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Seit Langem erreichen wechselseitige Informationen und Wissen übereinander die Peripherien unserer Welt. Alle Regionen, in denen ich ethnografisch gearbeitet habe, waren bereits von anderen Ethnologen besucht und erforscht worden. In den Antworten meiner lokalen Gesprächspartner traf ich also nicht unbedingt nur auf vermeintlich authentisches Wissen, sondern manchmal auch auf die Spuren meiner Kollegen. Auf diese Weise sind Ethnologen und die Subjekte ihrer Forschung einander sowohl a priori vertraut und bekannt wie auch fremd. Ihre Geschichten und die der Ethnografierten sind lange schon eng miteinander verwoben und Transformationen voneinander. Es mag in Zukunft vor allem darum gehen, in einem Prozess nicht endender Reflexivität vor allem die Gemeinsamkeiten und weniger die Differenzen zwischen den verschiedenen Versionen so genau wie möglich zu bestimmen.

Mit dem Bericht über meine vier ethnografischen Forschungen in Kenia und Uganda in einem Zeitraum von fast fünfzig Jahren enthält dieses Buch auch ein Stück Ethnologiegeschichte, eine Geschichte der Veränderungen des Machtgefüges und der Debatten sowie eine eher implizite Auseinandersetzung mit ihren Theorien, Methoden, Medien und deren Kritik. Dies ist auch ein Versuch der Dekolonialisierung der ethnografischen Arbeit. Die (post-)kolonialen Verhältnisse im Verlauf dieser fünfzig Jahre haben zwar eine radikale Veränderung erfahren, aber das »Elend der Welt«9, wie Pierre Bourdieu den Zustand der Globalisierung bezeichnet hat, ist nicht beendet. Im Gegenteil, neue Formen der Abhängigkeit und Kolonialisierung bildeten und bilden sich heraus, die ein Elend produzieren, das in manchen Regionen heute vielleicht noch größer ist als zur Zeit des klassischen Kolonialismus. Unter diesen Bedingungen bleibt die Dekolonialisierung ein nicht abzuschließendes Projekt.

Während ich im Folgenden die vier verschiedenen Feldforschungen chronologisch in einzelnen Kapiteln darstelle, bleiben die jeweiligen Berichte fragmentarisch und springen in der Zeit vor und zurück, sodass das Alte manchmal näher erscheinen kann als die jüngere Vergangenheit. Die einzelnen Fragmente haben den Status von Vignetten. Da die Monografien, die ich über die verschiedenen Forschungen geschrieben habe – mit einer Ausnahme –, auf Englisch (und Französisch) publiziert wurden, ist dieser Text auch eine Rückkehr zur deutschen Sprache. Er stützt sich wesentlich auf bereits veröffentlichte Texte, die umgeschrieben und erweitert eine neue Fokussierung erfahren.

Eine Autobiografie schreiben heißt, in einer rückläufigen Bewegung am Anfang anzukommen. Deshalb erfährt im Epilog der Affe ein Comeback. Er erscheint noch einmal in seiner Vieldeutigkeit als »Wilder«, als Nachahmer, als Forscher und als »akademischer Affe« – so wie Franz Kafka ihn in seinem »Bericht für eine Akademie« von 1917 auftreten ließ.

Menschwerdung eines Affen

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