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Bronisław Malinowski, der Gründerheros der modernen Ethnologie, forderte von seinen Schülern einen mindestens zweijährigen Aufenthalt in der Fremde. Meine Forschungsaufenthalte in Ostafrika dauerten sehr viel länger; mit Unterbrechungen kehrte ich in einem Zeitraum von sieben bis acht Jahren immer wieder an denselben Ort zurück. Meist hielt ich mich nur zwei bis vier Monate am Stück in Afrika auf, weil ich Mann und Kind nicht zu lange alleinlassen wollte. Der Aufenthalt zu Hause erlaubte mir, Distanz zu gewinnen, zu lesen und nachzudenken, um mich dann mit neuen Fragen wieder nach Afrika zu begeben. Das Verschwinden und die wiederholte Rückkehr an den Ort der Forschung stellten sich als unerwartete Maßnahme der Vertrauensbildung heraus. Ich verschwand nicht auf Nimmerwiedersehen, sondern kam zurück; die Rückkehr war kein leeres Versprechen, denn ich brachte auch die Geschenke mit, die ich versprochen hatte. Was das Wiederkommen betraf, stellte ich mich als verlässlich heraus. Tatsächlich gab dieses Hin und Her zwischen Europa und Afrika meinem Leben einen festen Rhythmus der Zerrissenheit.

Während die ethnografische Feldforschung auch als eine Art Besessenheit beschrieben werden kann – die fremde Kultur ergreift von mir Besitz und die Subjekt/Objekt-Relationen lösen sich teilweise auf –, so geht das Schreiben der Monografie zu Hause mit einem Rückgewinn der im Feld verlorenen Macht einher. Dieses Schreiben hat Michael Harbsmeier als »Heimkehrritual«7 bezeichnet, durch das die Heimgekehrte »gereinigt« wird und sich reintegriert. Während sich im Feld Ethnografin und Ethnografierte im Idealfall einander annähern und gemeinsam die zu ethnografierende Kultur erfinden8, vollzieht sich im Schreibprozess ein Exorzismus, der oft genug die Freunde und Gesprächspartner in der Fremde in den Hintergrund treten lässt. Stattdessen rücken die Kollegen, für die oder gegen die man schreibt, ins Zentrum. Im partiellen Ausblenden der Gesprächspartner im Feld behauptet sich die Ethnologin als Autorin; sie tritt wieder ganz und gar in den wissenschaftlichen Diskurs ein, den sie nie völlig verlassen hatte. Sie bleibt im Genre des Forschungsberichtes gefangen und damit im schriftlichen Diskurs mit seinen kolonialen und postkolonialen hierarchischen Ordnungen, auch noch oder gerade in der Umkehrung.

Ich werde jedoch im Folgenden weniger über den Prozess des ethnografischen Schreibens als vielmehr über das Nachleben der ethnografischen Texte berichten. Sie zirkulierten nicht nur im akademischen Milieu, sondern kehrten auch – übersetzt – als Gegengabe zu den Ethnografierten zurück. Denn der Dialog und die Auseinandersetzung hören auch nach der Publikation einer Monografie nicht auf. Die Texte, die gefüllt sind mit dem Wissen der Ethnografierten, finden den Weg zu ihnen zurück; sie werden (hoffentlich) auch von ihnen gelesen, und dann können die Subjekte der Forschung, wenn sie wollen, Rache nehmen, Kritik üben, den Text umschreiben, ihn aufnehmen oder auch weiterschreiben.

Menschwerdung eines Affen

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