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JOE HATTE SICH ENTSCHLOSSEN, methodisch vorzugehen. Durch ihren Informanten wusste er, wo man die Toten gefunden hatte, die so völlig ausgetrocknet waren, als habe jemand ihnen alle Lebenssäfte entzogen. Er suchte nun, begleitet von Valera, alle sechs Fundstellen auf. Sie verstreute ihr weißliches Pulver, benutzte magische Formeln, und war doch nicht in der Lage, etwas herauszufinden.

„Es wirkt nicht“, sagte sie resigniert. „Ich kann mir kein klares Bild machen.“

Sie erklärte ihm, dass die Toten nicht dort ermordet worden waren, wo man sie gefunden hatte. Immerhin hatte es keine Reste von Kleidungsstücken gegeben, und Joe war sicher, dass die sechs Mädchen nicht nackt durch die nächtliche Stadt gestreift waren. Und der oder die dämonischen Mörder würden ihre Opfer wohl kaum auf offener Straße entkleidet haben.

Joe versuchte auch, auf einem kleinen Taschenstadtplan die Fundorte abzustecken und daraus ein System zu erkennen: einen Kreis vielleicht, oder ein Symbol, aus dem man Rückschlüsse ziehen konnte, wo ein weiteres Opfer entdeckt werden mochte. Aber so sehr Valera und er auch alles durchdachten – es gab kein System. Die Leichen waren wahllos überall in der Stadt verteilt worden.

„Und in dieser Nacht wird es die siebte erwischen“, sagte Joe grimmig. „Und ich sehe noch keine Möglichkeit, es zu verhindern.“

„Sieben“, sagte Valera. „Sieben ist eine der magischen Zahlen. Vielleicht werden eben diese sieben Opfer gebraucht, um etwas zu bewirken. Das Leben von sieben Mädchen oder Frauen ... darin steckt eine geradezu ungeheuerliche Kraft.“

„Aber wofür? Um die Auswirkungen des Kometen zu neutralisieren? Die Zeitung ist ja voll davon, er wird angeblich gut zu sehen sein.“ Er erklärte ihr, was er über derartige Kometenereignisse in der Ordensbibliothek gelesen hatte. Es kam dadurch regelmäßig zu unterschiedlichen magisch bedingten Phänomenen. „Es muss etwas anderes sein“, sagte Valera. „Mit dem Kometen dürfte es jedenfalls wenig zu tun haben. Wenn ich nur wüsste, wer in Frage kommt. Aber von allen dem Orden bekannten italienischen Dämonensippen ist kein Mitglied in der Lage, auf diese Weise zu töten. Wozu auch?“

Sie schüttelte sich. „Ich könnte versuchen, Köder zu spielen. Vielleicht werde ich ausgewählt ...“

„Kommt nicht in Frage“, widersprach Joe energisch. „Du als Köder ... vielleicht ist es genau das, was die Gegenseite will.“

Sie schlenderten wieder durch die engen Gassen und über Brücken. Joe hatte den Stadtplan wieder in der Tasche versenkt, und sie gingen der Nase nach auf den breiteren Wegen, über die Treppen und Brücken, zwischen Touristen und Dieben hindurch. Hin und wieder landete man auf einem Hinterhof und musste umkehren. Von dem planlosen Wandern versprach sich Joe nicht viel, aber manchmal hatte auch schon der Zufall geholfen.

Diesmal ließ er sich wohl nicht heraufbeschwören.

Aber als sie die Anlegestelle der Vaporetti am Markusplatz erreichten, sah Joe den Mann mit dem auffällig gezwirbelten Schnurrbart wieder. Der junge Bursche verließ gerade den Wasserbus und schritt zügig aus. Er schien ein blondes Mädchen zu verfolgen, das sich mehrmals nach ihm umsah und jedes Mal etwas schneller ausschritt.

„Da ist was“, sagte Valera. Sie hatte die Augen halb geschlossen. Mit ihren sensiblen Hexensinnen spürte sie offenbar Schwingungen, die normale Menschen nicht aufnehmen konnten.

Joe spürte sie nicht, aber er ahnte, dass es gleich Ärger geben würde. Und er setzte sich in Bewegung, schnitt dem Mann den Weg ab und stellte sich ihm entgegen. Dabei folgte er nur seinem Gefühl, dass es mit diesem Mann wirklich etwas Besonderes auf sich hatte.

Im gleichen Moment, als er direkt vor ihm stand, erwärmte sich das kleine silberne Kreuz, die er an einem Kettchen um den Hals trug.

Das hieß, dass dieser Mann ein Dämon war oder sonst wie mit Magie zu tun hatte.

Joe schaltete sofort. Er konnte es hier mitten auf dem Markusplatz nicht auf eine Auseinandersetzung ankommen lassen. Es ging ihm dabei weniger um das Aufsehen, das er erregen würde, sondern um die Hunderten von Menschen in der Nähe. Niemand konnte voraussagen, wie der Dämon reagieren würde. Unter Umständen konnte er eine magische Explosion auslösen und die Menschen in Mitleidenschaft ziehen. Joe wollte aber niemanden gefährden.

Er hoffte, dass der Dämon ihn nicht erkannte.

„Scusi, signore ... haben Sie Feuer?“, versuchte er sich in einer Mischung aus Touristen-Italienisch und Englisch verständlich zu machen. Es war ein Ausweichmanöver, während er gleichzeitig das Mädchen abzuschirmen versuchte. Denn ein irrwitziger Gedanke schoss in diesem Moment durch seinen Kopf.

Vielleicht war ihm ausgerechnet hier der Zufall zu Hilfe gekommen! Vielleicht wollte dieser Dämon gerade sein siebtes Opfer sichern ...?

Der Schnurrbartträger schob Joe unhöflich beiseite. Das heißt, er wollte es tun. Joe ließ sich nicht schieben. In der Linken hielt er die Schachtel Zigaretten, mit der Rechten zog er eine Zigarette hervor. „Fiammiferi ... per favore ...“

Der Schnurrbärtige ließ einen verärgerten Wortschwall auf Joe los und drängte sich wieder an ihm vorbei. Joe ließ ihn los. Länger konnte er sich nicht an ihn klammern, ohne einen handfesten Krach auf offenem Gelände zu provozieren.

Der Dämon streifte bei seinem Befreiungsversuch mit dem Unterarm Joes Brust. Dort befand sich unter dem Hemd das Kreuz. Und der Dämon spürte es.

Er sprang fast einen halben Meter seitwärts und sah Joe mit aufgerissenen Augen an. Sein Gesicht verzerrte sich. Dann hob er zwei Finger.

Es war eine unauffällige Geste, von den wenigsten Menschen bemerkt. Und selbst jene, die sie sahen, brachten sie nicht mit dem Geschehen in Verbindung, das jetzt einsetzte.

Von einem Augenblick zum anderen war auf dem Markusplatz die Hölle los.


Venezianischer Dämonenfluch: Gruselroman Großband 3 Romane 10/2021

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