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Vorwort

Die politisch motivierte Exmatrikulation von der Universität Greifswald im Jahre 1958, die ich noch heute als ungerecht empfinde, schnitt in meine Seele eine tiefe, bis heute nicht heilende Wunde. Man sagt, die Zeit heile alle Wunden. Das mag sicher auf die Mehrheit meiner Mitbürger zutreffen. In mir heilte die noch immer schmerzende Verletzung jedoch nicht aus. Allerdings half mir die Aufzeichnung meiner Lebensgeschichte bei der Milderung dieses Dauerstresses, der mich über zwei Drittel meines ansonsten schönen und unbeschwerten Lebens als Arzt und Rentner begleitet.

Für eine gewisse Zeit hatte ich die DDR durchaus als „meinen Staat“ betrachtet. Ich beschreibe lediglich die Fakten, so wie ich sie – oft besonders drastisch – erlebt habe, versuche, jede Einseitigkeit zu vermeiden, und will auch nicht vergessen, dass mir hier als typischem Kind einer Arbeiterfamilie ein qualitativ hochwertiges Studium, wenn auch unter ungerechtfertigten Schwierigkeiten, ermöglicht wurde, für das weder meine Eltern noch ich je einen Pfennig zu bezahlen brauchten. Doch auch sie litten erheblich unter den damaligen brutalen Geschehnissen, die mich zu einer „Bewährung in der Produktion“ als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft geführt hatten, während gleichzeitig in diesem Land ein erheblicher Ärztemangel bestand.

Nur wenige Wochen trennten mich damals vom Beginn des medizinischen Staatsexamens, das von Vertretern der Staatsmacht zunächst in eine ungewisse, mehr oder weniger ferne Zukunft verlegt wurde. Somit möchte ich aus meiner persönlichen und damit sicher subjektiven Sicht daran erinnern: Vieles war absurd, was damals als „normal“ galt. Das Misstrauen des nicht vom Volke gewählten, lebensfremden Politbüros der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), das sich eine „führende Rolle“ anmaßte, war nach meiner Auffassung der Hauptgrund für den Untergang des sogenannten „Arbeiter- und Bauernstaates“, der als Diktatur einer einzigen Partei niemals demokratisch legitimiert gewesen war.

Ich selbst habe noch den Untergang des Dritten Reiches erlebt und mich immer als „Deutscher“ und niemals als „DDR-Bürger“ gefühlt, auch nicht, als ich in meiner frühen Jugend vorübergehend glaubte, in der DDR eine echte Heimat gefunden zu haben. Mir wurde bald klar, dass dieser Staat nichts anderes war als ein Produkt der Siegermacht Sowjetunion und ihrer von dort heimgekehrten Vasallen und somit nicht das Recht hatte, für alle Einwohner dieser später eingemauerten Gemeinschaft ein wahrhaftiges Vaterland zu sein. Insofern war ich unendlich froh und überglücklich darüber, dass durch die friedliche Revolution in der DDR und die dadurch ermöglichte Wende der Weg für die Wiedervereinigung Deutschlands geebnet werden konnte. Noch heute freue ich mich täglich über dieses einmalige, zu einer echten Demokratie führende historische Ereignis, das man mit Recht als ein Wunder der Geschichte, welches ohne Blutvergießen zustande kam, bezeichnen kann.

In meinen Aufzeichnungen werden öffentliche Personen von mir namentlich genannt, ebenso alle Personen, mit denen mich eine bleibende positive Erinnerung verbindet. Alle anderen – selbst der ungerechte Parteisekretär meines Studienjahres und auch die namentlich in den Urkunden genannten Mitarbeiter der Staatssicherheit – werden von mir anonymisiert, denn es geht mir nicht darum, Vergeltung zu üben. Die Decknamen der Inoffiziellen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (IM) habe ich beibehalten.

Mahlow, Mai 2011

Heinz Schneider

Die Normalität des Absurden

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