Читать книгу Gespräche mit Heine - Heinrich Hubert Houben - Страница 214
210. Ludolf Wienbarg49
ОглавлениеHerbst 1830
Heine selbst besaß nur das Konversationstalent. Daß von seinen feinen Lippen nicht selten die feinsten Bemerkungen, die köstlichsten Spiele des Witzes und der Ironie und die drastischsten Schilderungen von Charakteren und Erlebnissen glitten, werde ich wohl nicht zu versichern brauchen. Auch das Alltägliche und Unbedeutende nahm einen gewissen Reiz in seinem Munde an. Des richtigen oder vielmehr des besten Ausdrucks war er bei guter Laune stets sicher und konnte sich dann auf seine Überlegenheit verlassen. Jemand wollte mir eine lächerliche Anekdote erzählen. „Halt,“ fiel ihm Heine ins Wort, „lassen Sie mich“ – er wußte nur zu gut, daß die Geschichte bei ihm um zwanzig Prozent gewann.
Öffentliche Beredsamkeit war nicht seine Sache, auch wenn sein Organ stärker gewesen wäre. Bei seiner Schüchternheit machte ihn jede größere Versammlung beklemmt. Schon in der gewöhnlichen Unterhaltung lähmte ihm ein etwas barscher Widerspruch oder nun gar ein satirischer Ausfall die Schwingen. Denn seltsam genug erlag er am ersten der Waffe, deren Meister er war, sobald sie gegen ihn selbst gerichtet wurde; jener stechende, funkelnde Witz, von dem er mal sagt, daß es gut sei, ihn in dieser schlechten Stockjobberzeit statt des Degens bei sich zu tragen, wurde ihm treulos, wenn er ihm zu augenblicklicher Verteidigung dienen sollte. Er war sehr empfindlich gegen derartige Verletzungen; desto besser wußte er die Wirkungen seiner eigenen witzigen Ausfälle zu würdigen, er überschätzte sie eher als er sie unterschätzte. – Doch nicht nur die Schüchternheit hielt ihn von öffentlichen und selbst auch nur gesellschaftlichen Reden zurück, er fühlte Abneigung vor allen rhetorischen Äußerungen und hatte auch keine Gabe dafür.