Читать книгу Der Spion in meiner Tasche - Helmut Spudich - Страница 13

Alles, was recht ist

Оглавление

Dabei oszillieren Film und Fernsehen zwischen furchterregenden, jedoch technisch plausiblen Schreckensvisionen der Überwachung, und technischem wie gesetzlichem Humbug. Der bereits 1998 in die Kinos gekommene Film »Der Staatsfeind Nummer 1« zeichnet die Allmacht eines Überwachungsstaates dank Standortpeilung, Handy-manipulation, Gesichtserkennung, versteckten Videokameras und missbrauchten Onlinediensten. In den folgenden Kapiteln werden wir erfahren, wie mit Smartphones, datenhungrigen Apps, Cloud-Diensten, Face-Recognition und anderen Technologien diese Vision heute technisch weitgehend Realität ist. Ein prominenter Player in »Staatsfeind Nummer 1«, damals noch weitgehend unbekannt, verkörpert heute den Überwachungsstaat: die NSA, der elektronische Geheimdienst der USA.

Auf der anderen Seite finden sich SOKO-Serien, in denen zwei Kommissare mit K.-o.-Tropfen außer Gefecht gesetzt und ihrer Handys beraubt werden. Doch keine Sorge: Die Kollegen eilen zu Hilfe, orten am PC im Kommissariat eines der gestohlenen Handys und schicken eine Kollegin zur Parkbank, wo sie dem gerade telefonierenden Übeltäter auf die Schulter klopft und das Handy abnimmt. Nett, aber doppelt falsch: Erstens wäre am PC des Kommissariats die Lokalisierung eines Handys durch Kriminalbeamte nicht möglich. Zweitens wäre eine Lokalisierung über das Mobilfunknetz so ungenau, dass damit unmöglich auf einem öffentlichen Platz ein konkretes Handy identifiziert werden könnte.

Standortinformationen erhält der Mobilfunkbetreiber von einem Handy in den älteren Teilen seines Netzes entweder, wenn das Handy telefoniert oder gerade eine SMS verschickt, oder wenn die Mobilfunkzelle das Handy »anpiepst«. Ältere Netzteile: Das sind GSM, die so genannte zweite Generation des Mobilfunks, und das ab 2000 gebaute Datennetz 3G, anfangs als UMTS bekannt. Diese beiden Generationen sind weiterhin ein wichtiges Rückgrat der aktuellen Mobilfunknetze, obwohl inzwischen der Großteil des Datenverkehrs über 4G alias LTE vermittelt wird (auch über diese Entwicklung erfahren wir mehr im Kapitel »Die fünfte Generation«).

Den Standort zu bestimmen, fällt in 2G- und 3G-Netzen relativ ungenau aus, da nur wenige Betreiber über »Triangulation« verfügen – die Möglichkeit, durch die Anmeldung des Handys bei mehreren Mobilfunkzellen in seiner Umgebung genauer den konkreten Ort zu bestimmen. Diese Genauigkeit erhöht sich bei LTE (4G): Denn Smartphones melden sich relativ häufig bei »ihrer« Mobilfunkzelle, und diese wiederum sendet ihre Radiowellen in engeren Sektoren aus, was wiederum den möglichen Standort eingrenzt.

Anders sieht es aus, wenn es nicht um einen genauen Standort geht, sondern um die Bewegung eines Handys und seiner Benutzerin oder seines Benutzers. Durch die Verfolgung des Geräts über mehrere Funkzellen entstehen relativ genaue Bewegungsprofile. Ausreichend genau, um bei einer Ermittlung eine Person in Zusammenhang mit einem oder mehreren Tatorten zu bringen.

Hingegen ist der Zugriff auf den genaueren GPS-Teil (Satellitennavigation) von Handys dem Betreiber nicht möglich und damit der Polizei verwehrt. Dazu bedürfte es der Manipulation eines Handys durch entsprechende Software, einem »Bundestrojaner«, wie diese Schadsoftware umgangssprachlich genannt wird. In Deutschland ist dies den Behörden beim Verdacht auf schwere Straftaten seit einigen Jahren erlaubt. In Österreich wurde der Polizei dieser dringende Wunsch Ende 2019 vom Verfassungsgerichtshof versagt: Zu groß sei der mögliche Kollateralschaden für die Zivilgesellschaft (mehr darüber im Kapitel »Ibiza ist überall«).

Der Spion in meiner Tasche

Подняться наверх