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138. Max Heine70
ОглавлениеApril 1827
Als der Onkel einstmals in aller Gemütlichkeit seinen Morgenkaffee schlürfte, sagte der Neffe zu ihm: „Ich muß das Land meines Ratcliff, ich muß England sehen.“
„So reise“, entgegnete der Onkel.
„Aber in England ist sehr teures Leben.“
„Du hast ja unlängst Geld bekommen!“
„Ja, das ist für das tägliche Brot, aber für den Namen, für die Repräsentation habe ich auf Rothschild einen guten Kreditbrief nötig.“
Und richtig, der gute Onkel gab dem Neffen, der unlängst erst eine hübsche Summe erhalten, von der Mutter hundert Louisdor Extrareisegeld bekommen, zur Repräsentation einen Kreditbrief von vierhundert Pfund Sterling, d. h. zehntausend Franken, samt dringender Empfehlung an Baron von Rothschild in London mit.
Die Abschiedsworte des Onkels lauteten noch: „Der Kreditbrief ist nur zur formellen Unterstützung der Empfehlung, mit deinem baren Reisegeld wirst du schon auskommen. Auf glückliches Wiedersehen!“
Und was tat der Dichter? Er war kaum vierundzwanzig Stunden in London, als er sich bereits auf dem Kontor Rothschilds mit seinem Kreditbriefe präsentierte und die zehntausend Franken gemütlich einstrich. Dann ging er zum Chef des Hauses, Baron James von Rothschild, der ihn sofort zu einem solennen Diner einlud...
Nicht unbedeutend war die Szene, als der geniale Neffe zum ersten Male wieder vor den erzürnten Onkel trat.
Vorwürfe über grenzenlose Verschwendung, Drohungen des Onkels, nie wieder sich mit ihm zu versöhnen – alles dieses hörte Heinrich mit der größten Ruhe an.
Als der Onkel endlich mit seinem Sermon zu Ende war, da hatte der Neffe nur die eine Antwort: „Weißt du, Onkel, das Beste an dir ist, daß du meinen Namen trägst“, und ging stolz aus dem Zimmer.
[Den Mißbrauch des Kreditbriefs bestätigt durchaus Salomon Heines drastischer Brief an seinen Neffen vom 26. Dezember 1843 mit der Unterschrift: „Onkel, der auch heißt Heine“; in einem andern Brief, vom 24. Dezember 1839, nennt sich der Onkel „Salomon Heine, der Mann, der Deinen Namen führt“, und wenn er auch hinzufügt: „Spaß“, so hat er dies Wort seinem Neffen nie vergessen. Von dem Ausflug nach London und daran anschließend nach Norderney kehrte Heine erst im September 1827 nach Hamburg zurück.]