Читать книгу Venezianischer Dämonenfluch: Gruselroman Großband 3 Romane 10/2021 - Hendrik M. Bekker - Страница 9
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„NICHT SCHON WIEDER“, murmelte der Carabiniere. Er sah zu seinen beiden Kollegen auf. „Und ich gehe jede Wette ein, dass wir auch diesmal keinen Anhaltspunkt für die Identität der Toten finden.“
„Es gibt auch keine Vermisstenmeldungen“, knurrte Belmonte. „Nichts, woran man sich halten könnte ... und es gibt keine Erklärung dafür, wie diese Frauen getötet wurden.“
„Ermordet, nicht einfach getötet“, sagte der erste Polizist. „Schaut euch das doch an. So stirbt niemand einfach ... wie alt mag sie sein? Zweihundert Jahre, dreihundert? Man könnte annehmen, jemand habe sie ausgegraben.“ Er zog sich Handschuhe über und berührte die Haut. Sie raschelte trocken wie Pergament. Ein Brechreiz kam in ihm hoch, den er aber unterdrückte. Menschen sollten sich nicht so anfühlen, dachte er.
„Kein Tropfen Blut mehr im Körper, nichts. Geradeso, als wären Vampire am Werk gewesen.“ Er stand auf, zog die Handschuhe aus und steckte die Hände in die Hosentaschen.
„Du liest zu viele Horror-Romane“, brummte Belmonte. „Der Inspektor wird sich mal wieder freuen ... sechs tote Frauen in sechs Tagen! Er wird’s kaum länger geheim halten können. Die hier haben mit Sicherheit schon ein paar Dutzend Leute gesehen, und prompt brodelt die Gerüchteküche.“ Belmonte erhob sich. Mit langjähriger Routine sah er suchend in die Runde, ob er Reporter entdecken konnte. Aber noch war alles ruhig. Der Tag hatte gerade erst begonnen.
Der eigentliche Betrieb würde erst in der nächsten Stunde beginnen, und auch nicht hier in diesem abgelegenen Winkel. Die Touristenströme ergossen sich vom Markusplatz aus in alle Richtungen, selten aber weiter als fünfhundert Meter von den Hauptrouten fort. Und hier draußen im Ghetto war ohnehin nicht damit zu rechnen. Hier gab es nichts zu sehen. Hier kam nur in Ausnahmefällen jemand her.
Die Anwohner selbst hielten sich zurück.
„Abtransportieren“, ordnete Belmonte an. Er fasste selbst mit an. Die Tote war federleicht. Sie brachten sie im Polizeiboot unter, unter einer Decke verborgen. Einer der Beamten hatte eine Kreidezeichnung angefertigt. Er schoss noch einmal zusätzliche Fotos von der Fundstelle und kletterte als Letzter ins Boot. Jetzt endlich trauten sich ein paar Jugendliche heran, die den Vorgang wohl hinter ihren Fenstern verborgen beobachtet hatten. Aber bevor sie Fragen stellen konnten, jagte das Polizeiboot bereits davon, der Questura entgegen.
Eine halbe Stunde später untersuchte Dottore Casal die Tote.
„Dasselbe wie bei den fünf anderen“, sagte er. „Todesursache unbekannt. Wie dieser künstliche Alterungsprozess ausgelöst wird und vonstattengeht, ist mir immer noch ein Rätsel. Auch der Blutverlust. Kein einziger Tropfen Blut mehr im Körper, nicht einmal eingetrocknet ... nichts ...“
„Spuren? Reste von Textilfasern unter den Fingernägeln, Blutkrusten? Erde in Hautporen, im Haar ...?“
„Nichts, Signore. Gar nichts“, sagte Casal schulterzuckend. Der Polizeiarzt wandte sich ab und verließ den Obduktionsraum. „Hat gar keinen Zweck, dass ich weitermache. Es gibt ja doch keine neuen Erkenntnisse. Wir sollten Rom informieren.“
„Denken Sie an eine Krankheit?“
Casal schüttelte den Kopf. „Keine Krankheit, Inspettore. Eine Krankheit, die nur Frauen befällt und in dieser Form tödlich wirkt, ist unmöglich. Außerdem müssten wir dann auch Erkrankte in anderen Stadien, also noch lebend, beobachten. Das ist nicht der Fall. Diese sechs Frauen sind auf eine uns unbekannte Weise umgebracht worden. Und unsere Kunst versagt hier. Wir wissen nicht einmal, wo sie getötet wurden, ein Motiv gibt es nicht, die Identität ist unbekannt ... was sollen wir da machen?
Telefonieren Sie mit Rom, Signore. Und am besten lassen Sie die Leichen auch dorthin bringen. Vielleicht gibt es in Rom bessere technische Möglichkeiten, und eine Nach-Obduktion durch Spezialisten erbringt mehr. Obwohl ...“, er schüttelte sich, „viel ist da ja nicht mehr zum Obduzieren dran. Der Teufel soll’s holen, wenn ich das begreife.“
„Bueno, dottore“, murmelte der Inspektor. „Warten wir also weiter ab, mit verstärkten Patrouillen ... aber wir werden nichts finden. Es ist zum Verzweifeln.“ Er schlug mit der geballten Faust in die hohle Hand.
Sechs Tote in sechs Tagen – und es gab nichts, um diese Tode zu verhindern. Es gab auch keinerlei Hinweise. Der Inspektor war fast schon sicher, dass am kommenden Morgen auch die siebte Leiche gefunden werden würde.
„Es ist, als ginge es mit dem Teufel zu“, murmelte er, während er seinem Büro entgegenstrebte. Durch die Fenster strahlte die Spätsommersonne. Ein Tag wie zum Träumen. Aber die sechs Toten waren ein Albtraum.