Читать книгу Venezianischer Dämonenfluch: Gruselroman Großband 3 Romane 10/2021 - Hendrik M. Bekker - Страница 14
Оглавление7
ELITHIRAL, DRYADE VOM Eichenclan, ging ruhigen Schrittes am Delft entlang und hinüber zur Halbinsel Schreyers Hoek. Der rot gepflasterte Weg vor ihr, der am Wasser vorbeiführte, wurde im Abstand einiger Schritte von kleinen Säulen beleuchtet, die Lampen enthielten. Sie zog die Jacke enger um ihren Körper. Es war nicht die Kälte des Abends, es war einfache Angst, die sie umtrieb. Sie wusste, dass sie der Köder für eine Falle war. Sie war der Lockvogel für die Mörderin ihrer Schwestern und nur Balthasar würde sie retten können. Nicht dass sie dem alten Magier nicht vertraute, dennoch war es kein angenehmes Gefühl für sie, sich so in die Hände eines anderen zu begeben.
Auf einer Parkbank setzte sie sich und sah auf den im Dunkeln daliegenden Delft. Die Stadt hatte sich in den letzten fünfzig Jahren sehr geändert, dachte Elithiral. Sie war als Dryade mit einer Lebensspanne gesegnet, die dem Baum entsprach, an den sie gebunden war. Das bedeutete, sie würde mehr als hundert Jahre alt werden können. Sie erinnerte sich an die Achtziger und auch die Neunziger, als langsam am Delft neue Gebäude hochgezogen wurden und schicke Wohnungen und Hotels entstanden, wo einst Hafengebäude waren. Der Hafen selbst war immer weiter hinausgewandert.
„So spät noch unterwegs?“, fragte eine Frauenstimme nahe Elithiral. Sie sah auf. Eine rothaarige Frau in einem schicken Pelzmantel mit breiter Krempe setzte sich neben sie. Das wallende rote Haar glänzte und als sich ihre Blicke trafen, war Elithiral gefesselt von ihnen. Sie war so gebannt von diesen Augen, das sie nicht hätte sagen können, welche Farbe sie hatten. Unablässig musste sie den Blickkontakt halten.
Erst dann begriff sie, dass man ihr eine Frage gestellt hatte.
„Ja“, murmelte sie. „Hab noch was zu tun ...“
„Haben wir nicht alle was zu tun?“, fragte die Frau. „Wie heißt du?“
„Elithiral“, antwortete die Dryade ohne nachzudenken und nannte ihren wahren dryadischen Namen. Die Unbekannte lächelte und eine wohlige Wärme breitete sich in Elithiral aus, als sie das sah.
Die Dryade wusste nicht recht, wieso sie ihren wahren Namen gesagt hatte. Eigentlich hatte sie sich einen Tarnnamen überlegt, doch der wollte ihr nun einfach nicht einfallen ...
„Was für ein schöner Name“, hauchte die Frau und ihre Lippen näherten sich denen Elithirals. Sie schluckte verlegen und war gebannt, sie konnte sie einfach nicht bewegen.
„Ja, schon ...“, murmelte sie. Als sie blinzelte, erschien es ihr beinahe, als hätte die Rothaarige so etwas wie Hörner aus dem Kopf ragen.
Ihre Lippen kamen sich immer näher und dann schien die Sekunde ewig zu dauern, bis sie sich berührten. Plötzlich wurde die Rothaarige weggerissen, fiel hinter die Bank und kam wütend auf die Beine. Ihr Gesicht verzerrte sich zu einer wütenden Grimasse und nun wuchsen ihr tatsächlich Teufelshörner!
„Sie?“, fragte sie überrascht. Balthasar Ten Dornan kam gemessenen Schrittes den Gehweg entlang, die Hand noch vom Zauber erhoben. Hinter ihm ging ein bleicher kahlköpfiger Mann.
Elithiral erkannte den anderen als den Vampir Jack Skinner. Erst jetzt begriff sie, was geschehen war, und Schamesröte stieg in ihr Gesicht. Sie hatte gewusst, dass die Dämonin Victoria Menschen manipulieren konnte, doch war sie dem Bann vollkommen erlegen.
Nun war die Konzentration der Dämonin gebrochen und somit auch vorerst ihre Macht über Elithiral.
„Was tun Sie hier? Wir hatten ein Geschäft und das ist abgeschlossen. Mein Privatvergnügen geht Sie nichts an“, zischte die Dämonenfrau und richtete sich würdevoll zu ihrer ganzen Größe auf.
„Doch, das geht es. Wenn es um Mord geht, sehe ich das nicht ganz so entspannt“, erklärte Balthasar und malte mit seinem linken Zeigefinger ein Zeichen in die Luft. Eine feine, flirrende Leuchtspur hinterließ die Fingerspitze und Victoria versteifte sich, als würden unsichtbare Fesseln sie halten. Sie zischte und griff unter großer Anstrengung in ihre Manteltasche. Sofort schien der Bann gebrochen und sie hielt einen kurzen Dolch in der Hand, mit dem sie auf Balthasar zustürzte. Dieser sprang zur Seite und ließ sie ins Leere laufen. Währenddessen sprang Skinner herbei und packte sie. Er erwischte nur ihre Handtasche, riss sie herunter und schleuderte sie achtlos weg. Dann war Ten Dornan herbeigeeilt und vollführte eine Handgeste, nach der der Dolch zu glühen begann, doch Victoria ließ ihn nicht los. Sie schlug nach Balthasar, der die Klinge mit bloßer Hand auffing, während er mit der anderen Hand ein Zeichen in die Luft schrieb, sodass ihn die Klinge nicht schnitt.
Nun hatte Skinner etwas Abstand von den beiden und zog eine Pistole. Er zielte und schoss, erwischte Victoria an ihrer Schulter und verletzte sie leicht, dass es blutete.
Sie ließ vor Schreck den Dolch los und schrie, dann wuchsen ihr fledermausartige Flügel und sie schwang sich mit einer einzigen fließenden Bewegung in die Luft.
Während Balthasar versuchte, einen neuen Zauber zu weben, flog sie davon und war in der Dunkelheit der Nacht verschwunden.
„Verdammt“, fluchte Skinner und Balthasar hörte mit der Beschwörung auf. Er nickte nur.
„Die ist weg“, sagte er und wandte sich Elithiral zu. Diese hatte den Kampf genutzt und sich die Handtasche der Dämonin genommen.
„Warte“, sagte Balthasar und die Dryade hielt in der Bewegung inne. „Möglicherweise ist etwas Gefährliches darin, oder ein Bannspruch darauf, der den unbefugten Öffner verletzt.“
Sie nickte und reicht ihm die Tasche.
„Geht es dir gut?“, fragte Balthasar.
„Es geht, ja.“
Er öffnete die Tasche und lächelte leicht. Darin war ein kleines Lederetui, in dem sich eine Spritze sowie eine Phiole mit klarem Serum befanden.
„Sie hat, denke ich, einen Komplizen. Ihre magischen Fähigkeiten reichen sicherlich, um ihre Opfer so sehr zu bezirzen, dass sie sich nicht richtig wehren können. Aber das hier ist ein Betäubungsmittel. Ich denke mal, sie bringt die Dryaden dann zu einem Versteck, wo sie die Sache zu Ende bringen und ihnen die Enzyme entnehmen. Aber das Gute ist, dass wir wissen, wo ihr Versteck ist.“
„Woher? Was ist noch darin?“, fragte Skinner skeptisch.
„Nichts von Wert. Aber diese Spritze wurde immer wieder eingesetzt, während starke Gefühle am Werk waren, und das hinterlässt einen magischen Abdruck. Wartet mal ...“, sagte Balthasar und begann mit der freien linken Hand, einen kurzen Zauber zu weben.
Dann leuchtete eine Welle von Funken auf, die aus der Spritze schlugen und sich zu einer Kugel sammelten. Sie bildete über der geöffneten Handfläche von Balthasar eine Dreiecksform und zeigte eindeutig in Richtung des Hafens.
„Gehen wir. Wenn wir Glück haben, ist sie ja auf dem Weg in ihr Versteck“, sagte Balthasar. Er tippte Elithiral an der Schulter an und deutete auf den Armreif, den sie trug. Der Armreif verband sie beide auf magische Weise und ließ den einen fühlen, was der andere fühlte. Er hob fragend die Augenbrauen. Mit diesem Blick fragte er sie, warum sie den Reif noch trug. Sie zwinkerte und ging in die Richtung, in die das leuchtende Dreieck, das dicht über der Hand des alten Magiers schwebte, wies. Er verstand, das sie diese Verbindung noch etwas aufrecht erhalten wollte.
Ten Dornan folgte ihr begleitet von Skinner.