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NÄHE UND BERÜHRUNG GOTTES IM SEELENGRUND

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In der Mystik dagegen berührt den Menschen das Jenseitige selbst. Nach christlicher Sicht zeigt sich damit die seltene und nur gnadenhaft erfahrbare Nähe Gottes, die sich unmittelbar im innersten Seelengrund dem Menschen mitteilt. Es ist die Begegnung der menschlichen Person mit dem Du des personalen und dreieinigen Gottes. In dieser göttlichen Berührung werden liebende Einheit und Nähe erfahren, ohne dass der Unterschied von Geschöpf und Schöpfer aufgehoben wird. Mystik in diesem Sinne meint nicht Auflösung des Ich im Göttlichen wie ein Tropfen im Meer, sondern Einheit in Liebe. Wäre die Begegnung mit dem Göttlichen ein Verlöschen des bewussten Ich in der Vereinigung mit einem All-Einen, wie es asiatische Heilslehren anstreben, könnten wir nach dem flämischen Waldmönch und Mystiker Jan van Ruysbroeck (1293–1381) in der mystischen Erfahrung nicht seliger sein als ein Stein.

Die mystische Theologie spricht nach altchristlicher Lehre auch von der Gottesgeburt im tiefsten Seelengrund und von der Ankunft des göttlichen Wortes. Meister Eckhart (1260–1328) nennt den dafür empfänglichen Teil der Seele das Bürglein oder das Seelenfünklein. Tastend nach Worten und Bildern versuchen die Mystiker das Unsagbare ihrer Erfahrung doch mitzuteilen. In Predigten über das Hohelied, eine in den Kanon des Alten Testamentes aufgenommene altorientalische Liebesdichtung, verwendet Bernhard von Clairvaux (1090–1153) das Gleichnis der Brautschaft für die zarte Annäherung von Seele und göttlichem Wort. Unfasslich und nur andeutbar ist für Jan van Ruysbroeck die Begegnung mit dem göttlichen Bräutigam; sie ist geistliche Hochzeit, letztlich unerreichbares Geheimnis der Anwesenheit des dreieinigen Gottes in der Verborgenheit des Geistes. Für Mechthild von Magdeburg (1207–1282) ist es vor allem das Bild des Fließens oder das fließende Licht, das ihr besonders angemessen erscheint, um die liebende Nähe Gottes zu umschreiben. Darum nannte sie ihr Buch, in dem sie davon berichtet, Das fließende Licht der Gottheit. Verschwenderische, fließende, quellende göttliche Fülle ist auch für die Helftaer Mystikerin Mechthild von Hackeborn (1241–1299) ein Grunderleben ihrer Gottesbegegnung. Teresa von Avila (1515–1582), die große spanische Mystikerin, vergleicht die Seele mit einer Burg, in deren verborgener innerster Kammer man Gott begegnen kann.

Die bedeutendsten Mystiker

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