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ORIGENES (UM 185–253)

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Origenes hat als theologischer Lehrer in den Gemeinden von Alexandria und Cäsarea gewirkt, als die junge Christenheit noch eine verfolgte Minderheit war. Der römische Staat betrachtete die christlichen Gemeinden als Fremdkörper und Bedrohung, weil sie die religiöse Verehrung des Kaisers verweigerten. Origenes selbst ist Opfer der immer wieder aufflammenden Christenverfolgungen geworden. Auch die theologischen Grundlagen der sich lebhaft über Kleinasien, Syrien und Ägypten ausbreitenden Kirche waren noch längst nicht gesichert. Um viele Grundfragen wurde heftig gestritten, und fremdes Gedankengut aus der hellenistischen Philosophie und den wild wuchernden Spekulationen der Gnosis drohten das ursprünglich Christliche zu überformen. Origenes hat den Wesenskern des christlichen Glaubens gegenüber den konkurrierenden philosophisch-theologischen Richtungen abgegrenzt, zugleich aber auch ihre Denkmuster übernommen, insbesondere die der platonischen Philosophie, wenn er damit das christliche Denken vertiefen konnte. Obwohl sein Werk nicht von Irrwegen frei ist und später in Teilen verurteilt wurde, blieb es über die Jahrhunderte äußerst fruchtbar für die Theologen nach ihm. Zum Verständnis der mystischen Erfahrung hat Origenes vor allem mit seiner Lehre von den geistlichen Sinnen der Seele beigetragen, und entsprechende Selbstzeugnisse lassen darauf schließen, dass er selbst ein erfahrener Mystiker war.

Immer bedroht und von einer unbeugsamen Gläubigkeit geprägt war das christliche Leben, in das Origenes um 185 in Alexandria als Sohn kirchentreuer, christlicher Eltern hineingeboren wurde. Zwanzig Jahre vor seiner Geburt war der bedeutende christliche Philosoph Justin den Märtyrertod gestorben. 202 wurde Origines’ Vater Opfer der unter Septimius Severus (146–211) erneut verschärften Verfolgungen. Der erst siebzehnjährige Origenes konnte nur mit Mühe von seiner Mutter davon abgehalten werden, ihm freiwillig in das Martyrium zu folgen. Enthusiastisch und unter Anspannung all seiner Energien widmete er sich fortan dem Studium und der Verbreitung christlicher Lehren. Und er strebte nach radikaler Verwirklichung einer christlichen Lebensform, zu der nach seinem Verständnis die äußerste Bedürfnislosigkeit und gänzliche Abkehr von allem Weltlichen gehörte. Lange hielt sich das Gerücht, das wohl seine Gegner in Umlauf setzten, er habe sich selbst entmannt.

Die Grundlagen für seine umfassende theologisch-philosophische Bildung hat ihm der Athener Philosoph Clemens (140/150–vor 216) vermittelt, der um 200 in Alexandria eine freie christliche Gelehrtenschule eröffnete. Origenes wurde sein bedeutendster Schüler und Nachfolger. Diese sogenannte Schule von Alexandria hat in der Auseinandersetzung mit den hellenistisch-gnostischen Lehren die Theologie außerordentlich bereichert und zentrale Fragen der konkurrierenden geistigen Strömungen, etwa die nach der Entstehung der Welt und dem Aufbau des Kosmos, aus christlicher Sicht behandelt. Von Origenes wurde mit dem Gedanken, dass die Seele wieder zurück zu Gott aufsteigen will, ein platonisches Element in das christliche Denken eingeführt, das zum Grundmotiv der Mystik geworden ist. Anders als etwa im Neuplatonismus, dessen Gründer Plotin (205–270) ebenfalls in Alexandria, aber in der Philosophenschule des Platonikers Ammonios Sakkas († 242/243) studiert hat, bedeutet dieses christlich gewendete Motiv keine Selbsterlösung. Man kann sich jedoch für den Aufstieg der Seele bereit machen, indem man sein Leben christlich ordnet, „Geld und Reichtümer und selbst die Erde und den Himmel“, die doch vergehen werden, gering schätzt und sich in die Liebe zu Gott vertieft. Zuletzt aber muss Gott seiner Geliebten, der Seele, entgegenkommen und zu ihr herabsteigen zur geistlichen Umarmung, also der mystischen Einigung als dem Ziel des Aufstiegs der Seele. In seinen Predigten zum Hohenlied, einer orientalischen Liebesdichtung aus dem Kanon der alttestamentlichen Schriften, hat Origenes die mystische Einigung in Bildern dieser Dichtung ausgelegt. Schon in der jüdischen Tradition war das Hohelied allegorisch auf einen geistlichen Sinn hin ausgelegt worden. Man deutete das liebende Spiel von Braut und Bräutigam symbolisch als Bild für das innige Verhältnis Gottes zu seinem auserwählten Volk Israel. Nach der christlichen Auslegung dieses Textes sah man in der Braut die Kirche oder die menschliche Seele, im Bräutigam Christus den Logos, das Wort Gottes. In diese Bilder übersetzt, ist für Origenes die höchste Stufe des Aufstiegs der Seele zu Gott der Empfang des kommenden Bräutigams, also des Gottessohnes, der sich zu seiner Braut, der Seele herabneigt.

Die liebende Annäherung des göttlichen Bräutigams im mystischen Erleben wird nach Origenes durchaus sinnlich erfahren und damit bewusst, allerdings im übertragenen Sinne einer geistlichen, „unsinnlichen“ Sinnlichkeit der Seele, über die Gott dem Menschen seine Gegenwart mitteilen kann. Auf diese Sinne des Herzens ist Origenes auch in seinen Predigten und Bibelkommentaren immer wieder zurückgekommen. Die Seele erfährt so die Ankunft ihres göttlichen Bräutigams als Kuss und Umarmung, als Duft, der alle Duftstoffe übertrifft, als Süßigkeit und wahre Speise des göttlichen Logos, als Anblick „geheimnisvoller und verborgener Schätze“ im Gemach des Königs, also in unmittelbarer Gegenwart Gottes, als gesungene „Worte der Liebe“, als Wonneschmerz sehnender Gottesliebe, als sei man von einem „Pfeil verwundet“. Die Seele also sieht, hört, schmeckt, riecht, und ertastet ohne die Vermittlung körperlicher Sinne auf eine geistliche Weise die Nähe des göttlichen Bräutigams. Origenes hat damit der Theologie ermöglicht zu verstehen, wie der Mensch in seiner endlichen leiblichen Existenz berührt werden kann vom unendlich ihn übersteigenden geistigen Sein Gottes. Auch die Gottesgeburt in der Seele als ein Bild für die mystische Einigung ist bei Origenes bereits vorgebildet, also tausend Jahre vor Meister Eckhart, dessen Name damit vor allem in Verbindung gebracht wird. In seinen Predigten hat Origenes dieses zentrale Bild der christlichen Mystik geprägt. So heißt es bei ihm: „Wird nun also der Erlöser immerdar … vom Vater geboren, so gebiert auch dich, wenn du den Geist der Sohnschaft empfangen hast, Gott in ihm bei jeglichem Werke, bei jeglichem Sinnen, und also geboren wirst du immerdar als Sohn Gottes in Christus Jesus.“

Origenes hat seine umfassenden Kommentare der biblischen Schriften und seine zahlreichen Predigten auf sechstausend Papyrusrollen niedergelegt. Immer suchte er hinter der wörtlichen Bedeutung den innersten geistlichen Sinn der von ihm ausgelegten Schriftstellen und ist damit wegweisend für die Exegese geworden. Der wohlhabende Christ Ambrosius unterstützte Origenes, indem er dessen Schriften kopieren und verbreiten ließ. Bischof Demetrios von Alexandria († 231/232) förderte ihn zunächst und berief ihn zum Katecheten, also zum Lehrer für die Unterweisung der dem christlichen Glauben zahlreich zuströmenden Taufbewerber. Die Kirche in Ägypten sollte bald hundert Bischofssitze zählen. Als Origenes aber um das Jahr 230 während einer Reise in Cäsarea ohne Genehmigung seines Bischofs die Priesterweihe empfing, wandte sich der verärgerte Demetrios von ihm ab. Er setzte durch, dass die Weihe für ungültig erklärt wurde und Origenes nicht mehr als kirchlicher Lehrer in Alexandria wirken durfte. So seines Lebenssinns beraubt, ging Origenes nach Cäsarea, wo ihm der dortige Bischof wohlgesinnt war, sodass er seine Lehrtätigkeit fortsetzen konnte. Origenes stand mit sechsundvierzig Jahren auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft und blieb weitere zwanzig Jahre außerordentlich produktiv tätig, weiter gefördert durch den Laienchristen Ambrosius, der ihm Schreiber zu seiner Unterstützung an die Seite stellte.

Es war keine geruhsam-beschauliche Zeit, in der Origenes seine letzten Jahre verbrachte. Unter Kaiser Maximinus Thrax (235–238) wurden wieder christenfeindliche Gesetze erlassen, was Origenes veranlasste, die Gläubigen mit einer seiner Schriften zur Standhaftigkeit zu ermutigen und auf das Martyrium vorzubereiten. Mit den antichristlichen Thesen des platonischen Philosophen Celsus (2. Jh.) setzte er sich in einer um 248 entstandenen ausführlichen Gegenschrift auseinander. Bei aller literarischen Wirksamkeit und rastlosen Lehr- und Predigttätigkeit führte Origenes ein verinnerlichtes religiöses Leben. In seiner Hohelied-Auslegung, die spätere große Mystiker wie Bernhard von Clairvaux und Wilhelm von Thierry inspiriert hat, findet sich einer der eindringlichen Berichte christlicher Mystiker über eigene Gottesbegegnungen: „Allerdings kann man das [die Begegnung von göttlichem Bräutigam und seiner Braut, der Seele] nicht erkennen, wenn man es selbst nicht erleidet. Häufig, Gott ist mein Zeuge, sah ich den Bräutigam sich mir nahen und ganz nahe bei mir sein. Doch plötzlich zog er sich zurück, und ich konnte ihn dann nicht finden, den ich suchte. Daher sehnte ich mich von Neuem nach seiner Ankunft, und manchmal kommt er wieder. Und wenn er erschienen ist und ich ihn mit meinen Händen erfasst habe, dann entgleitet er wieder. Wenn er entglitten ist, wird er von mir wieder gesucht. Und das tut er häufig, bis ich ihn wirklich festhalte und hinaufsteige.“

Im Jahr 250 flammten unter Kaiser Decius (249–251) die Christenverfolgungen erneut auf. Papst Fabian erlitt gleich zu Beginn in Rom den Märtyrertod. Origenes wurde verhaftet und gefoltert. Zwar ließ man ihn wieder frei, doch er starb wenige Jahre später, 253 oder 254, an den Folgen der Misshandlungen. Die Theologen nach ihm bauten auf seinem riesigen Werk auf. Unklarheiten in seiner Lehre der Dreieinigkeit über das Verhältnis der drei göttlichen Personen – Vater, Sohn und Heiliger Geist –, die zu Origenes’ Zeiten allerdings noch gar nicht voll entfaltet war, gaben im 4. und 6. Jahrhundert Anlass für heftige theologische Auseinandersetzungen um sein Werk. Origenes sah im Gegensatz zur später erst festgeschriebenen Lehre den Sohn als dem Vater untergeordnet. Auch manche Theorien der Gnosis sind in seine Lehre eingegangen, etwa die von der vorgeburtlichen Existenz der Seele und der Beseelung der Himmelskörper. 553, auf dem Konzil von Konstantinopel, wurden Teile seines Werkes als Irrlehren verurteilt und der Vernichtung überantwortet. Nur ein Drittel seiner Schriften ist daher überliefert.

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