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VORWORT

IN UNSEREM BESTREBEN, DIE HOMÖOPATHIE VORAN ZU BRINGEN, MÜSSEN SICH WISSEN, RATIONELLE METHODEN UND BESSERE RESULTATE GEMEINSAM ENTWICKELN.

– RUSSELL MALCOLM

HOMÖOPATHISCHE VERSCHREIBUNGEN VERBESSERN...

„Macht‘s nach, aber macht‘s genau und sorgfältig nach.“ Mit diesen Worten ermahnte Hahnemann seine Rezensenten zur genauen Umsetzung der Homöopathie (Reine Arzneimittellehre [RA], Band 3, S. 5)1. Trotzdem hat sich die Homöopathie seit ihrer Entdeckung vor über 200 Jahren in eine fast atemraubende Vielfalt von verschiedenen Richtungen entwickelt. Fordert man heute in einem Seminar die Teilnehmer auf, zu einer Kasuistik die bestpassende homöopathische Arznei zu ermitteln, so werden in der Regel viele Vorschläge in den Raum gestellt. Für Außenstehende erweckt dies den Eindruck einer erheblichen Orientierungslosigkeit. Im Gegensatz dazu wird von Hering berichtet, dass er Mitte des 19. Jahrhunderts einen Versuch machte, bei dem er die Krankengeschichte eines Patienten an 33 Kollegen verschickte, mit der Aufforderung das passende Arzneimittel zu bestimmen. Er erhielt 22 Antworten, welche zum selben Mittel rieten.2 Offensichtlich herrschte damals noch ein Konsens über die Vorgehensweise der Arzneimittelbestimmung. Im Hinblick auf die in den letzten Jahren häufigen und heftigen Angriffe auf die Homöopathie ist es verhängnisvoll und zu deren Schaden, wenn die Mittelbestimmungen nicht reproduzierbar sind. Die meisten neuen Methoden, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts in die Homöopathie Eingang fanden, sind statistisch nicht evaluiert worden: Man weiß also nicht, wie sie sich auf die Behandlungsresultate auswirken, ein Umstand der durch Outcome-Studien dringend korrigiert werden sollte. Diese wären auch ein bedeutender Schritt, um der Homöopathie den Stellenwert zu geben, der ihr im gesamten medizinischen Umfeld zukommen sollte.

Die hier vorgestellte Polaritätsanalyse (PA) ist während der Schweizerischen ADHS-Doppelblindstudie (ADHS=Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom) entwickelt worden. In dieser Arbeit ging eine mehrheitlich aus Schulmedizinern bestehende Forschergruppe von der Hypothese aus, dass Homöopathie nur Placebo-Wirkungen verursacht. Für die homöopathischen Kollegen im Team war es eine Herausforderung, möglichst präzise Verordnungen zu treffen, um einen Unterschied zwischen hochpotenzierten homöopathischen Arzneimitteln und Placebo beweisen zu können und diese Hypothese zu widerlegen.3 Der Beweis ist deutlich gelungen.

Da die ADHS-Behandlung eines der anspruchsvollsten Gebiete der Homöopathie ist, musste die Methodik optimiert und alles hinterfragt werden, was sich negativ auf die Ergebnisse auswirken konnte. Eine zentrale Aufgabe war die Überprüfung der Zuverlässigkeit der zur Mittelbestimmung verwendeten Elemente, d.h. die Qualität der Symptomenbeobachtung durch die Patienten, die Gewichtung der Symptome bei der Repertorisation, die Rolle der pathognomonischen Symptome und die Qualität des Repertoriums. Bei dieser Bereinigung haben sich die ursprünglichen Anweisungen Hahnemanns, Bönninghausens und Herings bestätigt. Zudem ist mit der Entwicklung der Polaritätsanalyse eine neue, sehr effiziente Methode der Arzneimittelbestimmung entstanden.4,5,6 Die Übertragung der bei ADHS-Patienten gewonnenen Erkenntnisse auf die Behandlung akuter und chronischer Erkrankungen sowie auf multimorbide Patienten führte zu einer deutlichen Steigerung der Treffsicherheit der Verschreibungen und der Qualität der Besserungen.

Das vorliegende Buch soll dem Leser ein autodidaktisches Einarbeiten in die Polaritätsanalyse ermöglichen. Deswegen enthält es sehr viele Fallbeispiele, die die Methode in allen Facetten darstellen, und als Übungsfeld dienen. Der Lerneffekt ist am größten, wenn die beschriebenen Fallstudien selbst nachvollzogen werden: In der praktischen Arbeit wird die erleichterte Mittelfindung schnell verständlich. Dazu sei dem Leser die Anschaffung des PC-Programmes der revidierten Ausgabe von Bönninghausens Therapeutischem Taschenbuch (TB), das in mehrere Sprachen übersetzt worden ist, empfohlen.7,8 Es handelt sich um das beste derzeit erhältliche Repertorium mit Polaritätsanalyse (www.boenninghausen.de). Die Quizfragen zu jedem Abschnitt dienen zur Selbstkontrolle des Erlernten. Am besten geht man so vor, dass nach dem Studium der ersten zwei Kapitel direkt damit begonnen wird, akute Erkrankungen eigener Patienten zu behandeln (Modul 1). Die Kombination von Theorie und Praxis ergibt den höchsten Lerneffekt, und zugleich durch gute Ergebnisse eine Motivation mit der Methode weiterzufahren. Nach dem Studium des dritten und vierten Kapitels über chronische und psychische Erkrankungen kann die Behandlung eigener chronischer Fälle in Angriff genommen werden (Modul 2). Als letztes empfiehlt sich, nach dem Studium des 5. Kapitels, die eigenen Möglichkeiten in der Behandlung von ADHS/ADS-Patienten und von multimorbiden Erkrankungen zu erproben (Modul 3). Zeichnen Sie die Ergebnisse Ihrer Behandlungen von Beginn an in den dafür vorgesehenen Tabellen auf.

Eine wichtige Bedingung für das Erreichen guter Resultate, ist die konsequente Anwendung der Methodik. Im weiteren ist der behandelnde Arzt auf die Fähigkeit der Patienten angewiesen, ihre Symptome, ganz besonders die polaren Symptome, genau zu beobachten und zu beschreiben. Eine seiner Hauptaufgaben ist, sich zu vergewissern, dass das, was die Patienten an polaren Symptomen übermitteln, genau dem entspricht, was das Repertorium unter seiner Symptomenformulierung versteht.

Bei oberflächlicher Betrachtung mag im Hinblick auf die in anderen Methoden übliche Betonung psychischer Symptome der Eindruck entstehen, dass die Polaritätsanalyse sehr mathematisch geprägt ist. Da sich psychische Symptome in der ADHS-Behandlung als wenig zuverlässig erwiesen haben, werden sie in der neuen Methode erst im Materia medica-Vergleich in die Mittelwahl einbezogen. In den Evaluationsstudien (Kapitel 6) zeigte sich, dass Arzneimittel, die aufgrund von polaren Körpersymptomen bestimmt werden, sehr oft auch die Gemütssymptome der Patienten perfekt abdecken, ohne dass diese zuvor in die Mittelbestimmung eingeflossen sind. Die polaren Symptome erweisen sich damit als ausgezeichnete Wegweiser, die weit über die oberflächliche körperliche Symptomatik hinausgehen und Wege zu tiefgreifenden Heilungen ebnen.

Dass Bönninghausens Therapeutisches Taschenbuch die Auswahl auf 133 Arzneimittel einschränkt, mag manchen als Nachteil erscheinen. Die dadurch bedingte Einschränkung der Anzahl an Variablen ist für die Mittelbestimmung aber eher ein Vorteil als ein Nachteil, weil sie die Zuverlässigkeit der Mittelwahl erhöht. In der ausgedehnten Sprechstunde des Autors zeigte sich in vieljähriger Erfahrung, dass nur selten Arzneimittel gebraucht werden, die nicht im TB aufgeführt sind.

DANKSAGUNG

Allen, die zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben, möchte ich meinen herzlichsten Dank aussprechen. Ganz besonders sind dies Dr. Klaus-Henning Gypser, Glees; Dr. Dominik Müller, Eichstätt; und Dr. Horst Kreikenbaum, Schaffhausen, die das Manuskript kritisch gesichtet und wertvolle Anregungen beigetragen haben. Ein herzlicher Dank auch an das Team des Narayana-Verlages für die harmonische Zusammenarbeit. Last but not least, danke ich meiner lieben Frau, welche erneut die Entstehung eines Buches erduldet und die damit verbundenen Überlegungen und Diskussionen unterstützt und beeinflusst hat.

Möge das vorliegende Werk vielen Kollegen bei ihrem Einsatz im Dienste leidender Mitmenschen eine wertvolle Hilfe sein.

Laupen, im Juli 2013

Dr. med. Heiner Frei

Die Polaritätsanalyse in der Homöopathie

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