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b) Dogmatische Ungereimtheiten

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Die Voraussetzungen der Verhängung von Jugendstrafe sind nicht nur kriminologisch bedenklich, sondern werfen auch grundlegende dogmatische Fragen auf, die das Verhältnis der schädlichen Neigungen zur Schwere der Schuld betreffen. Die Praxis versucht, beide Voraussetzungen zu harmonisieren, indem sie einerseits die Schwere der Schuld als Indiz für schädliche Neigungen ansieht und andererseits auch bei der Schwere der Schuld den Vorrang des Erziehungsgedankens betont (OLG Hamm ZJJ 2004, 299). Beide Voraussetzungen haben jedoch eigenständige Bedeutung. Eisenberg § 17 Rn. 18c sieht in der Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen sachlich eine Maßregel der Besserung und Sicherung (so schon Zipf 1969, S. 145) mit der Verpflichtung, gem. § 246a StPO einen Sachverständigen hinzuzuziehen (Kemme Die strafprozessuale Notwendigkeit zur Hinzuziehung eines Sachverständigen bei Feststellung schädlicher Neigungen gem. § 17 Abs. 2 JGG, StV 2014, 760). Strafcharakter hat dann nur die Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld. Diese Differenzierung scheitert jedoch schon am klaren Gesetzeswortlaut von § 17 Abs. 1, der Jugendstrafe unabhängig von den Voraussetzungen als Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung definiert. Dogmatisch überzeugender ist insoweit das Plädoyer von Rössner für eine strikte Trennung der jugendstrafrechtlichen Sanktionen in Erziehung und Strafe (Zweispurigkeit). Dogmatisches Leitprinzip wäre danach bei Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen der Erziehungs- und bei Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld der Strafaspekt (Rössner in: Wolff-Marek, 1990, S. 21). Diese strikte Zweiteilung lässt sich aber schon nicht mehr bei der Bemessung der Jugendstrafe einhalten, die sich nach § 18 Abs. 2 an der erforderlichen erzieherischen Einwirkung orientiert (Ostendorf Das Jugendstrafrecht als Vorreiter für die Verknüpfung von Zurechnung und Prävention: Für ein einheitliches Maß bei Strafen und Maßregeln, StV 2014, 766), ohne nach den Voraussetzungen der Verhängung der Jugendstrafe zu unterscheiden. Dogmatische Ungereimtheiten im Verhältnis von schädlichen Neigungen zur Schwere der Schuld sind also bereits im Gesetz angelegt und können nur de lege ferenda beseitigt werden. Als Auslegungshilfe bleibt deswegen nur der Hinweis, dass schädliche Neigungen stärker täterorientiert und Schwere der Schuld stärker tatorientiert zu verstehen sind (so auch OLG Hamm NStZ 2005, 58). Maßgeblich ist also eine unterschiedliche Akzentsetzung.

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Durch die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/800 in § 68a (Zeitpunkt der Bestellung eines Pflichtverteidigers vor der ersten Vernehmung) ergibt sich die Chance, die von Swoboda ZJJ 2016, 278 benannten Kritikpunkte der Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen wie Sanktionseskalation, Stigmatisierung und methodisch zirkelschlüssiger Begründungen z.B. zur Gefährlichkeitsprognose zu vermeiden oder zumindest abzumildern. So könne der Verteidiger bei möglicher Bejahung schädlicher Neigungen auf eine wissenschaftliche Fundierung der Gefährlichkeitsprognose durch einen Sachverständigen drängen (unter Hinweis auf Kemme/Wetzels 2014, 59).

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