Читать книгу Venezianischer Dämonenfluch: Gruselroman Großband 3 Romane 10/2021 - Hendrik M. Bekker - Страница 18
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PHILIPPA CARNOR BEGRIFF es nicht. Wie hatte Campa noch vor ihr auf dem Wasserbus sein können? Er war doch nicht an ihr vorbeigekommen! Sie hatte doch extra darauf geachtet! Sie verstand es nicht. Hier geschahen Dinge, die über ihr Begreifen gingen. Fast war es ihr, als sei dieser Luigi mit dem Teufel im Bund.
Sie sah, wie sich ein Fremder zwischen sie und Campa brachte. Er wollte wohl etwas von dem Unheimlichen. Philippa nutzte die Gunst des Augenblicks. Sie tauchte im Eingangsbereich des Dogenpalasts unter, sah sich um. Noch war der Palast geöffnet, noch wurden Eintrittskarten verkauft. Aber vor den vier nebeneinander befindlichen Kassen standen zwei lange Touristenschlangen. Die beiden anderen Kassen waren geschlossen. Philippa verwünschte Hochsaison und Massentourismus. Ohne Karte kam sie nicht ins Innere des Gebäudes. Sie musste also wieder raus und anderweitig verschwinden ...
Vorsichtig sah sie über den Platz, wo Campa und der Fremde immer noch miteinander beschäftigt waren. Campa sprang plötzlich zur Seite, als habe ihn eine Klapperschlange gebissen.
Im nächsten Moment stiegen sämtliche Tauben auf – sämtliche, gleichgültig, wo sie sich gerade befanden. Sie lösten sich von den Menschen, die sie fütterten, von den verstreuten Körnern, von Säulen und Dächern, von den Bäumen des Parks, von den Schiffen, von dem Löwenstandbild ...
Ein gewaltiges Rauschen ging über den Platz und ließ die Menschen erst überrascht, dann erschrocken zusammenfahren. Wie eine gewaltige Wolke hingen die Tauben unter dem blauen Himmel, eine graue, bedrohliche Wolke aus Tausenden von Körpern und Flügeln, aus kreischenden Schnäbeln ...
Und diese Wolke hatte ein Ziel! Die Tauben griffen an!
Philippa glaubte sich in Hitchcocks „Die Vögel“ versetzt. Die Tauben hatten sich einen Mann als Ziel auserkoren: den Fremden, der mit Campa gesprochen hatte!
Da begann Philippa endgültig zu ahnen, dass es bei diesem Florentiner nicht mit rechten Dingen zuging. Er musste ein Zauberer sein, ein Magier ... ein Dämon ...
Philippa hatte nie an Dämonen und Magie geglaubt. Sie hatte sich immer über ihre Freundinnen amüsiert, wenn diese Romane verschlangen, in denen von Dämonen, von Vampiren und Gespenstern geschrieben wurde. Und sie hatte die Filme im Kino belächelt.
Jetzt begann sie umzudenken.
Dieser Angriff der Vögel ließ sich mit dem normalen Menschenverstand einfach nicht erklären. Wie kamen die Tauben dazu, die sonst völlig friedlich waren, über einen Mann herzufallen, der ihnen nichts getan hatte? Noch dazu Tauben! So, als würden sie ferngesteuert ...
Philippa stöhnte unterdrückt auf. Sie sah, wie der Fremde in einer Wolke aus Tauben verschwand. Und sie sah, wie Luigi Campa mit raschen Schritten davoneilte, genau in die Richtung, in der sich Philippa Carnor befand ...
Da begann sie zu laufen. Sie musste Venedig verlassen! Sie fühlte sich bedroht. Sie musste so schnell wie möglich an ihr Schließfach kommen, ihr Gepäck nehmen und dann verschwinden.
Sie folgte den Schildern, die zur Rialto-Brücke wiesen. Der Canal Grande machte eine s-förmige Kurve durch Venedig. Wer dieser Kurve nicht folgte, sondern quer zum Kanal ging, kürzte gewaltig ab. Dann war Venedig plötzlich gar nicht mehr so groß, wie es den Anschein für den Unkundigen hatte.
Und sie hoffte, dass sie noch unbehelligt davonkommen konnte.
Denn dass der Unheimliche ihr nichts Gutes wollte, das wusste sie mittlerweile ...