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237. Ludwig Börne71

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12. Oktober 1831

[Börne an Jeannette Wohl, 13. Oktober 1831:] Es hat mir jemand verplaudert, daß ihm Heine unter Gelobung der strengsten Verschwiegenheit, besonders gegen mich, anvertraut, er arbeite an einem politischen Werke, so etwas über die Französische Revolution. Er fürchte meine Konkurrenz. Was mir diese Art mißbehagt, kann ich Ihnen gar nicht genug ausdrücken. Wie ist es möglich, daß ein Mann wie Heine, von so anerkannten großen Verdiensten, so kleinlich eitel sein kann? Gestern traf ich ihn bei Tische. Er verriet mir, ohne es zu wollen, mit welchen literarischen Arbeiten er jetzt beschäftigt ist. Er fragte mich, was ich von Robespierre halte. Ich antwortete ihm: Robespierre und Lafayette sind die einzigen ehrlichen Leute in der Französischen Revolution. Das schien seine Meinung auch zu sein, er wollte mich aushören. So ein kleinliches Wesen kann mich ganz maliziös machen, und ich wäre imstande, wenn ich einmal bestimmt erführe, worüber Heine schreibt, den nämlichen Stoff zu behandeln, nur um ihn zu ärgern. –

Ich komme wieder auf Heine. Sie müssen aber nicht denken, daß es mir Vergnügen macht, Böses von ihm zu reden, das nicht. Aber er interessiert mich als Schriftsteller und darum auch als Mensch. Ich sammle alles, was ich von andern über ihn höre und ich selbst über ihn beobachte. Da es mir nun langweilig ist, für mich allein Buch und Rechnung über Heine zu führen, lege ich alles, was mir von ihm zukömmt, nach und nach in meine Briefe an Sie nieder. Ein schwacher Charakter wie Heine, wie er mir schon aus seinen Schriften hervorleuchtete, muß in Paris völlig ausarten. Ich sehe ihn auf bösem Wege und werde aus historischem und anthropologischem Interesse seiner Spur nachgehen. So müssen Sie das ansehen. Gestern abend war bei Valentin* von *Michael Beers* neuer Tragödie die Rede, die er in Baden meinem Urteil unterworfen. Auf Verlangen sagte ich meine aufrichtige Meinung davon. Madame Leo* sagte mir, vormittag sei Heine bei ihr gewesen und habe das Drama gelobt. Darauf bemerkte ich, dann habe Heine geheuchelt; denn er verstehe das so gut als ich. Madame Leo* erwiderte: „Ja, wenn man dem Heine tausend Franken gibt, lobt er das Schlechteste.“ Ich: „Das möchte ich nun gerade nicht glauben.“ Madame Leo*: „Sie können es mir glauben, ich weiß es.“ – Ein Deutscher erzählte mir, Heine habe ihm gesagt: Metternich* könnte mich nur auf eine Art kaufen; wenn er mir alle Mädchen von Paris gäbe. (Ich sage Mädchen; Heine aber gebrauchte den gemeinsten Ausdruck dafür.) Er hat eine Art von Liederlichkeit, die mir nie, weder in Büchern noch im Leben vorgekommen ist, und die ich mir psychologisch gar nicht erklären kann. Gemeine Sinnlichkeit trifft man häufig; aber doch selten wird ein junger Mensch von seinen gemeinen Ausschweifungen, als von etwas Schönem, öffentlich sprechen... *Heine aber läuft den gemeinsten Straßendirnen bei Tag und Nacht nach und spricht in einem fort von dieser häßlichen Gemeinheit, in welcher er ein ästhetisches Vergnügen findet*. Neulich kamen wir abends vom Essen. Er sagte mir, er ging in den Passage des Panoramas. – Was er dort zu tun habe? Ich will sehen, ob keines von den Mädchen, die ich kenne, ein neues Kleid anhat. – Heine ist doch schon dreißig Jahre alt.

[In Baden-Baden war Börne im Sommer 1831; hier scheint ihm Beer sein neues Trauerspiel „Schwert und Hand“ vorgelegt zu haben, das am 30. April 1832 in Berlin aufgeführt wurde. Herbst 1831 bis Frühjahr 1832 war Beer in Paris. Über seinen „Struensee“ hatte Heine im Stuttgarter „Morgenblatt“ (April 1828) eine Kritik veröffentlicht, die so lobpreisend war, daß man sie für eine Mystifikation hielt; Heine selbst nennt sie (an Varnhagen, I. April 1828) eine der „Lumpigkeiten“, die „oft sogar lobenswert sind, wenn sie uns in den Stand setzen, der großen Idee unseres Lebens desto würdiger zu dienen“. Dem Freunde Merckel schrieb er am 14. April, die „Beersche Rezension“ habe er „des Lebensunterhalts wegen“ schreiben müssen. Er lebte damals in München und verkehrte mit Beer und dessen einflußreichem Freund, dem Minister E. v. Schenk. Im Kreise Börnes glaubte man offenbar, Heine habe sich von dem reichen Beer jene Kritik bezahlen lassen.]

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