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11. Kapitel

Für den Sommer 1971 hatten wir eine Reise nach Mallorca gebucht. Volle drei Wochen. Vorher mussten wir nur Josef, Romikas Vater, davon überzeugen, dass wir in getrennten Zimmern übernachten würden, so dass Sex absolut unmöglich war. Schließlich waren wir nur verlobt, also sexunwürdig. Wir flogen von Köln aus nach Cala Ratjada. Es war wundervoll, ein kleines, einfaches Hotel, ca. 30 Betten, das dem Bürgermeister gehörte. Das Essen war einfach, die Zimmer auch, aber wir hatten ein Badezimmer für uns alleine. Wir waren im 7. Himmel, lagen am Strand, gingen lecker essen, tranken Cocktails, unternahmen diverse Ausflüge und haben uns auch oft geliebt. Viel zu schnell ging die Zeit herum, und als wir sonntags zurückflogen, gab es einen Streik der Fluglotsen. Ganze sechs Stunden saßen wir in dem Flieger fest. Am Tag vorher hatten wir ein Tal mit seltenen Blumen besucht, und ich hatte mir einen allergischen Schnupfen eingefangen.

Meine Nase lief ununterbrochen. Tempotücher, Klopapier, Servietten, alles wurde vom Personal herangeschafft. Um 18: 00 h hoben wir endlich ab und waren 20: 30 h in Köln. Romikas Mutter, die uns gegen 14: 30 h in Köln abholen wollte, war nicht mehr da. Niemand in Köln hatte sich die Mühe gemacht, die Wartenden zu informieren. Also nahm ich meinen Notgroschen, 50 DM. Wir charterten ein Taxi nach Bergheim. Das brachte zuerst Romika nach Hause und dann mich zum Bahnhof, wo ich dann 22: 10 h den Zug nach Köln und damit nach Emden erreichte. Schließlich war ich ab Montag wieder im Dienst, denn ich musste die Republik schützen.

Letztendlich heirateten wir kurz nach dem Urlaub standesamtlich, so dass wir moralisch endlich voll abgesegnet waren. Es gab damals noch den „Kuppeleiparagrafen“. Demzufolge war es verboten, unverheiratete Paare unter einem gemeinsamen Dach nächtigen zu lassen, um die damit verbundene „Unzucht“ zu verhindern. Romikas Eltern standen also immer mit einem Bein im Gefängnis. Das war unmoralisch! Der Klerus hatte damals noch einen sehr starken Einfluss auf die Geschicke der Republik. Erst unter Willy Brandt wurde dieser Einfluss stark zurückgedrängt, der Paragraf wurde abgeschafft. Ebenso wurde Homosexualität erlaubt bzw. nicht mehr unter Strafe gestellt. Mann konnte, wenn Mann wollte, Mann musste aber nicht!

Die Heirat hatte auch den Vorteil, dass ich mehr Sold und eine Trennungsentschädigung bekam. Eine Menge Geld damals. Wir legten jeden Groschen auf die hohe Kante. Romika kellnerte an Wochenenden, an denen ich in der Kaserne bleiben musste, in Königswinter. Damals noch das Eldorado am Rhein, was rheinische Gemütlichkeit, Frohsinn und Komasaufen betraf. Wir kellnerten auch zusammen bei Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen usw. Oft waren wir jedes Wochenende ausgebucht.

Im Herbst 1971 konnte Romika für uns eine Wohnung mieten. Romikas Mutter meinte zwar, dass ich weiterhin bei Romika im Zimmer übernachten könne, aber das war entschieden zu eng. Ich musste dort im Schlafsack auf dem Boden schlafen, das Bett war nur 90 cm breit. In Emden hatte ich in einem Möbelgeschäft (Europa-Möbel) Möbel entdeckt, die mir gefielen. Ich sendete Romika den Prospekt und ihr gefielen die auch. Da es sich um eine bundesweite Kette handelte, konnte sie die Möbel in Bonn bestellen. Irgendwann im Herbst 1971 wurden die Möbel geliefert. Eines Abends holte sie mich am Bahnhof ab, und wir gingen gemeinsam in unsere erste Wohnung. Es war einfach überwältigend. Wir haben vor Freude geweint. Keine Eltern mehr, die einem reinreden, keine nervigen Geschwister, kochen was man will, eigenes Fernsehen und Radio, ein 2 X 2 Meter Bett, und und und…

Gegen Ende der Dienstzeit baute ich mir einen „Restdienstzeitkalender“. Es war üblich, sich für die restlichen 150 Tage Bundeswehr ein Maßband zu kaufen, um dann jeden Tag einen Zentimeter davon abzuschneiden. So konnte man auf einen Blick erkennen, wieviel Tage Mann noch absitzen musste. Es war sehr lästig, das Maßband in der Hosentasche zu tragen, da es sich immer abwickelte. Ich ließ mir also beim Glaser quadratische Glasscheiben von 5 cm Kantenlänge schneiden. Die klebte ich mit Tesafilm zu einem kleinen Kästchen zusammen, in dem mein Maßband Platz hatte. Auf einer Seite war ein kleiner Schlitz, aus dem das Maßband putzig herausguckte. So konnte man bequem abschneiden und gucken, was Sache ist.

Da ich ja den Tag in der Registratur verbrachte, stand mein „Restdienstzeitkalender“ auf meinem Schreibtisch. Unserem Spieß gefiel das nun überhaupt nicht, er sah darin eine Provokation und Unterwanderung der Wehrmoral. Das Teil wurde verboten! Was tun? Natürlich eine Beschwerde, in der ich auf über fünf Seiten ausführlich zu diesem Sachverhalt Stellung bezog. Der oberste Boss ließ sich von mir das Teil zeigen und Sinn und Zweck erklären. Es sah darin nichts Schlimmes, und das Teil durfte wieder auf den Tisch.

Eines Tages kam der Spieß zu mir und bat mich um einen „persönlichen Gefallen.“ Das musste schon eine haarige Sache sein, denn seit meiner Restdienstzeitkalenderaktion mochte er mich nicht mehr. Die Sache sei folgende: Jeden Monat müsse bis zum 5. Werktag eine Statistik an die vorgesetzte Dienststelle geliefert werden, in der haarklein aufgelistet sei, wer im abgelaufenen Monat von den Soldaten am Dienst teilgenommen habe, wegen Krankheit nicht teilgenommen habe, sowie abkommandiert, auf Urlaub, im Krankenhaus oder sonst wo gewesen war. Nun habe er, der Spieß, den Termin versemmelt und ich solle doch bitte den Gefreiten in der Schreibstube bei der vorgesetzten Dienststelle anrufen und ihn bitten, den Eingangsstempel entsprechend anzupassen, so dass die Meldung „fristgerecht“ angekommen sei. Offensichtlich wurde dann aus all diesen Statistiken berechnet, ob man im Vormonat in der Lage gewesen wäre, Krieg zu führen oder wegen Personalmangel den Feind um Terminverschiebung hätte bitten müssen.

Dieser eminent wichtigen Aufgabe nahm ich mich sofort an. Durch entsprechende Telefoniererei fand ich den zuständigen Kollegen. Nach ein bisschen Smalltalk weihte ich ihn in die Verschwörung ein, und zu meinem Erstaunen lachte er laut und herzlich auf. Ich hatte das Gefühl, er würde sich den Bauch vor Lachen halten. Als er sich beruhigt hatte, erklärte er mir, er habe schon mal hier angerufen, aber niemanden erreicht. Diese Meldung müsse seit zwei Jahren nicht mehr abgegeben werden. Er habe sie immer in den Papierkorb geschmissen. Mit dieser brisanten Neuigkeit machte ich mich sofort auf den Weg zum Spieß. Der verstand die Welt nicht mehr. Er sah sich innerhalb von Sekunden seines Kerngeschäftes beraubt, und das machte unser Verhältnis nicht einfacher.

Das Mädchen da oben auf der Treppe ...

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