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4. »Etwas Eigenes machen«:
Musik und Identität

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»Wenn ich an die späten Sechziger zurückdenke, weiß ich, dass ich zunächst zunehmend unzufriedener geworden bin und dann angefangen habe, nach irgendwelchen neuen Wegen zu forschen. Ich hatte noch gar keine klare Vorstellung, wohin das gehen sollte.«

– Michael Rother, Gitarrist von Kraftwerk, NEU! und Harmonia –

»Wir waren auf der Suche nach unserer eigenen Identität. Es war ein Bedürfnis, etwas Eigenes zu machen.«

– Lothar Stahl –

»Wir hatten diese ganze Geschichte satt!«

– Hans-Joachim Irmler –

Noch Anfang 1966 dröhnen aus deutschen Übungskellern holprige Versionen von »(I Can’t Get No) Satisfaction« oder »Sweet Little Sixteen«. Andere bemühen sich in heute längst vergessenen Eigenkompositionen, dem Sound aus Übersee möglichst nahezukommen. 1967 gelingt der nach britischem Muster geformten Beat-Kapelle The Rattles mit »The Witch« sogar der erste internationale Hit aus Westdeutschland. Nach wie vor aber hängt die deutsche Rockmusik am Rockzipfel ihrer großen angelsächsischen Schwester. »Ich habe mich damals immer noch an englischen und amerikanischen Musikern orientiert«, gesteht der ehemalige Düül-Schlagzeuger Peter Leopold rückblickend.

Viele Bands sind es jedoch leid, als zweitklassige Kopien den Samstagabend im Jugendclub zu bestreiten. »Ich glaube, wir sind die erste Generation, die das abschüttelte«, so Ralf Hütter (Kraftwerk) 1975 in einem Interview mit dem US-amerikanischen Musikjournalisten Lester Bangs. »Wir können nicht leugnen, dass wir aus Deutschland stammen, denn die deutsche Mentalität […] wird immer ein Teil unseres Benehmens sein.«

Der britische Beat und die Rockmusik als uramerikanisches Phänomen sind zwar zweifellos auch die Wurzeln des Krautrock, andererseits zeigt jedoch gerade die amerikanische Jugendkultur der Sechziger, dass es möglich ist, sich über eine eigene Musik zu definieren und von gesellschaftlichen Fesseln zu befreien. Wie eine solche Musikkultur aussehen kann, haben die Besatzer auf deutschen Bühnen hautnah vorgemacht. »Man merkte, dass die Musiker, die man bewunderte, ihre eigene Sache verfolgten«, erzählt Roman Bunka. »Das hat natürlich dazu angespornt, sich selbst auf den Weg zu machen. In dieser Hinsicht war das auch eine klare Vorbildfunktion.«

Münchener, Düsseldorfer und Berliner Lokalmatadoren arbeiten nun hartnäckig daran, sich von ihren übermächtigen Vorbildern abzunabeln. Doch der Wille zum Umbruch allein genügt nicht. Was fehlt, ist musikalische Orientierungshilfe. Zum Dreh- und Angelpunkt wird so die Suche nach einer Ausgangsbasis für das eigene Schaffen. Kraan-Bassist Hellmut Hattler erinnert sich noch genau an einen Nachmittag im Haus der Eltern seines Freundes Jan Fride: »Wir saßen bei Jan im Wohnzimmer. Seine Eltern besaßen so eine große Braun-Stereoanlage. Es war ein ruhiger, sonniger Nachmittag. Ich sagte, ›eigentlich sollten wir eigene Stücke spielen‹. Jan antwortete, ›wie willst du denn das machen?‹«

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