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1.2.4 DIE ZUVERLÄSSIGKEIT DER SYMPTOME

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Die Qualität der Symptome spielt eine entscheidende Rolle für die Zuverlässigkeit der Mittelbestimmung. Aufgrund der Erfahrungen in der ADHS-Behandlung wurde bei der Vorbereitung der schweizerischen ADHS-Doppelblindstudie eine Untersuchung mit dem Ziel durchgeführt, unzuverlässige Symptome zu ermitteln. Dazu wurde die Symptomen-Auswahl der Kasuistiken analysiert, bei denen zunächst ein unpassendes und in der Folge ein passendes Mittel gegeben wurde. Die Symptome, die oft oder häufig zu Fehlverordnungen führten, konnten auf diese Weise identifiziert werden. Die Auswertung von 100 Kasuistiken ergab 77 unzuverlässige Symptome, darunter 44 Gemütssymptome, 9 Wettermodalitäten und 6 Nahrungsmittel-Symptome (Verlangen/ Abneigung/ Verschlimmerung). In der Folge wurden diese Symptome von der Repertorisation ausgeschlossen.

Durch deren Häufigkeit kam es damit in vielen Fällen zu einer Symptomenarmut, die die Arzneimittelbestimmung zusätzlich erschwerte. Als Ersatz für die unzuverlässigen Symptome boten sich die Modalitäten der Wahrnehmungsstörungen der ADHS-Patienten an. Diese waren bis zu diesem Zeitpunkt nicht verwendet worden, weil sie gemäß gängiger Vorstellungen als pathognomonische Symptome nicht in eine Repertorisation einfließen sollten. Deren Verwendung führte aber sofort zu einer deutlichen Verbesserung der Resultate.

Der Begriff pathognomonisch wurde erstmals von Jahr in die Homöopathie eingebracht. Dunham erläuterte später in seinen Publikationen, welche Bedeutung die homöopathischen Ärzte des 19. Jahrhunderts diesen Symptomen beimaßen: Als pathognomonisch galten damals irreversible Organveränderungen, die von der Repertorisation ausgeschlossen werden sollten.11,12,13 Pathognomonisch sind nach heutiger Interpretation aber diejenigen Symptome, auf denen die schulmedizinische Diagnose einer Krankheit basieren kann. Diese gehören nicht selten zu den charakteristischen Symptomen, so dass deren Ausschluss von der Repertorisation eigentlich eine Missachtung des Ähnlichkeitsprinzips ist. Die falsche Interpretation des mehrdeutigen Begriffs „pathognomonisches Symptom“ hat deshalb verhängnisvolle Auswirkungen auf die Präzision homöopathischer Verschreibungen.

PATHOGNOMONISCHE SYMPTOME KÖNNEN ZU DEN CHARAKTERISTISCHEN PATIENTEN-SYMPTOMEN GEHÖREN. SIE DÜRFEN IN DIESEM FALL NICHT VON DER REPERTORISATION AUSGESCHLOSSEN WERDEN.

Warum aber können Gemütssymptome irreführend sein? Die Abteilung „Gemüt“ ist das kleinste Kapitel im TB. Bönninghausen begründet das damit, dass Gemütssymptome oft Nachwirkungen und deswegen keine verlässlichen Symptome seien. Außerdem weist er darauf hin, dass psychische Symptome oft übersehen oder falsch beurteilt werden. Er empfiehlt den Gemütszustand in seiner Subtilität in den Quellenwerken nachzuschlagen. Deswegen beschränkt er sich in dieser Abteilung auf das Notwendigste. Großen Wert legt er darauf, dass der Gemütszustand erst bei der abschließenden Differenzierung der in Frage kommenden Mittel in Betracht gezogen wird. Bönninghausen bezieht sich dabei ausdrücklich auf den während einer Erkrankung geänderten Gemütszustand (siehe ORG § 210 ff, insbesondere die Fußnote zu ORG § 210). „Die in gesunden Zeiten Geduldigen, findet man oft im Krankheitsfalle störrisch, heftig, hastig, oder auch unleidlich eigensinning und wiederum auch wohl ungeduldig oder verzweifelt; die ehedem Züchtigen und Schamhaften findet man nun geil und schamlos [...]“.

GEMÜTSSYMPTOME WERDEN AM BESTEN ERST BEIM MATERIA MEDICA-VERGLEICH IN DIE MITTELWAHL EINBEZOGEN.

Im Gegensatz zu den Gemütssymptomen sind Modalitäten in der Regel eindeutig. Unabhängig vom individuellen, kulturellen oder sprachlichen Hintergrund wird zum Beispiel die Kälte- oder Wärmeempfindung überall gleich wahrgenommen. Auch andere polare Symptome wie Durst und Durstlosigkeit lassen wenig Spielraum für Fehlinterpretationen. Aufgrund der Erfahrungen in der ADHS-Studie kann deshalb eine Hierarchie der Zuverlässigkeit der Symptome erstellt werden (Tabelle 2, Symptomenzuverlässigkeit von oben nach unten abnehmend).

Tabelle 2: Hierarchie der Zuverlässigkeit der Symptome


Die Polaritätsanalyse in der Homöopathie

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