand, wurden wir mit Eimern und Schütten ausgestattet. Wir gingen dann in den Wald, Blaubeeren sammeln. Es war unvorstellbar, wieviel Blaubeeren es in unmittelbarer Nähe des Gasthofes gab. Mit der Schütte, eine Art riesiger Kamm, ging man durch die Büsche, die Früchte sammelten sich obenauf und wurden dann in den Eimer geschüttet. Nach etwa einer Stunde waren die zwei Eimer voll. Zum Lohn gab es Blaubeerpfannkuchen und ein Bier. Wichtig war, dass man den Blaubeerpfannkuchen nach dem Bier genoss. Die umgekehrte Reihenfolge sorgte dann in den Gedärmen von Hans für ein ungeahntes Chaos.

Des Weiteren gab es einen SPAR-Laden und ein Restaurant, in dem wir meist essen gingen. Hier konnte man preiswert essen und das Tagesmenü lag mit einem großen Bier um die 1,50 DM.

Highlight des Ganzen war natürlich der Faaker See, ca. 3 - 4 km entfernt. Wenn wir morgens gefrühstückt hatten, ich holte immer vier paar Wiener und vier Semmeln im SPAR-Laden, fuhren wir mit dem Mercedes zum Strand. Jetzt waren wir keine Halbstarken mehr, sondern zwei gut aussehende, junge Männer, die Mercedes fuhren. () Ausschließlich Deutsche bevölkerten den Strand, die meisten aus NRW. Einige Campingplätze existieren in der näheren Umgebung, sowie Hotels, Pensionen und Privatzimmer.

Wir schwammen meist auf die kleine, mitten im See gelegene Insel, fuhren Tretboot, spielten Tischtennis, lagen in der Sonne und tranken auch schon mal ein Villacher. Ich genoss das freie, völlig unbeaufsichtigte Leben. Kein Vater, der einem das Leben schwermachte, kein Chef, keine besoffenen Kegelbrüder. Ich war endlich frei.

Heidi und ihr Freund sind dann per Anhalter nach Venedig weitergefahren. Wir waren nun alleine und freundeten uns mit ein paar Hamburger Jungs an, die im Gasthof wohnten. Hans meinte, wir sollten mal einen Ausflug nach Italien unternehmen, ans Meer. Da war ich leider auch noch nie und es handelte sich natürlich um einen Freundschaftsdienst von Hans, der mir das mal zeigen wollte. In meinem genau kalkulierten Spritanteil 2 X 1000 km /4 Personen war da kein Platz mehr, aber Hans meinte: Passt schon.

Grado an der Adria war rund 150 km entfernt und die Fahrt ging ausschließlich über Landstraßen, auf denen Eselkarren, dreirädrige Vespas, überladene LKW’s und auch wir unterwegs waren. Es wurde unerträglich heiß im Auto. Der schwarze Lack zog die Sonnenstrahlen magisch an, wir hatten Durst, aber kein Geld. In Österreich wurde mit Schilling bezahlt, in Italien aber mit Lire, die wir aber nicht besaßen. In Grado angekommen, erst mal ans Meer! Toll! Kein Meer mehr da. Es war Ebbe. Alle Bötchen lagen auf dem Trockenen, schwimmen war unmöglich. Die Enttäuschung war groß, der Durst und der Hunger noch viel grösser. Wir setzten uns in ein Lokal und verhandelten mit dem Kellner, wieviel Schilling er für vier Pizzen und vier große Wasser haben wolle. Natürlich war das viel zu teuer, der Mann wollte uns ausrauben. Es begann ein endloses Geschacher, und letztendlich bestellten wir vier Wasser und zwei Pizzen, die wir uns teilten. Bis dahin hatte ich noch nicht mal gewusst, was eine Pizza überhaupt ist. Es war eben das Billigste auf der Karte, was wir uns leisten konnten. Wir waren schon überrascht, als dann die belegten Teigscheiben serviert wurden. Es hat keinem von uns richtig geschmeckt. Die Vorsehung hatte Gutes getan, uns nur zwei bestellen zu lassen. Erst Jahre später hielt die Pizza dann auch Einzug nach Deutschland.

Noch immer hungrig und durstig fuhren wir zu unserem Zelt zurück und aßen dann richtig zu Abend.

Ein anderes Mal fuhren wir nach Udine. Dort gab es einen riesigen Markt, auf dem in Italien hergestellte Kleidung verramscht wurde. Außerdem die typischen Touristendevotionalien. Die Qualität war nicht besonders, aber die Preise waren eben auch sehr niedrig. Heute würde man sagen „Chinakram“. Heidi nebst Freund waren mit von der Partie, und das Riesenangebot an Textilien beeindruckte sie sehr. Wir wollten jedoch mit der Sesselbahn auf den Hausberg fahren. Soweit ich weiß, existiert die nicht mehr. Meine Höhenangst überwindend fuhren wir bergan und auch wieder bergab. Wir trafen uns am Wagen, der schräg nach hinten, auf einem nach hinten abfallenden Parkplatz stand.

Hans bemerkte, dass hinten rechts, genau unter dem Benzintank, Benzin herauslief. Offensichtlich war die Benzinleitung beim Einparken beschädigt worden. Das konnte mächtig Ärger geben, denn ADAC-Mitglied war er nicht, und ob die Italiener solch einen Wagen reparieren konnten? Und was das kosten würde? Hans packte sofort sein Werkzeug aus, um der Sache auf den Grund zu gehen. Er schob sich mit Zange, Hammer und anderem Gerät unter den Wagen, um der undichten Stelle auf die Spur zu kommen. Ich konnte dabei nicht helfen, hatte keine Ahnung. Aber mir fiel auf, dass ein Autofahrer, etwas weiter weg, das gleiche Problem hatte. Nun sah ich mir die Bordsteinkante genauer an und sah eine Vielzahl von großen und kleinen eingetrockneten Benzinflecken, die ganze Kante entlang.

Des Rätsels Lösung: In Italien war der Sprit damals billiger als in Österreich und jeder fuhr mit fast leerem Tank nach Italien und tankte erst Mal voll. Wenn das Auto dann nach hinten, schräg abfallend geparkt war und die knallige Sonne schien auf den Wagen, dehnte sich das Benzin aus und floss dann über einen Sicherheitsüberlauf nach draußen. Es war also alles in Ordnung. Hans verstaute das Werkzeug, und wir fuhren zurück.

Es gab jeden Tag Programm. Feuerwehrfeste, der Mittagskogel, der Villacher Kirchtag, Wörther See und vieles mehr. Natürlich wurde auch der „Hexenkeller“ in Drobollach besucht. Das war eine kleine Disco im Keller eines Hotels, das ausschließlich von Deutschen bewohnt wurde. Saßen die Erwachsenen abends beim Bier zusammen, durften die Teenies in die Disco. Das war strategisch sehr günstig, denn wollten die Teenies aus irgendeinem Grund die Disco verlassen, mussten sie durch den Gastraum, wo sie garantiert von den Eltern erspäht wurden. Wir beide waren jedoch nicht an den Teenies interessiert, wir wollten nur Musik hören.

Nach dem Besuch irgendeines Feuerwehrfestes hatte Hans Probleme, die Autotür aufzuschließen. Kurzentschlossen gab er mir die Autoschlüssel und meinte: „Fahr lieber Du, es ist billiger, beim Fahren ohne Führerschein erwischt zu werden, als beim Fahren mit Alkohol.“ Ende der 60er Jahre lag die Promillegrenze noch bei 1,2 o/oo. Polizei, die kontrollierte, haben wir nie gesehen. Immerhin durfte ich nun auch Mercedes fahren, oft genug hatte ich ja zugesehen.

Einmal gab es nachts ein riesiges Gewitter. In den Alpen knallt es wegen der echobildenden Berge besonders laut. Wir verpissten uns bei wolkenbruchartigem Regen in die Scheune. Dort schliefen wir tatsächlich ein, und am nächsten Morgen lag unser Zelt, schlaff wie ein kaputter Luftballon, darnieder. Der ganze Inhalt war komplett eingeweicht. Wir mussten alles zum Trocknen aufhängen. Ich glaube mich zu erinnern, dass die Bäuerin sogar noch einen Teil der Wäsche waschen musste.

Leider war nach 3 Wochen alles vorbei und wir fuhren wieder nach Hause. Es war ein wirklich schöner Urlaub. Er wäre bestimmt noch schöner gewesen, wäre Romika dabei gewesen.

Das Mädchen da oben auf der Treppe ...

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