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Ave Covid, morituri te salutant (11)

Nun steht zweifelsfrei außer Frage, dass wir dialysepflichtigen Patienten mit Nierenversagen allen Grund haben, dankbar zu sein für das Funktionieren der technischen Errungenschaften, die wir unter anderem der Deutschen Industrienorm und der ihr entsprechenden Präzision von Arbeitsabläufen zu verdanken haben. Die Blutwäschemaschinen, die uns in mehreren wöchentlichen Sitzungen in stundenlanger Pumptätigkeit mit Kohlefiltern und Destillieren des Blutes die nicht mehr funktionierenden Nieren ersetzen, sind mit Gold nicht aufzuwiegen. Ihnen verdanken wir stets aufs Neue unser Weiterleben, ohne sie wären wir vermutlich innerhalb kurzer Frist nicht mehr unter den Lebenden.

Ohne diese Maschinen, aber auch ohne die akkurate, hygienisch einwandfreie und einfühlsame pflegerische Hilfestellung der uns in der Dialysestation betreuenden Pflegerinnen und Pfleger, der Ärztinnen und Ärzte hätten wir wohl kaum eine Chance, das durchschnittlich zu erwartende Lebensalter tatsächlich zu erreichen.

Und dass in den letzten Wochen die hiesige Bevölkerung zwar ein wenig zähneknirschend, aber letztlich ohne lautes Murren und größeres Widerstreben die empfohlenen Verhaltensweisen praktiziert hat – soziale Distanz, Separieren im eigenen Zuhause, Verlegung der Berufstätigkeit als Homeoffice Working in die eigene Küche, allgemeiner Verzicht auf körperliche Kontakte zu den Mitmenschen –, diese Disziplin sollten wir nicht einfach unter der Rubrik „Kadavergehorsam“ einordnen und die Menschen, die sich an die genannten und alle weiteren seuchenpolitischen Maßnahmen gehalten haben, als eine des Widerstands nicht fähige, dumpfe Untertanenherde verächtlich machen. Sondern wir sollten das anerkennend als die akute Gefahr zumindest vorerst ausbremsendes, verantwortungsbewusstes Handeln in solidarischer Absicht willkommen heißen.

Wie erfolgreich und zuverlässig die vorsichtige, stufenweise die Sicherheitsvorkehrungen verstärkende Anpassung unserer Dialysestation an die erst immer näher rückende, schließlich in der Region tatsächlich eintreffende Corona-Pandemie uns Patienten gleichsam wie auf einem Seenotrettungsboot durch gischtschäumend strudelnde Gewässer sturmgepeitschter See hindurchlaviert hat, wurde uns dieser Tage frühmorgens schlagartig klar. Nämlich als durch die Tür unseres Wartefoyers als Letzte eine fröhlich hüpfende Tanzmaus hereinschneite, uns ein hellstimmiges „Ich bin wieder da“ entgegenträllerte und auf die Frage, wo sie denn die letzten Wochen abgeblieben sei, begeistert erklärte: „Ich hatte Corona, und jetzt bin ich genesen und ich bin immun! Hurra.“ Sogleich beugte sie sich zu Herrn Lustig hinab, der wie immer auf dem äußersten rechten der vier Stühle des Foyers saß, und schrie ihm ins (fast) taube linke Ohr: „Ich hatte Corona, und jetzt bin ich immun.“ Und schon stand sie wieder, griff sich Mister Hongkong und drehte mit ihm ein paar Walzerrunden, während sie gemeinsam lauthals und euphorisch wie in Vor-Corona-Zeiten die Udo-Jürgens-Liedzeile „Danke für ein paar schöne Stunden, Danke, la la la la leh!“ sangen.

Mit anderen Worten: Stimmung! Im Corona-Zirkus. Panem et circenses. Basta mit Pandemie, Schluss mit Trübsal blasen. Wir leben noch! Oder, wie es auf Capri vor Jahren als Wandinschrift auf einer Gartenmauer zu lesen war: Basta con gli problemi – l’amore e la musica!

(30. April 2020)

Ave Covid morituri te salutant

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