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5. Joseph Neunzig194
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Die beiden Kinder [Harry und Charlotte] standen an einem Sonnabend auf der Straße, als plötzlich ein Haus zu brennen begann. Die Spritzen rasselten herbei, und die müßigen Gaffer wurden aufgefordert, sich in die Reihe der Löschmannschaften zu stellen, um die Brandeimer weiterzureichen. Als an Harry die gleiche Aufforderung erging, sagte er bestimmt: „Ich darf’s nicht, und ich tu’s nicht, denn wir haben heut Schabbes!“ – Schlau genug wußte der acht- bis neunjährige Knabe jedoch ein anderes Mal das mosaische Gebot zu umgehen. An einem schönen Herbsttage – es war wieder ein Samstag – spielte er mit einigen Schulkameraden vor dem Pragschen Hause, an dessen rebenumranktem Spalier zwei saftige reife Weintrauben fast bis zur Erde herabhingen. Die Kinder bemerkten dieselben und warfen ihnen lüsterne Blicke zu, aber der Vorschrift gedenkend, nach welcher man an jüdischen Feiertagen nichts von Bäumen abpflücken darf, wandten sie bald der verführerischen Aussicht den Rücken und setzten ihr Spiel fort. Harry allein blieb vor den Träubchen stehen, beäugelte sie nachdenklich aus geringer Entfernung, sprang dann plötzlich bis an das Spalier heran, biß die Weinbeeren eine nach der andern ab und verzehrte sie. „Roter Harry“ – diesen Spitznamen hatten ihm seine Kameraden wegen der rötlichen Farbe seines Haares erteilt, die später mehr ins Bräunliche überging – „Roter Harry!“ riefen die Kinder entsetzt, als sie sein Beginnen gewahrten, „was hast du getan!“ – „Nichts Böses“, lachte der junge Schelm; „mit der Hand abreißen darf ich nichts, aber mit dem Munde abzubeißen und zu essen hat uns das Gesetz nicht verwehrt.“
[Neunzig, später Arzt in Gerresheim bei Düsseldorf, war einer von Heines Schulkameraden und Universitätsfreunden. Was Heine unter seinem Namen Harry bei der Schuljugend zu leiden hatte, erzählen seine „Memoiren“.]