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202. Therese Devrient6

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Mai 1830

Unsere Empfehlungsbriefe [an Salomon Heine] hatten wir [Eduard und Therese Devrient] abgesendet und gleich tags darauf einen Besuch des jungen Herrn [Karl] Heine empfangen, der uns sehr verbindlich im Namen seines Vaters für den nächsten Mittag auf dessen Landsitz zu Tische lud... Um sechs Uhr, der Dinerzeit des alten Bankiers, hielt ein höchst eleganter Wagen, Kutscher und Bediente in sehr nobler Livree, vor unserer Tür... An der Elbe neben dem bekannten Rainville lag die Besitzung Heines...

Salomon Heine führte mich, Eduard die junge hübsche Frau [Salomons jüngste Tochter]. Das Innere des Hauses machte einen überaus behaglichen Eindruck, es war von so gediegener Eleganz, daß man sie zuerst gar nicht merkte, alles sah nur bequem und wohnlich aus. Der Speisesaal, gleich im untern Stock, bot außer dem reich mit Silbergeschirr besetzten Büfett und vielen Dienern in Livreen nichts Bemerkenswertes. Die Unterhaltung bei Tisch mißfiel mir, da sie sich meist um die Delikatessen drehte, die eben aufgetragen und verzehrt wurden. Uns, die wir nicht Gourmands waren, entstand daraus die doppelte Beschwerde, so viele Leckerbissen durch das Aufzählen und Preisen derselben fast dreifach genießen zu müssen. In einiger Entfernung mir gegenüber saß ein Herr, der meine Aufmerksamkeit auf sich zog, weil er mich mit zugekniffenen, zwinkernden Augen maß, dann geringschätzig und gleichgültig fortsah. Der Ausdruck seines Gesichts dabei machte mir die Empfindung, als ob ich zu anständig aussähe, um von ihm berücksichtigt zu werden.

„Wer ist der Herr dort drüben?“ fragte ich meinen Nachbar.

„Kennen Sie den nicht? – Das ist ja mein Neffe Heinrich, der Dichter,“ und die Hand vor den Mund legend, flüsterte er, „die Canaille.“

Jetzt begriff ich die natürliche Antipathie zwischen uns beiden. Ich ward aufmerksamer auf das, was er sprach, und hörte, wie er mit blasiertem, halb spöttischem, halb klagendem Tone von seiner Armut sprach, die ihm größere Reisen versage. Da rief der Onkel (von dem man wußte, daß er den Neffen großmütig unterstütze): „Ei, Heinrich, du brauchst doch nicht zu klagen. Wenn dir’s an Geld fehlt, gehst du zu einigen guten Freunden ins Haus, drohst ihnen: Ich mache euch in meinem nächsten Buche so lächerlich, daß kein ordentlicher Mensch mehr mit euch umgehen kann, oder du blamierst einen Edelmann! Du hast ja Mittel genug in Händen.“

Der Dichter kniff die Augen zu und erwiderte scharf:

„Er [Graf Platen] hatte mich angegriffen mit Knoblauchessen und den alten Ammenmärchen; ich mußte ihn vernichten“...

Das Diner war zu Ende. Mehrere aus der Gesellschaft entfernten sich, darunter der Dichter, dem es nicht recht wohl in der Nähe des Onkels war.

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