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Das menschliche »Screenome«

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Wie verwachsen wir inzwischen mit unseren Smartphones sind, zeigt das Projekt »Human Screenome«, das die Stanford University Anfang 2020 startete. Es bezieht seinen Namen aus dem »Human Genome«-Projekt, mit dem das menschliche Genom entschlüsselt wurde, um daraus Therapien gegen Krankheiten und ein besseres Verständnis des menschlichen Verhaltens ableiten zu können. Mit der von Genom abgeleiteten Begriffsschöpfung »Screenome« meinen die Forscher, dass unser Smartphone unser gesamtes digitales Leben spiegelt und eine genaue Kenntnis unseres Verhaltens wie mancher Krankheiten bringt. Damit sollen schädliche Auswirkungen unseres ständigen Handy-Gebrauchs vermieden oder zumindest verringert werden, positive gestärkt.

Alle fünf Sekunden macht im Rahmen der »Screenome«-Erforschung eine speziell entwickelte Software einen Screenshot – ein Bild des Displays – des Smartphones. Daraus entstehen täglich tausende Aufnahmen, und die Auswertung dieser Aufnahmen nach den unterschiedlichen Aktivitäten und verwendeten Medien soll die perfekte digitale »DNA« des Benutzers liefern. Selbst die Darstellung des »Screenome« gleicht dem Bild einer DNA-Analyse, mit kleinen Balken und Strichen im täglichen Zeitverlauf mit den unterschiedlichen Aktivitäten. Farbcodierungen geben einen raschen Eindruck: Je gelb-oranger das Bild, desto mehr bewegt sich der Benutzer im Bereich von Social Media, je blau-grauer das »Screenome«, desto mehr Aktivitäten widmen sich »seriöserem« Gebrauch wie Lernen, Werkzeugen für die Arbeit, Musik, Mail.

Damit solle es vor allem bei Kindern und Jugendlichen möglich sein, Entwicklungen zu verfolgen und allenfalls korrigierend zu intervenieren, so hofft Byron Reeves, einer der Studieninitiatoren. Die Beobachtung von »Screentime« alleine, die Zeit, die wir im Blick auf das Handy-Display verbringen, sei ein überholtes Konzept, denn die Zeitdauer alleine gebe keinen Einblick, wie sie genutzt wird. Das »Screenome« könne hingegen zwischen förderlichen und schädlichen Einflüssen unterscheiden. Und aus dem Verhalten könnten Hinweise auf Erkrankungen abgeleitet werden.

Die Kehrseite der guten Intention ist die völlige Überwachung von Menschen mit Hilfe ihres Handys – denn unser digitales Leben ist heute ein weitgehend vollständiges Abbild unseres realen Lebens. Im Laufe eines Tages wird im Zeitraffer alles erfasst, von persönlichen Chats, vertraulicher Mail, Bankverkehr, sämtliche Schauplätze des täglichen Lebens vom Büro bis zum Supermarkt und dem Wohnort, Fotos und Videos, Medienkonsum, bis hin zu ungesetzlichen Aktivitäten. Ganz nebenbei liefert das Forschungsprojekt Software, die diese vollständige Überwachung ermöglicht: Eine gefährliche Waffe in den Händen unbefugter Benutzer.

Der Spion in meiner Tasche

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