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Die neue Freiheit

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Nichts und niemand berühren wir im Laufe eines Tages so oft und zärtlich wie unser Handy. Die »Generation Nokia« erkennt noch heute den Einschaltton, der täglich auf hunderten Millionen Handys überall ertönte. 1994 erklang zum ersten Mal die Bearbeitung einiger Takte eines bis dahin unbekannten Gitarrenstücks von Francisco Tárrega als unverwechselbarer Nokia-Klingelton. In wenigen Jahren wurde er zur bekanntesten Melodie der Welt.

Lebhafte Erinnerungen an dieses erste Handy zeigen, welche starke Veränderung es im Alltag von Menschen bedeutete. Für junge Leute, deren stundenlange Telefoniergewohnheiten von ihren Oldies mit Argwohn kommentiert wurden, war das erste Handy eine Befreiung. »Bei uns zuhause hieß es immer, fasse dich kurz, vielleicht braucht jemand das Telefon für einen Notfall«, erzählt S. Sogenannte Vierteltelefone waren in Österreich noch in den 1990er-Jahren weit verbreitet – keine Anspielung auf die Weinkultur des Landes, sondern eine Telefonleitung, die sich vier Parteien teilen mussten. Wenn ein Teilnehmer telefonierte, hieß es Pause machen für die anderen drei.

»Mein Freund schickte mir ein eigenes Handy in die Arbeit. Es war gelb und zum Aufklappen. Ich weiß noch, welche Freiheit das für mich bedeutete.« Freiheit, zuhause nicht mehr auf den freien Anschluss warten zu müssen. Unabhängigkeit, nicht mehr zu genau bestimmten Zeiten Samstagabend am üblichen Platz die Clique zu treffen. Wer später kam, wurde mit Anruf oder SMS verständigt, wo die Freundinnen und Freunde inzwischen waren. Für H. brachte das erste Handy (»ein blaues Nokia 6110«) bei einem Auslandsstudienjahr in London die Freiheit, mit billigen SMS statt den teuren Ferngesprächen vom Münzfernsprecher im Studentenheim mit Freunden und Familie daheim in Kontakt zu bleiben.

»Mein erstes Handy bekam ich mit 18 zu Weihnachten. Ich wusste, wo die Eltern die Geschenke versteckten und habe es schon davor gefunden«, erinnert sich B. wie alles anfing. »Snake« spielen wurde zur Leidenschaft – ein einfach gestricktes Spiel, das auf Vierzeilen-Displays ohne Grafik und mit Tastensteuerung funktionierte. SMS wurden damals durch schnelles mehrfaches Drücken auf eine Zifferntaste geschrieben, um den gewünschten Buchstaben zu erzeugen (für jüngere Leserinnen und Leser: das Touch-Tastenfeld auf Smartphones zeigt noch heute die Buchstaben an, mit denen jede Ziffer verbunden ist. Um beispielsweise ein »F« zu schreiben, musste die »3« dreimal rasch gedrückt werden). »Ich konnte unter der Schulbank blind SMS schreiben.« Eine lebhafte Erinnerung mit Erklärungsbedarf, die man heute staunenden Enkeln zum Einschlafen erzählen kann.

Das erste Handy ein gelbes Ericsson, ein lila Alcatel, ein blaues Nokia 6110; zu Weihnachten, zum Führerschein, zur Matura geschenkt; ein Akku, der eine Woche hielt: Wie die Erinnerung an das erste Auto oder an einschneidende Ereignisse, wie der Fall der Berliner Mauer 1989, bezeugen solche Aussagen die große Veränderung, die mit dem Handy in unserem Leben einzogen. Wenige technologische Neuerungen lösten von der Stunde Null an solchen Enthusiasmus aus.

Der Spion in meiner Tasche

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