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2. Schädliche Neigungen von besonderem Ausmaß

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Schädliche Neigungen werden vom BGH MDR 1985, 796 (Holtz) wie folgt definiert: „Es muss sich mindestens um, sei es anlagebedingt, sei es durch unzulängliche Erziehung oder ungünstige Umwelteinflüsse bedingte, Mängel der Charakterbildung handeln, die ihn (den angeklagten Jugendlichen oder Heranwachsenden) in seiner Entwicklung zu einem brauchbaren Glied der sozialen Gemeinschaft gefährdet erscheinen und namentlich befürchten lassen, dass er durch weitere Straftaten deren Ordnung stören werde.“ Diese Befürchtung bezieht sich auf die konkrete Erwartung wiederholter schwerer Straftaten. Häufiger findet sich in Entscheidungen die Kurzform, nach der bei einem jungen Menschen schädliche Neigungen vorliegen, wenn „erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel die Gefahr begründen, dass er ohne längere Gesamterziehung durch weitere Straftaten die Gemeinschaftsordnung stören wird“ (BGHSt 11, 170; 12, 261). Diese an Nr. 1 RiRJGG 1943 zu § 6 orientierte Interpretation konnte 1953 nach Uminterpretation des strafzweckbezogenen Kontextes weiter gelten, Swoboda 2016, 278 f: NS-ideologisch wurde aus der Erziehungsstrafe eine Ehrenstrafe mit Ausschlussfunktion, die „auf die Verletzung der völkischen Gemeinschaftspflicht“ „diffamierend“ reagierte. Der Jugendliche mit schädlichen Neigungen hatte seine Ehre verloren, bei ihm würde sich wegen der „eingewurzelten verbrecherischen Gesinnung“ eine Erziehung nicht mehr lohnen und er sei deswegen aus der „Volksgemeinschaft“ auszustoßen, begründet mit Ideen der „Rassen- und Kriminalhygiene“. Mit der Abkehr von nationalsozialistischen Ideen im JGG der Bundesrepublik wurden schädliche Neigungen dann als Verwahrlosungserscheinungen definiert, die sich zum Positiven verändern lassen (statt Ausstoßung aus der Gesellschaft Chance zur Integration).

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Nach der aktuellen Definition des BGH NStZ-RR 2002, 20 müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein (erhebliche Persönlichkeitsmängel, Erforderlichkeit einer längeren Gesamterziehung, negative Prognose als Gefahr erheblicher Straftaten). Dennoch bleibt die von Swoboda festgestellte „Inhaltsleere“ des Begriffs, der durch Fallgruppenbildung bei Rose NStZ 2019, 57 etwas entgegengewirkt werden kann.

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