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197. Johann Peter Lyser195

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März 1830

... Bei George Lotz, dem Herausgeber der „Originalien“ [1830 Nr. 6ff.], wurde der dritte Reisebilderband unbarmherzig kritisiert, namentlich machte sich Lotz über das Selbstlob lustig, welches Heine sich in dem Kapitel spendet, wo er sein Gespräch mit einem Adler erzählt, welchem er am Schlusse rät, sich beim ersten besten Lorbeerbaum nach seinem (Heines) Namen zu erkundigen. Ich verteidigte Heine und fragte, wie man denn das für Ernst halten könne. „Alle Welt hält es dafür“, versetzte Lotz, und ärgerlich rief ich: „Das ist nicht möglich, das muß ja ein Kind sehen, daß Heine sich hier über sich selber lustig macht.“ Das hatte Freund Lotz gewollt, und mit anscheinender Gutmütigkeit forderte er mich auf, dieses doch in einem kleinen Aufsatz für die „Originalien“ auseinanderzusetzen. Ich ging richtig in die Falle und schrieb einen Aufsatz „Adler und Lorbeerbaum“, worin ich mit großem Ernste bewies, wie das Selbstlob, welches Heine sich erteilte, nur die bittere Ironie eines mit sich selbst unzufriedenen und seiner Schwächen sich bewußten Dichters sei. Als Madame Lotz ihrem blinden Gatten meinen Aufsatz vorlas, hätte ich freilich an dem Mephistophelesgrinsen des alten Fuchses merken sollen, was für eine Eselei ich wieder einmal begangen, allein ich hatte es so ernsthaft und ehrlich gemeint, daß ich mir eher des Himmels Einfall hätte träumen lassen, als daß meine Verteidigung Heines die bitterste, beißendste Satire auf denselben sei. Lotz druckte meinen Aufsatz, und Heine rührte der Schlag, als Madame Lotz ihm denselben bei einem Besuche vorlas; am andern Morgen erhielt ich folgendes Billett:

Gestern war ich bei dem guten Herrn Lotz, und Madame Lotz, die liebe Dame, machte mir die Freude und las mir Ihre Verteidigung meiner Selbstrevanche vor, wobei der gute Lotz es an den essigsauersten Bemerkungen nicht fehlen ließ, so daß ich ganz zerknirscht von soviel Liebe, Güte und Wohlwollen dasaß, um so mehr, als Ihre schöne Braut von Korinth [die Schauspielerin Fräulein Konstanze de Gaye] eben anwesend war. Sie haben Ihre Sache recht schön gemacht, und ich bin ganz mit Ihnen einverstanden, daß es lächerlich von mir wäre, im Ernste zu sagen, ich sei ein großer Dichter. Ich bin Ihnen sehr dankbar für soviel Freundschaft. Lassen Sie sich doch einmal bei mir sehen.

Ihr Heinrich Heine.

Nun gingen mir freilich die Augen auf, ärgerlich lief ich zu Lotz, wo ich furchtbar ausgelacht wurde, von da zu Campe, der mir ruhig sagte: „Wie können Sie den eitelsten Menschen auf Gottes Erdboden nach sich beurteilen?“ Endlich ging ich zu Heine und sagte in meiner damaligen Sprechweise: „Ich habe eine Eule gefangen, aber warum segeln Sie auch immer vor dem Winde und setzen alle Linnen bei? Sie könnten immer Ihr Toppsegel brassen und kämen auch noch mit einer halben Brise schneller vorwärts als viele andere.“ Heine, dem, was ich eigentlich sagen wollte, wohl nicht deutlicher war als den meisten meiner Leser, merkte doch so viel, daß es eine Entschuldigung sein sollte, daß ich alles ernstlich und wirklich gut gemeint habe. Er lachte jetzt selber, und so waren wir wieder die besten Freunde.

[Heine selbst forderte am 6. Januar 1830 Lyser, der sich damals in Celle aufhielt, zu einem Artikel über den dritten Teil der „Reisebilder“ auf; in den „Originalien“ ist der angeblich dort erschienene Artikel „Adler und Lorbeerbaum“ nicht zu finden, wohl aber (in Nr. 14) eine poetische Huldigung an Heine von G. A. v. Maltitz, „Der Dichter H. Heine und sein Genius“. Im März war Lyser wieder in Hamburg und zeichnete Illustrationen zu Immermanns „Tulifäntchen“, die er am 14. März Heine brachte.]

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