Читать книгу Das Mädchen da oben auf der Treppe ... - Harry Robson - Страница 12
Оглавление8. Kapitel
Das Schlimmste war die Trennung von Romika. Wir schrieben uns fast jeden Tag einen Brief. Natürlich gab es bei der Marine viel zu berichten. Alles war neu, anders und völlig unbekannt. Das Zusammensein mit 12 fremden Männern in einer Stube war gewöhnungsbedürftig. Gemeinsames Duschen, gemeinsames Essen, gemeinsame Freizeit. Es gab wirklich nichts, wo man hätte mal für sich alleine sein können.
Glücklicherweise hatte ich den „DLRG Leistungsschein“ und wurde bei schönem Wetter zur Schwimmbadwache eingeteilt. Dadurch blieb mir manch unangenehmer Dienst erspart. Bei der Grunduntersuchung, zu Beginn der Wehrzeit, wurde festgestellt, dass ich schlechte Zähne habe. Also besorgte ich mir so schnell es ging einen Termin beim Anstaltsarzt. Das war ein fertiger Zahnarzt aus Köln, der in jeweils 3-monatigen Abschnitten seinen Wehrdienst absolvierte. Daheim in Köln besaß er eine gutgehende Praxis, die er jedes Jahr für 3 Monate schließen musste, bis sein 18-monatiger Grundwehrdienst abgeleistet war.
Nachdem wir festgestellt hatten, dass wir quasi Nachbarn waren, machte er mir ein erstaunliches Angebot: Er würde mir in den kommenden 3 Monaten meine Zähne komplett überarbeiten und alle Plomben entfernen. Dafür dann überall Goldinlays oder entsprechende Kronen anfertigen. Das würde mich ca. 50 - 80 DM für das Gold kosten. Natürlich war ich einverstanden, zumal er mir versicherte, dass ich die Termine nach Wunsch haben konnte, müsse nur rechtzeitig Bescheid sagen.
Beim Grundwehrdienst lernten wir so allerlei. Besonders verhasst war mir das Rudern. Es handelte sich nicht um Ruderboote, wie man sie vom Rhein oder Bötchensee her kennt, wo man sonntags mit seiner Freundin ein bisschen umherruderte. Es waren Ungetüme, die für eine Atlantiküberquerung gedacht schienen. Die Ruder waren so lang und schwer, dass man sie mit zwei Mann tragen musste. Außerdem lernte man neben dem Rudern das Arbeiten mit Seilen und Tauen. Die waren steinalt und ließen sich kaum bewegen. Schnell hatte man die Finger von kleinen Taustückchen gespickt, die wie kleine Nägel in die Finger stachen, um dort wochenlang herauszueitern. Meine Zähne und der Zahnarzt ließen das jedoch nicht zu, so dass ich nur einmal an dieser Veranstaltung teilnehmen musste. Danach wurde immer ohne mich gerudert.
Ebenfalls zu meinen ungeliebten Übungen zählte das Schießen. Jeder Soldat bekam zu Beginn des Wehrdienstes eine „Braut“. Das war ein Gewehr, Typ G3, für das der Soldat voll verantwortlich war. Geschossen wurde bis auf wenige Ausnahmen mit Übungsmunition. Die machte ordentlich Krach und verbreitete einen fürchterlichen Gestank. Abends, wenn wir vom Kriegsspielen zurück waren, mussten die Dinger zerlegt und gereinigt werden. Anschließend sah man aus wie ein Automechaniker nach dem Ölwechsel. Um diesen unangenehmen Praktiken aus dem Weg zu gehen, verschenkte ich meine Übungsmunition immer an Otto. Er verehrte den Krieg und war immer der Erste, dem die Munition ausging. Otto liebte mich dafür, und mir war es egal. Nach der Reinigungsstunde kam dann immer der UFZ (Unteroffizier vom Dienst) um zu prüfen, ob die Bräute auch schön sauber waren. Zu diesem Zweck schaute er in den Lauf, den er auf Rückstände prüfte, die nun nicht mehr vorhanden sein sollten. Außerdem besaß er noch einen Zahnarztspiegel, den er auch für den Lauf benutzte.
Als er meine Braut prüfte, fragte er scheinheilig, wann ich denn das letzte Mal damit geschossen habe. Da seien Spinnweben im Lauf, die nicht von heute sein konnten. Ohne auf meine Antwort zu warten, nahm er mich und die Braut mit nach draußen und drückte mir 100 Schuss Übungsmunition in die Hand. „Los, schießen!“ befahl er mir, und mit Tränen in den Augen verballerte ich alle 100 Schuss. Wohl wissend, dass durch die Einstellung „Schnellfeuer“ das Gewehr sehr heiß werden würde und die Pulverrückstände sich dadurch richtig fest ins Metall einfraßen. Anschließend musste ich das Gewehr reinigen und um 20: 00 h auf der Wache prüfen lassen. Otto, der große Kriegsherr, erbot sich, mir das Gewehr zu reinigen, wenn ich noch „einen Halben“ dazulegte. Ich versprach ihm das Bier und er putzte wie der Teufel. Die Inspektion zeigte keinerlei Mängel, und Otto bekam auch weiterhin meine Übungsmunition.
Ab und an wurde dann auf dem Manövergelände/Schießstand mit scharfer Munition geschossen. Da half mir dann auch kein Otto. Erstaunlicherweise war ich direkt unter den 3 besten Schützen, was Otto natürlich maßlos ärgerte.
Die große Panik unter den Soldaten löste das Wort „36-Stundenübung“ aus. Hierbei musste der Soldat, mehr oder weniger auf sich selbst gestellt, einige Kriegsaufgaben lösen, nachts im Zelt biwakieren, in der freien Natur sein Geschäft verrichten, aus Konservendosen sein Essen zubereiten und noch so ca. 25 km mit großem Gepäck marschieren. Hier konnte mir der Zahnarzt nun auch nicht mehr helfen. Im Rahmen dieser Übung musste auch ein kleiner Fluss überquert werden. Frühmorgens wurde ein Schlauchboot an die Überquerungsstelle geschafft, einer ruderte auf die andere Seite und befestigte dort ein Sicherungsseil, welches dann an dem Schlauchboot befestigt wurde. Da passte immer ein Zug (ca. 12 Mann) hinein. Im Laufe von zwei Stunden wurde so die ganze Kompanie auf die andere Seite verbracht. Das „Bodenpersonal“, die Leute, die das Ganze sicherten, bestand vorwiegend aus Soldaten, die es geschafft hatten, sich rechtzeitig krankschreiben zu lassen. Leider hatte das bei mir nicht geklappt. Mein UFZ wollte mit aller Gewalt, dass ich die Übung mitmachte. Meine ewigen Zahnarzttermine gingen ihm auf den Sack!
Als sich aber dann herausstellte, dass die Übung auch von einem ausgebildeten Rettungsschwimmer beaufsichtigt werden musste, und ich der einzig verfügbare war, war die „36-Stundenübung“ für mich gestorben. Ich saß am Ufer. Wenn jemand ins Wasser gefallen wäre, hätte ich ihn herausholen müssen. Das Wasser ging knapp bis zur Hüfte, wäre also lösbar gewesen.
Während der Grundausbildung gab es keinen Heimaturlaub. Nach 6 Wochen durften wir samstags bis 22: 00 h raus. Das war’s. Natürlich nur in Uniform. Ich habe mit einem Kumpel ein paar Unterhosen gekauft, und wir waren zusammen essen. Endlich mal keinen Bundeswehrfraß. Andere Kollegen waren da schon weit fortschrittlicher. Einige fuhren nach Hamburg, um dort auf der Reeperbahn einmal so richtig die Sau raus zu lassen. Dort nahm man die Jungs ganz gelassen in die Arme, und als Hamburg mit ihnen fertig war, kamen sie ordentlich durchgeprügelt, nur noch mit Teilen der Uniform bekleidet, natürlich ohne Geld und Truppenausweis, viel zu spät wieder in der Kaserne an. Es hagelte Disziplinarstrafen!
In Sichtweite der Kaserne stand ein Zweifamilienhaus. Von dort winkten immer Frauen zu uns herüber. Die „Braut des Soldaten“, hieß nur so, als Braut konnte man sie, trotz des Laufes, nicht benutzen. Je länger wir in der Kaserne eingesperrt waren, umso größer wurde das Verlangen nach einer Braut für Life. Es war aber ausdrücklich gewarnt worden, dass diese Frauen allesamt kranke Nutten waren, die zwar billig, aber auch hochansteckend waren. Bevor wir das erste Mal rausgelassen wurden, zeigte die Oberste Heeresleitung einen Film, in dem alle bekannten und verfügbaren Geschlechtskrankheiten in epischer Breite erklärt und auch gezeigt wurden. Alles in allem eine sehr unappetitliche Geschichte. Das hätte Warnung genug sein müssen, aber wie sagte der Turnlehrer…
Mein Bettnachbar, also der, der unter mir lag, hatte sich einen Besuch bei den Damen gegönnt und berichtete mit stolzgeschwellter Brust, wie er es „denen“ gezeigt habe. Drei Hühner habe er „gefickt“ und dafür nur 30 DM bezahlt. Billiger ging es nun wirklich nicht. Die Mädels haben jedoch nicht nur 30 DM genommen, sondern ihm auch noch einen ausgewachsenen Tripper geschenkt. Er hatte also mehr bekommen, als er gegeben hatte. Eine echte „Win-Win-Situation“. 14 Tage lang musste er mit vielen anderen morgens um 06: 00 h im Sanitätsbereich auflaufen. Dort gab es eine Spritze gegen den ungebetenen Gast und das Verbot, sich sexuell zu betätigen.
Ich hingegen besaß drei neue Unterhosen, hatte lecker gegessen, kein Geld verloren und auch keine Krankheit gewonnen. Eben auch Win-Win.