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214. Ludolf Wienbarg49

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1830

Heine war nicht blind gegen manche seiner Mängel. Er kannte zum Beispiel genau die Schattenseiten, die sich an die Glanzseiten seiner Darstellung hefteten. Einem jungen Schriftsteller sagte er mal: „Professor Z. [Zimmermann] hat Ihre Verse gelobt; mit Recht, der Bau (es war eine metrische Übersetzung aus dem Griechischen) ist schwungvoll und elegant, aber das hat in meinen Augen weniger auf sich. Ihre Vorrede hat mich entzückt, ich beneide Sie um Ihre Prosa.“ – Als der Erwähnte ihn mit etwas spöttischem Unglauben ansah, rief er aus: „Nein, nein, das ist kein Kompliment von mir, das ist meine aufrichtige Meinung. Sie sind noch ein freies Roß, ich habe mich selbst Schule geritten. Ich bin in eine Manier hineingeraten, von der ich mich schwer erlöse. Wie leicht wird man Sklave des Publikums. Das Publikum erwartet und verlangt, daß ich in der Weise fortfahre, wie ich angefangen bin; schrieb ich anders, so würde man sagen: das ist gar nicht Heinesch, Heine ist nicht Heine mehr.“ – Er meinte ohne Zweifel, außer dem beständigen Hervortreten seiner Person die Häufung der pikanten Beiwörter ... überhaupt aber jene überwiegend in sinnlicher Anschauung verweilende, meist so reizende, witzige, das gewählte Bild in künstlerischer Harmonie ausführende, zuweilen jedoch überkünstelte Plastik seines Gedankenausdrucks ... Niemals zergliederte er die Erscheinungen, und es konnte ihm daher auch nicht der entgegengesetzte Fehler des Nergelns und Verschnitzelns zustoßen. Er sah sich die Personen und Dinge an und gab ihnen Namen, nicht selten mit der Originalität eines ersten Spracherfinders, wie Adam im Paradies. Er ließ die Erscheinungen ganz, wenn er sie anders nicht in böser Absicht zerreißen wollte, und auch alsdann schund er sie lieber, als daß er sie zerfetzte. In seinen Betrachtungen war jedesmal eine leitende Idee, in seinen Charakteristiken eine scharf ausgeprägte Marke, in seinen Bildern ein Zug und eine Farbe vorherrschend. – Auf den Höhepunkt seines prosaischen Stils trat er später in den Pariser Korrespondenzen in der Augsburger Zeitung, eine Periode, welche die mannigfaltigste Entwicklung seiner Geistesgaben herbeiführte und seinen Scharfblick, seine raschen Apercüs in der Darstellung der Zustände und Personen der weltbewegenden Stadt bewundern ließ. „Der gute Schriftsteller zeigt sich weniger durch das, was er niederschreibt, als durch das, was er wegläßt“, war eine seiner gewichtigen Äußerungen.

[Der Schriftsteller ist Wienbarg selbst; Heines Lob bezog sich auf das Schriftchen „Jason. Episches Gedicht nach Pindar. Übersetzt, bevorredet, erläutert von Ludolf Vineta“ (d. i. Wienbarg). Hamburg, Hoffmann & Campe, 1830. (Vgl. Strodtmann I, 619.)]

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