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142. August Lewald1

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Oktober 1827

Im Jahre 1827 sprach man in Süddeutschland noch gar nicht von Heinrich Heine, obgleich seine Reisebilder doch schon erschienen waren. Und in jenem Jahre war es, als ich nach Hamburg reiste. Ich erinnerte mich, im „Gesellschafter“ die Bruchstücke aus dem ersten Bande der „Reisebilder“ gelesen zu haben. Die ungemeine Frische, der glänzende Witz hatten meine Aufmerksamkeit auf einen Namen hingelenkt, der mir damals noch gänzlich neu war.

Im Hotel de Saxe, auf dem Kamp in Hamburg, hörte ich diesen Namen wieder nennen... Es war nicht eben Lob, was dem jungen Dichter gespendet wurde. Ein ältlicher Herr, der in der Gesellschaft für einen Kenner galt, meinte: „Heine werde nie ein Buch schreiben; es seien zwar neue und gute Gedanken, die er zu Markte bringe, aber alles ohne Anfang und ohne Ende; man könne das eben kein Buch benennen“...

Einige Zeit nach diesem Gespräch zeigte mir ein guter Freund einen jungen Menschen, der eben zum Dammtor hereinkam. Er hatte den Hut bedeutend nach vorn gerückt, so, daß sein Rand die Nase beschattete; der Rock war offen, und beide Hände steckten in den Taschen der Beinkleider. Sein Gang war nachlässig, stolpernd, und er gaffte links und rechts die Häuser an. Dies war Heine. Es lag in der Erscheinung eine vornehme Gleichgültigkeit, die es verschmähte, bei diesen Hamburgern ein anständiges Aufsehen zu erregen. Das Gesicht war fein gerötet, und auf den ersten Blick verriet es durchaus nichts Auffallendes, es war ein unbefangenes, jugendliches, neugierig in die Welt schauendes Gesicht.

Ich begegnete nun Heinen öfter und fast immer auf dieselbe Weise: allein, schlendernd und gaffend; es schien sich in seinem Wesen eine unendliche Langeweile auszusprechen.

Der Zufall brachte uns nie zusammen. Ich hörte, daß er fast täglich, gleich mir, den Schweizerpavillon besuche, aber nie traf ich ihn dort. Die Bekanntschaft, die ich inzwischen mit seinen Büchern gemacht hatte, „welche keine Bücher waren“, flößte mir eine innige Zuneigung zu Heine ein. Mein Wunsch wuchs, ihm bekannt zu werden...

Eines Morgens hatte ich mich im Schweizerpavillon in irgendeine Zeitung so hineingelesen, daß ich nichts von dem bemerkte, was um mich vorging, und schreckte daher nicht wenig auf, als ein Freund mich beim Namen rief und mir sagte: er wünsche mir Herrn Doktor Heine vorzustellen. Überrascht sprang ich in die Höhe, um meine Freude darüber auszudrücken.

Er stand wirklich vor mir, der kleine Unbefangene. Sein im ruhigen Zustande so gleichgültiges Gesicht hatte sich aber jetzt mit einem Lächeln geschmückt, das tausend Dämonen um Mund und Augen belebte, die abwechselnd Hohn und Mutwillen darüber ergossen. Dies Lächeln, das mir nachher ganz gewöhnlich wurde, schien mir in diesem Augenblick seine Züge nicht zu verschönern.

Er kam mir mit einer feinen Artigkeit entgegen.

„Ich habe diesen Sommer auf Norderney bereits Ihre Bekanntschaft gemacht“, sagte er. „Ihre Novelle, der Familienschmuck, hat mich sehr angezogen, und ich freute mich, als ich hörte, Sie in Hamburg zu finden. Sie glauben nicht, wie trostlos es auf Norderney ist, wie man alles geselligen Umgangs entbehrt und wie man froh ist –“

„Diesem Umstande“, fiel ich ihm ins Wort, „habe ich es denn auch zu danken, daß Sie meinen Familienschmuck lasen und goutierten.“

Er lächelte wiederholt. Ich erzählte ihm, daß ich bereits in Hoopte jemanden getroffen hätte, der wahrscheinlich nichts Geringeres im Sinne gehabt, als sich für ihn auszugeben, daß ich aber damals in meiner süddeutschen Unbelesenheit nicht gewußt, welche Berühmtheit sich an seinen Namen knüpfe. Er wünschte das Nähere zu wissen, weil er einen Vetter habe, der ihm manchmal den Streich spiele, den Namen Heinrich Heine anzunehmen, und weil er hoffte, ihn hier wieder einmal zu ertappen.

Der Fall war ganz einfach. In Hoopte, wo die Fähre über die Elbe, aus dem Königreiche Hannover ins hansestädtische Gebiet Billwärder, die Reisenden bringt, kam ich abends spät an. Ein einsamer Reiter war mit mir zugleich angelangt, den Weg von Lüneburg her, der auch nach Hamburg wollte. Wir soupierten* zusammen, und der Reiter, *der ein junger Mensch war, an dem ich nichts Ausgezeichnetes als eine ungeheure Nase bemerkte*, war sehr gesprächig.

„Ach! mein Bruder!“ unterbrach mich Heine; *„der wird mich noch ins Unglück bringen.“*

Ich fuhr fort, ihm zu erzählen, daß der junge Mensch uns eine Menge Geschichtchen zum besten gab; Aventüren* mit Schauspielerinnen, mit denen er auf der Elbe Schiffbruch gelitten, und was dergleichen mehr war. Am andern Morgen ließen wir uns bei starkem Regen nach dem Zollenspeicher übersetzen, und der Reiter hielt an dem Schlage unseres Wagens, um uns durch sein fortwährendes Gespräch die Langsamkeit der Überfahrt vergessen zu machen, und als er endlich drüben von uns Abschied nahm und, in seinen Mantel gehüllt, auf dem Damme davonsprengte, überreichte er mir noch eine Karte mit dem Namen „Heine“ und fügte hinzu, ich möchte ihn doch in seiner Wohnung in Hamburg auf dem „großen Burstah“ besuchen.

Auch von seinen Dichtungen hatte er mir erzählt... Wären mir damals schon die Reisebilder bekannt gewesen, so hätte diese Begegnung mir ein bedeutendes Interesse eingeflößt. Der Reiter mochte jedoch in seinem Innern mich für einen recht unwissenden Menschen halten, da ich den Namen Heine hören konnte, ohne sogleich auszurufen: „Sind Sie etwa – jener berühmte“; ich glaube kaum, daß er mich lange im Zweifel gelassen haben würde.

[Heines älterer Bruder Gustav war damals in Hamburg und versuchte sich als Kaufmann, gleichfalls ohne Glück.]

Gespräche mit Heine

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