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Abnabelung vom Blues

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Eine neue, nicht rein angloamerikanisch geprägte populäre Musik zu schaffen, heißt für einen Großteil der angehenden Krautrocker zunächst, dass sie sich von der Urform aller Rock- und Popmusik, dem Blues, lossagen müssen. Leichter gesagt als getan. Kein Blues, das bedeutet unter anderem auch: keine »Blue Notes«. Diese dem chromatischen System fremden, aus der afrikanischen Pentatonik stammenden Töne sind verantwortlich für den klagenden, »erdigen« Charakter des Blues und vor allem für das klassische Rockgitarrenspiel mit seinen gezogenen Melodiebögen unverzichtbar. Der Krautrock indes liebäugelt nun verstärkt mit Zwölftonmusik, elektronischer Musik und der sogenannten Musique concrète, bei welcher Geräusche mit dem Mikrofon aufgenommen und dann verfremdet werden. Auch der swingende, aus dem Blues entwickelte Off-Beat des klassischen Rock und Jazz weicht häufig einer fast maschinenhaften Rhythmik – von britischen Kollegen und Fans gern als »Motorik« bezeichnet (eine Kombination der Worte »Motor« und »Musik«).

Viele der ungestümen frühen Experimente klingen aus heutiger Sicht vielleicht noch etwas unbeholfen – und doch manifestiert sich in den aggressiven Trommel-, Geräusch- und Gitarrengewittern der 1969 erschienenen LP Amon Düül I oder den elektronischen Verzerrungen des Can-Debüts Monster Movie aus dem Jahre 1968 der klare Wille zur Abgrenzung. »Für die meisten Musiker in den USA und Großbritannien war der Blues das einzige Ausdrucksmittel, welchem sie starr verhaftet blieben«, meint Brandon Curtis von den New Yorker Secret Machines, die sich dem deutschen Kraut-Erbe musikalisch verbunden fühlen. In bundesdeutschen Großstädten sind von 1967 an neue Rockgruppen zu hören, die, wenngleich von den angelsächsischen Veröffentlichungen ihrer Zeit nicht gänzlich unbeeinflusst, in Konzept, Klang und Konzeption wesentlich origineller sind als die Vertreter der deutschen Beat-Ära. Der Krautrock wirft Ballast ab und versucht dabei, äußere und innere (auch nicht-musika-

lische) Einflüsse möglichst direkt in Klänge umzusetzen.

Von der zwischen Anfang 1967 bis etwa 1970 produzierten neuen »Underground-Musik« ist leider nur ein sehr geringer Teil auf Tonträgern dokumentiert – ein musikhistorischer Verlust, denn manch stilbildende Formation klingt in ihren Anfangstagen noch wie eine vollkommen andere Band. So lassen bereits Anfang der Siebziger die kosmischen Klänge der Berliner Tangerine

Dream nichts mehr davon erahnen, dass die Gruppe einst mit einer Mixtur aus Free Jazz und hartem Rock ausgezogen war, um die Welt der Popmusik zu verändern.

Krautrock

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