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G’schamster Diener
ОглавлениеDas Smartphone öffnete eine Welt der Apps für alles und jedes. Webbrowser, Mail, Maps und das Wetter waren dabei nur der Anfang. Wir haben Apps, um Musik zu hören, und Apps, um Musik zu erkennen. Apps, um Pokémons zu jagen, und um zu schauen, wo das Flugzeug über uns herkommt. Apps, um den Partner fürs Leben oder einen One-Night-Stand zu finden. Apps, um den Menstruationszyklus zu kontrollieren. Apps für die optimale Bratzeit des Steaks. Apps für die Kundenkarte im Supermarkt und Apps für Online-Banking. Wir fotografieren unsere Speisen und posten, wir fotografieren uns selbst und posten, wir laufen und kaufen – und wir posten.
Durch verfeindete Schöpfer getrennt, in gemeinsamer Mission vereint: iPhone und Android bescherten der Liebe zu unserem Handy einen zweiten Frühling. Das Handy schmeichelte sich in die Rolle des unentbehrlichen und intimen Lebensgefährten ein. Hey Siri, ok Google: Unser Smartphone spricht jetzt sogar mit uns! Im Ton stets devot, auf gut österreichisch ein »g’schamster Diener«, der gehorsamste Diener. Dass dieser Diener insgeheim noch anderen Herrschaften dient, davon handeln die folgenden Kapitel. Waren es in der Anfangszeit des Handys »nur« der Standort und unsere Verbindungen, die das Handy verraten konnte, weiß das Smartphone über unser Leben in all seinen Facetten bestens Bescheid. »Always on« ist der Modus unserer Smartphones, die auch im Schlaf über uns wachen.
Die Namenswahl von Android gibt einen verräterischen Hinweis, welche Bedeutung seine Schöpfer dem Smartphone zugemessen haben: ein humanoider Roboter, der eines Tages nicht mehr vom Menschen zu unterscheiden ist. Die, der, das Androide begegnet uns bereits in Filmen und Fernsehserien in vielfacher Gestalt: Im Raumschiff Enterprise der Serie »Star Trek« als Sympathieträger namens Data; als Alptraum in Form des unerbittlichen Terminators; im Ringen um menschliches Empfinden in der düsteren Zukunftsvision von »Blade Runner«. Wie jeder gute Androide will auch das Smartphone unser Alter Ego sein, ein unzertrennlicher Teil unseres Selbst, dem wir uns jederzeit anvertrauen. Früher hieß das »Liebes Tagebuch« und wurde in verschlossenen Laden aufbewahrt. Das Smartphone ist hingegen ein offenes Buch in einer Lade, für die viele einen Schlüssel haben.